Der Bastard und der Jäger – Kolumne für einen der besten Rocksongs aller Zeiten

In seiner Hörmal-Kolumne stellt unser Musik-Philosoph Ulf Kubanke diesmal einen der verdientesten Rockhelden, Ian Hunter, und einen der besten Rocksongs überhaupt vor und erzählt die Hintergrundgeschichte.


„Mean as a killer, instinct that’s within ya, you’re a bastard.“

Ian Hunter ist ein wahrer Rockgott. Das ist keine Übertreibung. Egal ob mit Mott The Hoople (für die Bowie „All The Young Dudes“ schrieb) oder seiner eigenen, qualitativ kolossalen Ian Hunter-Group: Wer auf Rock mit Prädikat „Weltklasse“ steht, kommt an dem Mann aus der englischen Grafschaft Shropshire (ich liebe dieses verschroben klingende Wort!) schlichtweg nicht vorbei.

Von Bowie und Springsteen bewundert

Neben David Bowie zählt unter anderem auch Bruce Springsteen zu den Bewunderern von Hunters Songwriting, Arrangements und Gesang. Ohnehin hat der sympathische Brite einen ganzen Haufen von Kumpeln aus dem Showbiz, die gern als Edelgäste fungieren. Mit Mick Ronson (u.A. Elton John, Bowies Spiders From Mars, Lou Reed, Bob Dylan) führte er bis zu dessen Tod 1993 sogar eine regelrechte Musikehe, die exquisite gemeinsame Früchte trug.

„You’re so naturally perverse, you ain’t even gotta rehearse, you’re such a bastard.“

Die ultimative Kirsche auf Hunters Torte ist der pulsierende, zum Bersten geladene „Bastard“. Es stammt von meiner Lieblingsplatte Ian Hunters, „You’re Never Alone With A Schizophrenic“, das Hunter & Ronson 1979 gemeinsam produzierten. Allein schon der Titel der LP ist ziemlich unschlagbar, nicht wahr?

Retro und seiner Zeit voraus

Der Clou des Albums im Allgemeinen und dieses Killersongs im Besonderen besteht in folgendem Paradoxon: Einerseits erweist sich der „Bastard“ als hochmoderner Sohn seiner Zeit und nimmt in Teilen bereits den Sound der 80er vorweg. Man hört sogar einen leichten Hauch neoncoolen New Waves im Klangbild heraus. Andererseits impft Hunter dem Lied eine gehörige Portion Groove, die lässig in Funk’n’Soul Gewässern der Endsechziger bis Mittsiebziger Blackmusic fischt. Beide nur scheinbaren Widersprüche eint Hunter mit einem ordentlichen Schuss räudiger Vocals und derben Hardrocks – ein echter „Bastard“ eben!

„You got that Yellow jacket touch,
With the stings that hurt so much, you’re such a bastard“

Das allein wäre schon unwiderstehlich und scheint kaum steigerbar. Ist es aber! Als Joker krönt John Cale den Track mit vitalen Piano- und ARP-Synthie-Licks, deren Drive sich optimal ins Arrangement fügt.
Cale, der sich damals ohnehin auch auf eigenen Alben (etwa „Fear“ oder „Slow Dazzle“) in einer Rockphase befand und es gewohnt war, mit charismatischen Gitarristen wie Chris Spedding oder Phil Manzanera (Roxy Music) zu arbeiten, brachte genau jenes Feeling mit, das dem Lied noch fehlte.

Die kongeniale, legendäre Liveversion aus dem Rockpalast-Gig 1980 ist ebenso unverzichtbar als Ergänzung. Sie setzt etwas andere Akzente.

PS: Den Coolness-Award verdient der gute Ian sich damit, dieser Tage mit knapp 80 Jahren nochmal lässig auf Welttour zu gehen.

Ulf Kubanke

Ehemaliger Anwalt; nun Publizist, Gesprächspartner und Biograph; u.a. für Deutschlands größtes Online-Musikmagazin laut.de.

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