Die große Schwester aus Menschistan
Nevin Sezgin ist in Euskirchen bekannt wie ein bunter Hund. Sie arbeitet seit Jahren in der Flüchtlingshilfe und wurde als Initiatorin des Euskirchener Friedenstages vom Bundespräsidenten geehrt. 2017 erhielt sie den Margarethe-Linnery-Preis.
Foto: Nevin Sezgin
HS: Nevin, wir kennen uns schon seit Jahren, deshalb möchte ich Dich in diesem Gespräch auch nicht krampfhaft siezen. Erzähl erst einmal was zu Deiner Person.
Nevin Sezgin: Ich wurde in Euskirchen geboren, bin dann aber in der Türkei aufgewachsen.
HS: Wann bist Du wieder zurück nach Euskirchnen gekommen?
Seit 1999 bin ich wieder hier.
H.S.: Was hast Du für eine Ausbildung?
Meine erste Berufsausbildung war kreatives Malen und Dekoration. Ich habe in diesem Beruf sechs Jahre gearbeitet. Dann habe ich eine Fort- und Weiterbildung im Bereich der Familienhilfe für Betreuungsbedürftige gemacht.
Weil ich schon nebenbei vielen Familien geholfen hatte, kam die Überlegung den Beruf zu wechseln. Als ich bei der DRK-Kindersommerland als Betreuerin war, bekam ich ein Angebot von meinem Vorgesetzten, ob ich nicht in die Familienbildung möchte. Die würden auch die zweijährige Ausbildung komplett übernehmen. Das war ein gute Timing. Das habe ich dann erstmal gemacht.
Dann begann ich mit meinem dritten Bildungsweg. Ich habe bei der DRK-Landesschule Baden Württemberg als Dozentin und in Köln mit Familienbildung begonnen. Dazu kam noch eine Kursleiterausbildung für Baby- und Kleinkindschwimmen.
Zur Zeit absolviere ich neben der Arbeit noch ein Fernstudium als Flüchtlingshilfe/Intergrationhilfe
Ich arbeite seit ca. fünf Jahre in der Flüchtlingshilfe. Zunächst war es damals ehrenamtlich. Seit 2015 arbeite ich hauptamtlich als allgemeine Flüchtlingshilfe .Ich arbeite zusätzlich beim Dolmetscher-Pool. Da sind Flüchtlinge die dem Kreis Euskirchen zugewiesen sind. Ich begleite diese Flüchtlinge zu Behörden, ins Krankenhaus oder zu Ärzten. Ich war bis jetzt bei drei kleinen Operationen mit dabei. Ich durfte dabei zuschauen. Mein Job ist echt voll aufregend, das liebe ich an meinem Job.
HS.: Hast Du das Rebecca Sommer Interview bei DieKolumnisten gelesen?
Ja, was soll ich sagen. Als ich die Überschrift sah, dachte ich mir, es sei bestimmt interessant zu lesen, was andere Personen in der Flüchtlingshilfe für Erfahrungen gemacht haben und was sie für Meinungen vertreten. Und es wäre eine gute Austauschmöglichkeit und eine Vergleichsmöglichkeit mit meinem Beruf. Ja ich habe alle Teile gelesen. Und jetzt weiß nicht mehr, was ich über diese Person denken soll.
HS: Kannst Du die da geschilderten Erfahrungen aus Deiner Tätigkeit bestätigen?
Klar hatte ich auch Vorfälle, wo ich mir gedacht habe, ich muss einen kühlen Kopf bewahren. Da ich meinen Beruf wegen der täglichen Abwechslung am Arbeitsplatz liebe, waren diese Probleme für mich jetzt aber nicht der Weltuntergang. Weil ich immer versuche zu verstehen, warum diese Person sich jetzt so verhält. Klar gibt es Tage , an denen ich nicht alles verstehen kann. Das muss ich aber auch nicht, ich bin ja auch keine Psychologin.
Ich sage dazu immer eins. Es kommen Menschen aus verschiedenen Ländern, Religionen, Kulturen, und Sitten nach Deutschland. Kurz gesagt es kommen völlig verschiedene Charaktere zu uns.
