Wenn das Christkind zweimal klingelt

Alle Jahre wieder streiten sich getrenntlebende Eltern um das Umgangsrecht an Weihnachten. Sie merken nicht, dass sie das nicht im Interesse ihres Kindes tun. Ein Appell.


„Ich wünsche mir, dass Mama und Papa wieder zusammenziehen.“ Ja, das war der sehnliche Wunsch des kleinen Jungen, den er in der Anhörung vor dem Familiengericht äußerte. Ein 5-jähriger, der Sätze sagt wie: „Ich will mich nicht entscheiden müssen.“ und „Am besten würden die mich teilen.“

Fest des Horrors

Traurige Sätze eines traurigen Kindes. Dabei ging es doch um das Fest der Liebe, das Fest der Familie, das Fest der Feste. Blöd, wenn der Plan mit der eigenen heiligen Familie voll in die Hose gegangen ist und die Eltern sich getrennt haben. Dann ist häufig – gerade im ersten Jahr der Trennung – Weihnachten das Fest des Horrors für den Nachwuchs.

Gerade in der Adventszeit wird vor allem feste gekämpft, statt Feste gefeiert. Bei wem verbringt das Kind den „heiligen Abend“, scheint eine existenzielle Frage für getrenntlebende Eltern zu sein. Die Existenz des Kindes wird bei diesem mit Zähnen und Klauen geführten Krieg allzu oft vergessen. Wenn ich höre, wie manche Eltern sich selbst im Gericht, also im Beisein von ihnen vollkommen fremden Leuten, ankeifen, will ich mir gar nicht vorstellen, wie das bei denen unbeobachtet abgeht. Womöglich im Beisein ihres Kindes.

Da auch die Jugendämter häufig nicht zwischen den Streithühnern und -hähnen vermitteln können, wird die Frage dem Familiengericht ans Bein gebunden. Muss man sich das mal vorstellen. Eltern überlassen freiwillig die Entscheidung, wann ihr Kind mit wem Umgang hat, einer wildfremden Person.

Ja, Ihr wackeren Streiter, Ihr habt ja ein Umgangsrecht und sogar eine Umgangspflicht, unbestritten.

Das steht in § 1684 Abs. 1 BGB:
„(1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.“

Aber das soll doch dem Wohl und der Entwicklung des Kindes dienen. Und auch das steht ausdrücklich im Gesetz, vermutlich kämt Ihr sonst ja da auch gar nicht drauf.

In § 1626 Absatz 3:
„(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.“

Schwachsinniger Wettbewerb

Und jetzt versetzt Euch mal in die Situation Eures Kindes, das – auch wenn Ihr Euch das gar nicht vorstellen könnt – Euch beide liebt und mit jedem von Euch gerne am Heiligabend zusammen wäre. Was ist das für ein schwachsinniger Wettbewerb um den „heiligen Abend“?

Glaubt Ihr, wenn das Kind diesen Tag bei der oder dem Ex verbringt, es hätte Euch weniger lieb? Glaubt Ihr wirklich, das hätte was mit Recht zu tun? Das könnte eine dritte Person nach rechtlichen Kriterien besser entscheiden als Ihr als Eltern?  Oder glaubt Ihr, es wäre für eine vernünftige Entwicklung Eures Kindes hilfreich, wenn Ihr von ihm immer wieder idiotische Liebesbeweise dergestalt fordert, dass ihr es fragt, ob es Heiligabend nicht lieber bei Euch wäre? Vergesst es. Und redet Euch schon gar nicht ein, es ginge Euch um das Wohl Eures Kindes. Euch geht es um Euer Wohl – um Egoismus pur.

Allzu oft frickeln da auch noch Großeltern dran rum und schüren das Feuer. Der Enkel als Trophäe. Was sollen denn die Leute sagen, wenn der Enkel am Superomatag mit der anderen Oma zusammen ist?  Der andere Elternteil ist es doch gar nicht wert, nicht wahr? Das haben die doch schon bei der Hochzeit gewusst.

Materiell ist das für Euer Kind ja vielleicht ganz lukrativ, wenn Ihr und die Opas und Omas sich bei „Deutschland sucht das Superweihnachtsgeschenk“ gegenseitig auszustechen versuchen und das arme Kind mit Geschenken erschlagen. Aber glaubt mir, Liebe könnt Ihr nicht kaufen. Keiner von Euch. Klappt nicht. Maximal könnt ihr damit zynische Materialisten erziehen, die irgendwann kapieren, wie sie Euch eiskalt gegeneinander ausspielen, um sich die Taschen zu füllen. Tolles Erziehungsziel. Aber bitte, es ist ja Euer Kind. Was geht das mich an?

Als Anwalt könnte ich ja sogar  froh sein über Eure schwachsinnigen Kämpfe um die Lufthoheit über und unter dem Weihnachtsbaum. Bin ich aber nicht. Mich macht das eher traurig.

Lasst den Scheiß

Ich erlaube mir mal angesichts des nahenden Weihnachtsfestes eine kleine weltliche Predigt, einen Appell an Euren Verstand, meinetwegen im Interesse Eures mir gänzlich unbekannten Kindes. Lasst den Scheiß! Verständigt Euch untereinander und wenn ihr das zum Verrecken nicht könnt oder wollt, werft einfach eine Münze oder spielt Schnick-Schnack-Schnuck, aber behelligt um Gottes – dessen Sohnes Geburtstag da übrigens groß gefeiert wird – Willen nicht Euer Kind mit dieser Entscheidung.

Die Frage darf sich für Euer Kind gar nicht stellen und Ihr dürft sie dem Kind nicht stellen. Nehmt Eure Verantwortung als Eltern wahr und entscheidet das als Eltern. Das bleibt Ihr eh ein Leben lang. Und sagt dem Kind auch, dass das Eure gemeinsame Entscheidung war. Dass es sich nie zwischen Papa und Mama entscheiden muss. Gut das mit dem Münze werfen oder ausknobeln solltet Ihr wahrscheinlich besser verschweigen.

Schenkt Eurem Kind – und das nicht nur zur Weihnachtszeit – die Gewissheit, dass Ihr beide es liebt und dass es Euch beide lieben darf, ohne dass Mama oder Papa traurig ist. Dann ist es nämlich auch völlig egal, bei wem es Heiligabend verbringt. Im nächsten Jahr könnt ihr ja einfach tauschen. Da müsst Ihr dann nur ein einziges Mal irgendeine Entscheidung treffen und für alle Zeit ist Ruh mit dem Streit.

Und glaubt mir, Euer Kind hat nichts dagegen, wenn bei ihm das Christkind zweimal klingelt. Denkt mal drüber nach. Und dann: Frohe Weihnachten!

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

More Posts - Website

Schreibe einen Kommentar zu Lutz R. Bierend Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert