Wahlen in den USA

Bald ist es so weit. Trump oder Harris? Wer wird das Rennen machen? Da mir eine Glaskugel fehlt, kann ich das leider nicht vorhersagen. Und wen ich hier favorisiere, dürfte nicht wirklich ein Geheimnis sein. Darum soll es also nicht gehen. Eine Kolumne zum amerikanischen Wahlrecht von Heinrich Schmitz.


Bild von Pete Linforth auf Pixabay

Bei Gesprächen über die US-Wahl fällt mir allerdings immer wieder auf, dass die Besonderheiten des amerikanischen Wahlrechts hier nicht übermäßig bekannt sind. Also mal wieder ein guter Grund für eine Kolumne.

Die Basis

Das Wahlrecht bildet das Fundament jeder Demokratie, da es den Bürgern ermöglicht, an der politischen Willensbildung mitzuwirken und ihre Repräsentanten selbst zu bestimmen. Obwohl sowohl Deutschland als auch die USA demokratische Staaten sind – wer das bezweifelt, braucht ab hier nicht mehr weiter zu lesen –, unterscheiden sich ihre Wahlrechtsysteme in entscheidenden Aspekten. Diese Unterschiede betreffen unter anderem die Wahlsysteme, die Wahlberechtigung, den Wahlprozess und die Rolle der Parteien. Im Folgenden werden die Hauptunterschiede zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Wahlrecht beleuchtet.

Wahlsystem

Ein zentraler Unterschied zwischen Deutschland und den USA liegt im Wahlsystem selbst. Deutschland verwendet ein gemischtes Verhältniswahlrecht, während in den USA ein Mehrheitswahlsystem gilt.

In Deutschland wird der Bundestag nach einem personalisierten Verhältniswahlrecht gewählt. Jeder Wähler hat zwei Stimmen: Die Erststimme bestimmt den Direktkandidaten des Wahlkreises, der nach dem Mehrheitsprinzip gewählt wird. Die Zweitstimme ist für die Wahl einer Partei bestimmt und entscheidet über die proportionale Zusammensetzung des Bundestages. Dadurch wird sichergestellt, dass kleinere Parteien eine faire Chance haben, ins Parlament einzuziehen, sofern sie die Fünf-Prozent-Hürde überwinden. Dieses System fördert eine repräsentative Demokratie, in der viele verschiedene politische Strömungen im Parlament vertreten sind.

In den USA basiert das Wahlsystem auf einem Mehrheitswahlrecht, das oft als „first past the post“ oder „Winner takes it all“ bezeichnet wird. Hier gewinnt in einem Wahlkreis derjenige Kandidat, der die relative Mehrheit der Stimmen erhält, egal wie knapp der Vorsprung ist. Dieses System führt häufig zu einem Zweiparteiensystem, da kleinere Parteien kaum eine Chance haben, Sitze in Parlamenten oder bedeutenden politischen Ämtern zu erringen. Dies ist einer der Gründe, warum das politische Leben in den USA im wesentlichen von den beiden großen Parteien, den Demokraten und den Republikanern, dominiert wird.

Wahlberechtigung

In beiden Ländern haben Bürger ab einem bestimmten Alter das Wahlrecht, doch gibt es Unterschiede in der Ausgestaltung der Wahlberechtigung.

In Deutschland beträgt das Wahlalter auf Bundesebene 18 Jahre. Ob das so bleibt oder das Wahlalter auf 16 gesenkt wird, steht noch nicht fest.

Das Wahlrecht ist an die deutsche Staatsbürgerschaft gebunden, sodass nur deutsche Staatsbürger bei Bundestagswahlen abstimmen dürfen. Außerdem gibt es in Deutschland eine starke Tradition der allgemeinen und gleichen Wahl, was bedeutet, dass praktisch jeder volljährige Bürger das Recht hat zu wählen, sofern er nicht aufgrund von strafrechtlichen Verurteilungen oder fehlender Geschäftsfähigkeit ausgeschlossen wurde.

In den USA beträgt das Wahlalter seit dem 26. Verfassungszusatz von 1971 ebenfalls 18 Jahre. Allerdings sind einige Bürger von der Wahl ausgeschlossen, darunter oft Menschen, die wegen schwerer Straftaten verurteilt wurden. Ein Vorbestrafter darf also u.U. nicht wählen, aber er darf selbst zum Präsidenten gewählt werden.

Die Regeln zur Wahlberechtigung variieren von Bundesstaat zu Bundesstaat, was zu Unterschieden bei der Wahlbeteiligung führen kann. Manche Bundesstaaten erlauben es ehemaligen Straftätern nach Verbüßung ihrer Strafe wieder zu wählen, während andere dies verweigern. Zudem sind Einbürgerungsprozesse oft langwierig, und Immigranten ohne amerikanische Staatsbürgerschaft dürfen an den meisten Wahlen nicht teilnehmen.