Nein. Ich kann lange nicht alles bestätigen, was Frau Sommer so gesagt hat. Und ihre Schlussfolgerungen teile ich schon gar nicht.
HS: Seit wann hast Du mit Flüchtlingen zu tun?
Eigentlich seit meiner Kindheit. Ich hatte eine Freundin aus dem ehemaligen Jugoslawien. Und an der Oststraße in Euskirchen war ein Flüchtlingsheim. Ich habe sie dort häufig besucht .
Manchmal habe ich als Kind heimlich Kleidung von mir für andere Kinder dahin gebracht. Ich war sehr beliebt dort. (lacht) Oder die Menschen waren nur dankbar . Ich war ja selbst 17 Jahre alt und konnte das möglicherweise nicht richtig unterscheiden.
HS: Wie hast Du Dich auf diese Arbeit vorbereitet?
In meinen ehrenamtlichen Zeiten habe ich viele Seminare, Fortbildungen usw. besucht .
Themen: Rechte der Flüchtlinge, Deeskalation bei Konflikte richtige Umgang mit geflüchteten Menschen, Betreuungshilfe, Krankheiten der geflüchteten Menschen. Ich habe soviele Fortbildungensseminare besucht , wie ich konnte.
Wenn man aber selbst in einem Heim oder Camp ankommt, dann ist man auf sich selbst gestellt. Ich war sehr natürlich und unbefangen. Ich sah da nur Menschen im Not und nicht Flüchtlinge. Selbstverständlich ist man erfahrener durch die Bildung.
HS.: Aus welchen Ländern kommen die Menschen?
An Anfang war die Mehrzahl aus Syrien, Iran, Afghanistan. Danach kamen Irak, Azarbaijan, später Somalia ,Marokko, Tunesien, Eritrea, Guinea, Nordosten von Afrika , Osten Afrikas, China, Türkei, Kurdistan, Balkanländer. Mittlerweile ist es für mich immer eine Überraschung, wer da neu kommt. Viele Kulturen, das liebe ich an meinem Job. Man lernt jeden Tag mehr durch Menschen aus der ganzen Welt.
HS:Wie sieht Deine Arbeit mit den Menschen aus?
Meine Arbeit mit dem Menschen sieht meistens sehr fröhlich aus. Kreativ und sportlich.
Wenn ich ins Camp komme, werde ich zuerst immer von allen Kindern umarmt und geküsst, dann kommen die Mütter. Zu den Papas oder anderen Männern halte ich einen gewissen Abstand.
HS: Warum hältst Du da mehr Abstand als bei den Frauen und Kindern?
Erstens ist das meine Art, zweitens finde ich es persönlich nicht so schön, wenn man mit Männern einen zu nahen Kontakt aufbaut. Das kann nämlich schnell zu Missverständnissen kommen.
HS.: Welche Rolle spielt Deine eigene Religion, der Islam, dabei?
Gar keine. Der einzige Vorteil ist es, ich kann vielleicht manche Verhaltensweisen bei den moslemischen Flüchtlingen besser nachvollziehen. Aber sonst spielt meine eigene Religion da sowenig eine Rolle, wie die der Flüchtlinge. Das ist kein so großes Thema, wie manchmal daraus gemacht wird.
H.S. Wie nehmen Dich die Menschen an?
Ich bin die große Schwester aus dem Land Menschistan (lacht).
Wir unternehmen viel mit den Menschen. Ich überlege mir eine Woche vorher, was ich den Kindern und Jugendlichen so in meiner Arbeitszeit anbieten kann. Häufig bringe ich einen ausgeliehene Verstärker ins Camp und dann machen wir Mitmach-Tänze. Oder wir spielen auch. Die Lieblingsspiele der Menschen im Camp sind Puzzle und Memory.
Es ist abwechslungsreich und jeder Tag ist ein Erfolg für die Menschen. Weil sie sich für kürzere Zeit „anschalten“ können. Jedes Lächeln ist ein Erfolg.
HS: Was machst Du sonst noch?
