Unverzichtbarkeit einer unabhängigen Justiz

Der Deutsche Richterbund fordert einen bessern Schutz der Justiz vor politischer Einflussnahme. Ist das gerechtfertigt? Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.



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Nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen fürchtet der Richterbund eine Einflussnahme vn Rechtsextremen, z.B. bei der Wahl der Verfassungsrichtern, die mit einer Sperrminorität verhindert werden kann. Und ja, da ist was dran.

In einem demokratischen Rechtsstaat sind die drei Gewalten – Legislative, Exekutive und Judikative – trotz Trennung doch eng miteinander verwoben und voneinander abhängig. Jede dieser Säulen trägt zu einem funktionierenden und gerechten System bei, das den Bürgern Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit gewährleistet. Unter diesen drei Gewalten ist die Judikative von besonderer Bedeutung, denn sie agiert als Hüterin des Rechts und als letzte Instanz, wenn es darum geht, die Rechte und Pflichten der Bürger zu schützen. Die Unabhängigkeit der Justiz ist nicht nur ein Ideal, sondern eine fundamentale Voraussetzung dafür, dass die Demokratie ihre Legitimität behält und nicht in Willkür oder Machtmissbrauch verfällt.

Prinzip der Gewaltenteilung

Die Gewaltenteilung ist ein Kernelement der Demokratie, das auf Gedanken des französischen Philosophen Montesquieu zurückgeht. Er argumentierte, dass Machtmissbrauch nur dann verhindert werden kann, wenn die drei Gewalten des Staates voneinander getrennt sind und sich gegenseitig kontrollieren. In dieser Logik stellt die unabhängige Justiz sicher, dass die Gesetze, die von der Legislative erlassen werden, verfassungskonform sind, und dass die Exekutive nicht über ihre Befugnisse hinausgeht. Ohne eine unabhängige Justiz wäre die Gewaltenteilung nichts weiter als eine theoretische Konstruktion, die im Ernstfall keine wirkliche Schutzfunktion erfüllen könnte. Wie so etwas funktioniert sieht man z.B. in Russland.

Rolle der Justiz im demokratischen Rechtsstaat

Die Justiz hat die Aufgabe, Recht zu sprechen und über Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden. In einem Rechtsstaat ist dies eine der wichtigsten Funktionen, denn sie schützt die Grundrechte der Bürger und gewährleistet – zumnidest in der Theorie –, dass das Recht gegenüber allen gleichermaßen angewendet wird. Es ist die Justiz, die die Einhaltung der Gesetze überwacht und dafür sorgt, dass niemand – weder der Staat noch Einzelpersonen – das Gesetz brechen kann, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Womöglich ein Grund dafür, warum so viele „Unzufriedene“ kein gutes Haar an der Justiz lassen.

Gerade in einer Demokratie, wo die Mehrheit über die politischen Entscheidungen bestimmt, ist es entscheidend, dass es Institutionen gibt, die die Rechte der Minderheiten schützen. Diese Aufgabe kommt häufig der Justiz zu. Sie hat die Befugnis, Gesetze zu überprüfen und sicherzustellen, dass diese nicht gegen die Verfassung verstoßen. In vielen modernen Demokratien, wie etwa Deutschland, spielt das Verfassungsgericht eine zentrale Rolle, indem es Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüft und gegebenenfalls für ungültig erklärt.

Unabhängigkeit als Schutz vor Machtmissbrauch

Eine unabhängige Justiz ist das wichtigste Bollwerk gegen Machtmissbrauch. Geschichte und Gegenwart zeigen, dass Regierungen, die sich ihrer Macht sicher fühlen und unkontrolliert agieren können, oft dazu neigen, ihre Macht zu missbrauchen. Sei es durch Korruption, durch den Einsatz von Gewalt oder durch die Einschränkung der Meinungsfreiheit und anderer Grundrechte. Eine unabhängige Justiz kann hier als Korrektiv wirken, indem sie Missbrauch aufdeckt und dafür sorgt, dass diejenigen, die das Recht brechen, zur Verantwortung gezogen werden.

Die Unabhängigkeit der Justiz ist besonders wichtig in Zeiten politischer Instabilität oder während der Herrschaft autoritärer Regime. Diktaturen und autoritäre Systeme versuchen häufig, die Justiz zu kontrollieren, um sich die Macht zu sichern. Indem sie unabhängige Richter durch loyale Parteigänger ersetzen oder Gerichte direkt den Interessen der Regierung unterstellen, wird die Justiz zu einem Werkzeug des Regimes, das nicht mehr im Dienst der Gerechtigkeit steht, sondern zur Unterdrückung der Opposition eingesetzt wird. Niemand hat dies in Deutschland extremer praktiziert als die Nazis mit ihren Mörderrichtern. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist aber auch die Entwicklung in einigen osteuropäischen Ländern, wo in den letzten Jahren die Unabhängigkeit der Justiz massiv unter Druck geraten ist. Wenn die Justiz nicht mehr unabhängig agieren kann, ist die Demokratie ernsthaft in Gefahr.

Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat

Die Justiz hat nicht nur eine rechtliche Funktion, sondern auch eine symbolische. Sie ist die Instanz, an die sich die Bürger wenden, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Rechte verletzt wurden. Diese Rolle der Justiz als Bollwerk im Kampf um Gerechtigkeit ist ein zentraler Pfeiler des gesellschaftlichen Vertrauens in den Rechtsstaat. Sobald die Bürger nicht mehr an die Unabhängigkeit der Justiz glauben – und das scheint mir zunehmend der Fall zu sein – , wenn sie den Eindruck gewinnen, dass Richter von der Regierung oder von politischen Interessen beeinflusst werden, dann verliert der Staat seine Legitimität.

Das Vertrauen in die Justiz ist daher von entscheidender Bedeutung für die Stabilität einer Demokratie. Ein funktionierendes Rechtssystem, dem die Bürger vertrauen, sorgt nicht nur für Gerechtigkeit, sondern auch für gesellschaftlichen Frieden. Wenn sich die Menschen darauf verlassen können, dass ihre Rechte von einem unabhängigen Gericht geschützt werden, dann sind sie eher bereit, politische Entscheidungen zu akzeptieren, auch wenn sie nicht in ihrem Sinne ausfallen; es sei denn, sie sind bereits völlig verblendet. Diese Akzeptanz ist eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren einer Demokratie.

Unabhängigkeit bedeutet Unparteilichkeit

Eine unabhängige Justiz ist nicht nur eine, die frei von äußerer Beeinflussung ist, sondern auch eine, die unparteiisch ist. Das bedeutet, dass Richter Entscheidungen allein auf der Grundlage des Rechts treffen und sich nicht von persönlichen Meinungen, politischen Ansichten oder externem Druck beeinflussen lassen. Unparteilichkeit ist ein zentrales Prinzip der Rechtsprechung, denn nur so kann gewährleistet werden, dass alle Bürger gleich behandelt werden.

Um diese Unparteilichkeit zu sichern, ist es notwendig, dass Richter nicht von der Exekutive abhängig sind. In vielen Ländern sind daher bestimmte Mechanismen vorgesehen, um die Ernennung und Amtsführung von Richtern so zu gestalten, dass sie nicht von politischen Entscheidungsträgern abhängig sind. In Deutschland beispielsweise werden Bundesrichter von speziellen Richterwahlausschüssen gewählt, die sich aus Mitgliedern des Bundestages und Vertretern der Justiz zusammensetzen. Dieser Prozess soll sicherstellen, dass Richter nicht allein aufgrund politischer Erwägungen ernannt werden, sondern aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation und ihrer Integrität. Allerdings ist auch dieses Verfahren alles andere als frei von Kritik bezüglich politischer Einflussnahme. Da hat der Richterbund recht, wenn er andere Verfahren fordert.

Herausforderungen für die Unabhängigkeit der Justiz

Obwohl die Bedeutung einer unabhängigen Justiz allgemein anerkannt ist, steht sie immer wieder vor großen Herausforderungen. In vielen Ländern gibt es Versuche, die Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben, sei es durch direkte Einflussnahme auf die Richter oder durch subtile Mechanismen, die Druck auf die Gerichte ausüben.

Ein häufiger Angriffspunkt ist die Finanzierung der Gerichte. Wenn Gerichte nicht ausreichend finanziell ausgestattet sind, kann dies dazu führen, dass sie ihre Aufgaben nicht in angemessener Weise erfüllen können. Ein unterfinanziertes Justizsystem ist anfällig für Korruption und ineffizient. Ein weiteres Problem ist die Überlastung der Gerichte. Wenn Verfahren jahrelang dauern und die Richter unter massivem Arbeitsdruck stehen, leidet die Qualität der Rechtsprechung. Dies kann das Vertrauen der Bürger in das Justizsystem schwächen und die Unabhängigkeit der Gerichte untergraben.

Auch politische Angriffe auf die Justiz nehmen in vielen Ländern zu. In populistischen Regierungen wird die Justiz oft als Hindernis für die Durchsetzung des „Volkswillens“ dargestellt. Diese Rhetorik kann dazu führen, dass das Vertrauen in die Gerichte gezielt untergraben wird, um politische Entscheidungen ohne rechtsstaatliche Kontrolle durchzusetzen. In solchen Fällen ist es besonders wichtig, dass die Justiz ihre Unabhängigkeit bewahrt und sich nicht von politischen Angriffen einschüchtern lässt.

Schutz der Unabhängigkeit als gemeinsame Aufgabe

Der Schutz der Unabhängigkeit der Justiz ist nicht nur eine Aufgabe der Richter selbst, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es ist wichtig, dass die Bürger die Bedeutung der Unabhängigkeit der Justiz verstehen und bereit sind, sie zu verteidigen. Eine aufgeklärte Öffentlichkeit, die die Notwendigkeit einer unabhängigen Justiz erkennt, ist die beste Verteidigung gegenüber Versuchen, das Justizsystem zu untergraben. Allerdings scheitn es da zunehmend zu hapern.

Auch die Medien spielen hier eine wichtige Rolle. Sie müssen darauf achten, die Arbeit der Justiz sachlich und objektiv darzustellen und dürfen nicht zu politischen Instrumenten werden, die die Gerichte in ein schlechtes Licht rücken. Gleichzeitig ist es notwendig, dass Politiker die Bedeutung einer unabhängigen Justiz anerkennen und sich nicht in die Rechtsprechung einmischen.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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