Maduro will die Haare schön

Keine Devisen, Inflation, leere Regale. Jetzt kommt es im Ölstaat Venezuela auch noch zu Energieengpässen. Statt mit Reformen reagiert Staatschef Maduro mit politischem Voodoo. Jetzt sollen die Frauen den Sozialismus des 21. Jahrhunderts retten. Indem sie ihre Haare nicht mehr föhnen, sondern Lufttrocknen lassen.


In der DDR kursierte der Witz, dass Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter die schlimmsten Feinde des Sozialismus seien. Venezuela hätte da eigentlich bessere Voraussetzungen. Denn zumindest das, was die Genossen zwischen Erzgebirge und Ostseestrand Winter nannten, kennt man im Karibikstaat eigentlich nicht. Feinde scheint der Sozialismus auch in den Tropen zu haben. Denn obwohl Venezuela in Öl geradezu schwimmt, sind die Schlangen selbst für Produkte wie Kondensmilch oder Klopapier inzwischen so lang wie in der ostdeutschen Provinz zu schlimmsten Zeiten planwirtschaftlicher Mangelverwaltung.

Dass das ökonomische Desaster am System, an der Unfähigkeit der Herrschenden oder der allgegenwärtigen Korruption liegen könnte, verweist Nicolas Maduro, Nachfolger des 2013 verstorbenen Staatschefs Hugo Chávez, selbstverständlich ins Reich der Legenden. Schuld haben aus seiner Sicht immer andere: die grimmen Feinde im US-Imperialistenhort, raffgierige Unternehmer, die den so genannten Sozialismus des 21. Jahrhunderts aus Prinzip boykottieren und natürlich das Wetter. Neuerdings hat der frühere Busfahrer einen neuen Übeltäter ausgemacht: den Föhn.

Lufttrocknen für den Sozialismus

Akut leidet Venezuela an Energieknappheit. Dürre und Trockenheit haben die Stauseen und Flüsse im Land dezimiert, weshalb die Wasserkraftwerke derzeit nur einen Bruchteil der üblichen Energiemenge liefern können. Zudem hat es die Regierung in den vergangenen Jahren unterlassen, in Erneuerung und Ausbau von Kraftwerken zu investieren, während der Energiebedarf im Land ständig gewachsen ist.

Die Rettung des Sozialismus soll nun aus den Badezimmern kommen. Kein Föhn mehr und nur noch Mehrweg-Hygieneartikel für Frauen, lautet die Devise. Schwierig, in einem Land, in dem Körperpflege traditionell einen hohen Stellenwert hat – und dessen Damenwelt sogar innerhalb Südamerikas den Ruf genießt, besonders attraktiv zu sein. Immerhin waren venezolanische Beauty-Queens bei internationalen Schönheitswettbewerben auffällig oft erfolgreich. Es gibt sogar Institute, die junge Damen auf solche Veranstaltungen vorbereiten. Die richtige Frisur spielt dabei häufig eine Rolle. Hier kommt der Föhn ins Spiel, der aus Maduros Sicht unbedingt im sozialistischen Schrank bleiben soll. Lufttrocknen spart Energie, so der regierende Busfahrer, der auch der Ansicht ist – Zitat – dass „luftgetrocknete und mit den Händen in Form gebrachte Haare“ besser aussehen würden. Lufttrocknen für den Sozialismus? Wäre Erich Honecker auf diese Idee gekommen, würde die DDR dann heute noch bestehen?

Maduro dreht an der Uhr

Doch Cleverle Maduro hat noch mehr Rezepte auf Lager, mit denen der Sozialismus des 21. Jahrhunderts wie Lazarus vom Totenbett auferstehen soll. Zum einen soll die Uhr umgestellt werden, um das Tageslicht besser ausnutzen zu können. Nun erfreuen wir uns in Europa bereits seit den frühen 80er Jahren einer jährlichen Umstellung auf die Sommerzeit. Dass wir deswegen großartig Energie gespart hätten, ist umstritten. Immer wieder gibt es Forderungen, die Sommerzeit abzuschaffen. Auch war es der Säulenheilige des venezolanischen Sozialismus Chávez persönlich, der die Uhr erst vor wenigen Jahren in die entgegengesetzte Richtung drehen ließ. Mutmaßlich, um nicht in der selben Zeitzone leben zu müssen, wie die Imperialisten in Washington. Interessant, dass sein Nachfolger nun das profane Energiesparen höher bewertet als so ein anti-imperialistisches Glaubensbekenntnis.

Der genialste Schachzug des Machthabers von Caracas ist die Verkürzung der Wochenarbeitszeit. Freitags ist – zumindest für die Angestellten des seit Jahren immer weiter expandierenden öffentlichen Sektors – nun vorerst immer frei. Auch das soll Energie sparen helfen. Nur stellt sich die Frage, ob die privaten Haushalte in der entsprechenden Zeit nicht einfach mehr Strom verbrauchen. Außerdem kann an den Freitagen auch weniger von dem produziert werden, mit dem die venezolanische Wirtschaft theoretisch Geld verdienen könnte, wenn die Regierungen von Chávez und Maduro sie nicht mit aberwitzigen Gesetzen und ineffizienten Verstaatlichungen jeder Wettbewerbsfähigkeit beraubt hätte.

Gefährlichste Stadt der Welt

So taumelt Venezuela mit dem orientierungslosen Busfahrer am Steuerrad dem Zusammenbruch von Staat und Wirtschaft entgegen. 700 Prozent Inflation, eine quasi brachliegende Industrie, leere Regale in den Supermärkten, zahlreiche politische Häftlinge, ein korrumpiertes Justizsystem, das unbotmäßige Gesetzvorhaben des inzwischen oppositionellen Parlaments mit einem Federstrich kassiert. Fluggesellschaften fliegen Caracas nicht mehr an, und Telefongesellschaften stellen Anrufe nicht mehr durch – weil sie Angst haben auf wertlosen venezolanischen Bolivares sitzenzubleiben, die keine ernstzunehmende Bank mehr zum offiziellen Kurs in harte Valuta umtauscht.

Verheerender könnte die Bilanz nach 17 Jahren Chavismus nicht aussehen. Gäbe es ein Ranking der erfolglosesten Regierungen der Welt, Maduros Truppe müsste einen Rang weit vorne belegen. Zyniker sagen, dass selbst Nordkoreas Regime besser abschneiden müsste, immerhin ist es in Pjöngjang und Umgebung anders um die innere Sicherheit bestellt. Dort hat der Staat – im wahrsten Sinne des Wortes – das Gewaltmonopol. In Venezuela indes gibt es zumindest beim Morden noch einen starken Privatsektor. Caracas gilt als die gefährlichste Hauptstadt der Welt, mit der höchsten Mordrate der Welt. Ein paar Markenturnschuhe können Anlass genug sein, um erschossen zu werden, obwohl diese eigentlich als unnütze Statussymbole aus verkommenen imperialistischen Ländern gelten.

Nur Privatisierungen und gesellschaftlicher Dialog könnten verhindern, dass Venezuela endgültig zum failed state wird. Beides ist von Maduro nicht mehr zu erwarten. Eher könnte es zu einem Selbstputsch mit Hilfe des Regime nahen Militärs kommen. Der oppositionellen Mehrheit im Parlament hat der Präsident ganz klar den Fehdehandschuh hingeworfen (diese wiederum hat die Chavistas mit einigen symbolischen Akten, wie dem Entfernen eines Chávez-Porträts aus dem Parlamentssaal, auch bewusst provoziert).

Politik als Realsatire

Auf die immer schwieriger werdende ökonomische Lage hat Maduro stets mit noch mehr staatlicher Gängelung und der Gründung immer neuer Behörden reagiert. Und das in einem Funktionärssprech, wie ihn auch der Parteisekretär einer ostthüringischen Produktionsgenossenschaft nicht staubtrockener hätte intonieren können. Keine Spur von Chávez `Charisma.

Hört man Nachrichten aus Venezuela, denkt man manchmal unweigerlich: Das kann eigentlich nicht real sein, das muss aus einem Roman von Ephraim Kishon stammen. Soviel Satire hätte man aber selbst Kishon nicht zugetraut. Wer weiß, vielleicht wäre Maduro als Buchautor erfolgreich. Ein Versuch wäre es Wert. Vielleicht käme so wenigstens etwas Geld in die Staatskasse.

 

 

 

 

Andreas Kern

Der Diplom-Volkswirt und Journalist arbeitet seit mehreren Jahren in verschiedenen Funktionen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Kern war unter anderem persönlicher Referent eines Ministers, Büroleiter des Präsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt sowie stellvertretender Pressesprecher des Landtages. Er hat nach einer journalistischen Ausbildung bei einer Tageszeitung im Rhein-Main-Gebiet als Wirtschaftsredakteur gearbeitet . Aufgrund familiärer Beziehungen hat er Politik und Gesellschaft Lateinamerikas besonders im Blick. Kern reist gerne auf eigene Faust durch Südamerika, Großbritannien und Südosteuropa.

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