Viele Übersetzungen von Arztterminen oder bei Gesprächen mit Psychologen sind auch ein Teil meines Jobs. Ich kann mittlerweile schon etwas arabisch sprechen. Ich kann zwar keine richtigen Sätze bilden, aber die verstehen mich. (lacht)
Immer wenn ich im Camp ankomme, sehe ich die Hoffnungen in den Augen der Menschen. Die Menschen erzählen mir viel über ihre Jugendzeit oder ihre Hobbys, manchmal auch über die schwierigen Zeiten damals vor der Flucht. Auch über das schwierige Leben im Camp reden wir viel. Weil sie ihre gewohnten Lebensrhythmen vermissen. Zur Schule oder zur Arbeit zu gehen.
Wir weinen, lachen, singen zusammen. Die Menschen in Camp sind wie eine große Familie für die.
Selbstverständlich gibt es auch Meinungsverschiedenheiten oder Streit. Das klären wir immer mit Gesprächen, die bisher auch immer friedlich endeten.
HS: Das klingt mir jetzt aber etwas zu sehr nach Friede, Freude, Eierkuchen. Was ist mit Problemen? Gibt‘s die nicht?
Es gibt auch viele traumatische Erlebnisse, die die Flüchtlinge verarbeiten müssen. Wie ein Anruf von einer Bewohnerin, die erfahren hatte, dass der Bruder gestorben ist. Wir helfen diesen Personen so gut es geht. Wir organisieren, egal welchen Glauben die haben, Gebete in Kirchen oder Moscheen und helfen bei der Vorbereitung des Abschiednehmens von den Verstorbenen.
Es gab auch einen Vater, der seine Tochter und seine Frau verloren hat während der Flucht. Er war alleine mit seinem Sohn. So viele Narben das Kind hatte, hatte ich vorher selbst niemals gesehen.
Oder auch alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern. Auch alleinreisende Männern mit verschiedenen Lebensgeschichten.
Selbstmordversuche oder Menschen, die hochdosierte Psychopharmaka nehmen müssen. Das ist der Wahnsinn, was Menschen Menschen antun.
Wir hatten auch ein kleines Mädchen, dem durch einen Bombenangriff die Augen etwas außen hingen.
Oder auch einen Mann, der seine Familie verloren hatte durch den Krieg. Dieser Mann konnte nicht schlafen und hielt sich nur in Aufenthaltsraum auf. Nie hat er geschlafen mit keinem geredet. Er hat nur getrauert.
Es gibt so viele traurige Vorfälle . Das sind nur paar der Geschichten.
H.S.:Wie häufig kommt es zu Konflikten?
Es ist unterschiedlich. Es kommt darauf an, wer in welcher Situation zu uns kommt. Es gibt auch Menschen, die schon in ihrem Land problematisch waren und die werden auch durch ihren Charakter hier weiter Probleme machen, das ist klar.
Ich kann aber nicht alle in einem Topf werfen. Es gibt zum Beispiel viele super nette marokkanische Menschen, die sich jetzt selbst schämen zu sagen, dass sie Marokkaner sind. Ich sage dann nur zu denen, gerade jetzt erst recht musst du dein Herkunftsland sagen, damit die Menschen sehen, dass nicht alle Marokkaner Kriminelle und nicht die sind, die immer Konfliktsituationen auslösen.
Klar gibt es Konflikte in Camps und Flüchtlingsheimen. Ich sage nochmal, es kommen Menschen aus der ganzen Welt, das heißt, es kommen viele ganz unterschiedliche Charaktere mit ganz unterschiedlichen Schicksalen.
Ein Kriegsflüchtling hasst den anderen Flüchtling, weil dessen Land den Krieg begonnen hat. Dann kommt es zur Konflikten. Wir holen beide Seiten und erklären ihnen, dass beide Seiten hier dasselbe Ziel haben müssen. Frieden. Nach mehreren Gesprächen akzeptieren die sich meistens gegenseitig. Man muss mit dem Menschen offen reden und zwar nicht nur einmal, sondern mehrmals. Nur so kann es funktionieren.
Es gibt auch Alkoholmissbrauch. Klar auch in den Diskotheken und Kneipen in Deutschland gibt es Alkoholmissbrauch mit Konfliktsituationen. Oder? Manche Menschen denken, nur die Nichtflüchtlinge dürfen trinken und besoffen werden. Wenn es ein Flüchtling oist, der das tut, ist es dann plötzlich der Horror. Da wird oft mit zweierlei Maß gemessen.