Wahlprozesse und Wahlorganisation

Auch bei der Organisation und Durchführung von Wahlen gibt es signifikante Unterschiede.

In Deutschland gibt es ein zentrales Wahlamt, das für die Organisation der Bundestagswahl verantwortlich ist. Die Wahlen finden landesweit an einem festgelegten Tag statt, wobei Wahllokale eingerichtet werden und auch die Möglichkeit der Briefwahl besteht. Der Wahlvorgang ist transparent und klar geregelt, und die Wahlkommissionen sorgen für eine reibungslose und faire Durchführung.

In den USA wird der Wahlprozess von den einzelnen Bundesstaaten organisiert, was zu großen Unterschieden führt. Es gibt keine zentrale Wahlkommission auf Bundesebene, die die Wahl landesweit ausrichtet. Jeder Bundesstaat legt fest, wie die Wahlen ablaufen, einschließlich der Wahlmaschinen, der Wahlzettel und der Wahlverfahren. Die Briefwahl oder vorzeitige Stimmabgabe ist nicht in allen Staaten gleich geregelt, was zu Problemen bei der Wählerbeteiligung führen kann.

Wer in den USA wählen will, muss sich zunächst registrieren lassen. Wer keinen Bock auf Wahl hat, lässt es einfach.

Ein weiteres Merkmal des US-Wahlprozesses ist das Wahlmännergremium (Electoral College), das bei Präsidentschaftswahlen eine entscheidende Rolle spielt. Hierbei wird der Präsident nicht direkt von den Wählern gewählt, sondern durch Wahlmänner, die von jedem Bundesstaat entsprechend dem Ergebnis der Volkswahl entsandt werden.

Parteienlandschaft und politische Kultur

Das Wahlrecht und das Wahlsystem haben einen erheblichen Einfluss auf die Struktur und Rolle der Parteien in beiden Ländern.

In Deutschland gibt es ein Mehrparteiensystem, das durch das Verhältniswahlrecht unterstützt wird. Die politische Landschaft ist pluralistisch, und im Bundestag sind mehrere Parteien vertreten, von den großen Volksparteien wie der CDU/CSU und früher mal der SPD bis hin zu kleineren Parteien wie den Grünen, der FDP, dem BSW, den Linken oder der AfD. Koalitionsregierungen sind die Regel, da es selten vorkommt, dass eine Partei alleine die Mehrheit erringt.

In den USA dominiert das Zweiparteiensystem, was im Wesentlichen durch das Mehrheitswahlrecht gefördert wird. Demokraten und Republikaner kämpfen um die Macht, während kleinere Parteien wie die Libertarian Party oder die Green Party selten eine Rolle spielen. Koalitionen gibt es praktisch nicht, da eine Partei entweder die Mehrheit im Kongress hält oder das Präsidentenamt innehat.

Wahlkampffinanzierung und Einfluss des Geldes

Ein weiterer wichtiger Unterschied betrifft die Wahlkampffinanzierung.

In Deutschland sind Wahlkämpfe stark reglementiert. Parteien erhalten staatliche Zuschüsse und private Spenden unterliegen strengen Kontrollen. Es gibt klare Vorschriften, die den Einfluss von Geld auf die Politik begrenzen sollen, um Chancengleichheit zu gewährleisten. Das ist zumindest in der Theorie so. Tatsächlich mag bei mancher Partei der Rubel auch ohne offizielle Spende rollen.

In den USA hingegen spielen private Spenden und Super-PACs (Political Action Committees) eine große Rolle. Der Oberste Gerichtshof der USA entschied 2010 im Urteil Citizens United vs. FEC, dass Spenden an Wahlkampagnen als Ausdruck der freien Meinungsäußerung geschützt sind. Dadurch können Unternehmen und reiche Einzelpersonen wie aktuell z.B. Elon Musk enormen Einfluss auf die Wahlkampagnen nehmen, was oft zu teuren und langen Wahlkämpfen führt.

Das Wahlrecht in Deutschland und den USA unterscheidet sich grundlegend in Struktur, Organisation und Ausführung. Während Deutschland ein Verhältniswahlrecht mit einer pluralistischen Parteienlandschaft bevorzugt, setzen die USA auf ein Mehrheitswahlsystem, das ein Zweiparteiensystem begünstigt. Diese Unterschiede spiegeln sich auch in der politischen Kultur und den Machtstrukturen wider. Beide Systeme haben Vor- und Nachteile, aber sie spiegeln jeweils die historischen, sozialen und politischen Gegebenheiten der beiden Länder wider.

Und nun schauen wir mal.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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