HS: Sind das spezifische Konflikte?
Ja, bei manchen sind es spezifische Konflikte. Drogenabhängige, Alkoholabhängige sind es speziell, die Probleme machen. Gott sei Dank gibt es davon nicht so viele.
Manch spezielle Konflikte sind Meinungsverschiedenheiten in der Politik oder im Glauben. Wie es auch ganz normal auf dieser Welt ist. Die gibt es auch in manchem Freundeskreis oder in der Familie. Flüchtlinge sind auch Menschen und die ticken wie jeder andere Mensch auch.
HS: Gibt es Probleme aufgrund der Religion?
Ihr müsst euch das so vorstellen. Ihr lebt in einem Camp und dürft nicht zur Arbeit gehen oder die Schule besuchen. 24 Stunden leben sie – je nach Belegung – mit 250-1000 verschiedenen Personen aus verschiedenen Ländern und verschiedenen Religionen in unserem Camp. Klar gibt es da Meinungsverschiedenheiten: Palästina und Israel, Aleviten und Sunniten. Moslems und Christen, Ortodoxe und Juden, und …und….und…
Es gibt auf der ganzen Welt diese Probleme. Dann ist doch normal, dass es auch in Camps Religionsprobleme gibt. Da wo alle Religionen der Welt unter einem Dach eng zusammenleben. Wie sollte das anders sein?
Ich erzähle ein Fall von meiner ehrenamtlichen Tätigkeit, den ich selbst erlebt habe. In dem Heim, in dem ich geholfen habe, haben sich ein paar junge Männer gut verstanden, sogar sehr gut. Bis einer von denen den Mut hatte, seine richtige Religion zu sagen, weil er gegenüber den Männern Vertrauen gewonnen hatte. Er sagte “ ich bin Jude „. Die Männer haben gelacht und dachten, er scherzt nur. Als er nochmal sagte , doch wirklich, war Stille, die zwei Tage dauerte. Ein Mann , der Moslem war, fing an, seinen Freund zu beleidigen – wegen seiner Religion. Beide haben sich geschlagen. Einer von denen sagte „hört auf ,ist doch egal an was er glaubt, er ist unsere Freund“.
Der Moslem sagte, Juden töten Moslems. Es wurde die Polizei gerufen. Beide wollten keine Anzeige erstatten. Weil sie Angst hatten, dass ihr Asylverfahrens deshalb negativ entschieden werden könnte.
Es wurde ein langes Gespräch geführt. Beide erzählten ihre Geschichte in ihrem Heimatland. Das Gespräch wurde bewusst mit beiden und zwei Sozialarbeitern geführt. Und wie im Kindergarten mit der „bunten Ball Regel“. Das heißt, wer denn Ball hat, hat das Wort. Es hat funktioniert.
Immer reden und reden, Leute, nicht nur einmal, öfters. Weil die jahrelang in ihrer Heimat den Hass gefühlt haben, denken viele geflüchteten Menschen gleich. In Europa haben die Gelegenheit, offener zu werden. In alle Augen zu gucken. Es gibt Religionen, von denen ihr den Namen nie gehört habt, wurde gesagt. Was mir sehr gefallen hatte von den Sozialarbeitern, wie gut und deutlich sie es den beiden erklärten. Die kommen auch zu Friedenstag und sind immer noch Freunde!
HS:Glaubst Du, dass Integration gelingen kann?
Ich glaube das die Probleme der Gastarbeitzeit zurückgekehrt sind und zwar ohne dass Deutschland Menschen braucht, um das Land aufzubauen. Sondern die Intergration muss diesmal ganz anders aufgebaut werden.
Die Gastarbeiter wohnten in einer Stadt auf ein und derselben Straße. Gastarbeiter mussten eine Wohnung mit mehreren Familien teilen, obwohl sie gearbeitet haben und keine Sozialhilfe bekamen. Z.B. Köln Weidengasse , Berlin Kreuzberg Neukölln. Richtige intergration gab es nicht, weil sie alle an einem Ort und unter sich waren, ohne jeden Kontakt zu den Einheimischen. Und jetzt 2018 leben die Flüchtlinge genau so. In einem Heim oder Camp. Wenn Flüchtlinge eine Zuweisung haben, bekommen sie Wohnung da, wo andere Flüchtlinge wohnen. Das ist großer Mist. Nein ich glaube das Intergration NICHT SO gelingt. Da müsste viel mehr gemischt werden.
H.S.:Wie reagieren die Bürger auf Deine Arbeit? Gibt es Ablehnung?
Die erste Frage ist immer „Hast du keine Angst? „. Und die zweite Frage ist „Wirst du nicht von männlichen Flüchtlinge belästig ?“. Dritte Frage ist “ Aieso kommen alleinreisende Männer ohne Familie “
Und von vielen höre ich „ich habe großen Respekt und finde toll, wo und wie du arbeitest.“
Ich wurde aber auch schon auch als erbärmlich beschimpf oder als türkische Schlampe.
Ich reagiere nicht darauf. Ich habe was viel Besseres zu tun als über solche Beschimpfungen nachzudenken.
Ich tu was sinnvolles.
HS: Wie ist der Kontakt mit den Einheimischen?
Manche Bürgerin und Bürger rufen mich an, um zu wissen, ob die Flüchtlinge etwas benötigen. Oder die spenden mir Kleidungsstücke . Ich hatte auch eine Handcreme-Aktion gestartet. Weil, die Flüchtlinge hatten sehr raue Hände, so rau, dass die am bluten waren. Ich habe jede Menge Handcremes bekommen.
Die Reaktion der Bürger ist unterschiedlich. Gott sei dank ist die Reaktion der Bürgermehrheit positiv.. Klar gibt es auch Menschen, die negativen Auswirkungen verbreiten. Genau wie auch manche Flüchtlinge das tun.. Weil jeder von uns ein Mensch ist, gibt es auch unterschiedliche Meinungen und Charaktere . Genauso bei den Flüchtlinge, weil die sind genauso ein Mensch wie ich und du.
Wie sollen denn die Flüchtlinge sich auch integrieren, wenn sie alle in demselben Hochhaus wohnen, in dem selben Appartement, in derselben Strasse. Es ist schwer für die Flüchtlinge, auch schwer für uns. Selbstverständlich gibt es Flüchtlinge, die sich vorbildlich intergrieren. Es ist sehr hart für die Flüchtlinge. Deswegen meinte ich den Ausdruck Gastarbeitzeiten. Weil die Regierung dieselben Fehler macht wie im Jahr 1969.
H.S.: Kommen wir mal zum Friedenstag. Wie kam es zu der Idee mit dem Friedenstag?
Es hat eigentlich damit zu tun , was ich jetzt in der Flüchtlingsunterkunft mache. Aber der Anfang war ein ganz anderer. Es begann mit dem Gaza-Krieg. Und mit den Schulen in Euskirchen und dem Verhalten auf der Arbeit. Es begann mit der zunehmenden Ausländerfeindlichkeit.
Mich hat es gestört, dass verschiedene Migranteneltern nicht so viel Kontakt zueinander und zu den Deutschen aufbauten, obwohl die Kinder in einer Klasse waren. Ich bin eine gute Beobachterin. In der Schule begrüßten die Mütter nur die Eltern, die sie schon kannten oder deren Kinder vorher im selben Kindergarten waren.
H.S.: Wie kam es dann konkret zum Friedenstag? Was hast Du gemacht?
Wir haben als Vorbereitung auf den Friedenstag ein 10-Wochen Kultur-Projekt gestartet. Um ein friedliches Miteinander für die Kinder zu schaffen. Nach diesen 10 Wochen hörte ich ein Kind zu seiner Mutter sagen “ Mama du begrüßt sie ja, seid ihr jetzt Freundinnen “ Unser Ziel war erreicht. Durch den Friedenstag verbinden wir Menschen. Sie reden miteinander über das Essen oder die schönen Kostüme, die sie tragen bei der Aufführung. Und sie reden auch nach dem Friedenstag noch miteinander,wenn sie sich in der Stadt begegnen. Friedenstag ist entstanden durch Verurteilungen mancher Menschen, die sich vorher gar nicht kennen gelernt hatten. Das fand ich völlig verrückt. Es gab so viele Gründe für die Entstehung des Friedenstags. Der wichtigste ist, gemeinsam den Frieden zu feiern.
Nicht nur in Deutschland, auch in der Türkei und anderen Ländern, gibt es dieselben Probleme. Ich mag es absolut nicht, wenn nur geredet wird. Man muss auch was tun. Es hat mich gestört, über das Problem im eigenen Ort nur zu reden, ohne zu handeln.Dadurch ändert sich doch nichts.
Deswegen haben wir damals mit fünf Frauen aus Euskirchen einfach den Friedenstag begonnen. Ich habe Frauen gefragt, die genau so denken wie ich, und gefragt, ob die dabei sind für ein friedliches Zusammenleben. Die waren sofort einverstanden.
Und so haben wir mit dem ersten Gedanken an den Friedenstag 2008 begonnen. Für ein besseres Zusammenleben, für Akzeptanz, für unsere gemeinsame Zukunft. Weil wir auch mehr wollten, haben wir uns sowohl für internationale als auch für lokale Hilfe entschieden.
Der Friedenstag ist auch entstanden für den Respekt von Menschen mit Behinderung oder den Respekt gegenüber Senioren, Kindern und Jugendlichen. Er wendet sich an alle Menschen.
H.S.: Um was geht es da genau?
Um was geht es da genau? Die Antwort ist sehr kurz und deutlich. Einen friedlichen Ort gibt es nicht einfach so, den müssen wir uns selber erschaffen. Indem wir uns gegenseitig kennenlernen, respektieren und uns ohne Vorurteile in unsere Augen schauen können, uns verstehen und anerkennen. Es geht um Wertschätzung jedes einzelnen. Und jeder Einzelne kann etwas dazu beitragen. Das Fest hilft nur ein bisschen dabei.
Mit organisiert haben meine Freundinnen die ersten drei Friedenstage.
Am ersten Tag war Vorstellung des Konzepts der Kultur-Woche.
Wie haben Eltern der Grundschule Herman Josef eingeladen . Unsere Versammlung und auch 10 Wochen Kultur war auch in der Herman Josef Schule.
Wir haben Teilnehmer gewählt, wer in welcher Woche etwas über sein Land und dessen Kultur und Sitten erzählt.
Wir hatten uns einmal in der Woche getroffen. Die Teilnehmer haben zu Hause was vorbereitet. Z.b Bilder von der Heimat, Hochzeitsfotos oder Stoffe.
Eine andere Teilnehmerin erzählte z.B. was Taufe ist und warum Kinder getauft werden- Welchen Religionshintergrund es hat. 10 Wochen lang warendas alles interessante Themen. Am Ende haben wir gemeinsam ein Fest gefeiert.
H.S.: Du bist für Dein Engagement vom Bundespräsidenten eingeladen worden, warst 2014 bei den Menschen des Jahres von Radio Euskirchen und hast im letzten Jahr den Margaretha-Linnery-Preis erhalten. Was bedeuten Dir diese Auszeichnungen?
Ich weiß immer noch nicht weshalb (lacht) . Ich habe ja nur Menschen geholfen. Es war auch nicht schwer. Weil helfen sehr einfach ist, habe ich mich auch gefragt, womit habe ich das verdient. Aber ich freue mich natürlich drüber.
Es hat sich gelohnt nach Berlin zu fahren. Ich habe ein unvergessliches Bild mit dem Bundespräsidenten. Ich war da so glücklich, dass ich auf den Bundespräsidenten zugerannt bin, um ihn zu umarmen. Das hat die Security ziemlich irritiert. Aber er hat es mit Humor genommen.
Es war auch sehr schön, den Margarethe Linnery Preis zu bekommen, so wie sie das veranstaltet haben. Sie haben mich richtig verwöhnt und ich habe dazu von einer Künstlerin eine Statue einer tanzenden Frau in Rot bekommen
H.S.: Vielen Dank für das Gespräch, Nevin, und einen schönen Friedenstag am kommenden Sonntag in der Kreisverwaltung Euskirchen. Ich komme mal vorbei.
Falls noch jemand am Friedenstag teilnehmen möchte. Der findet ab 11 Uhr in der Kreisverwaltung Euskirchen statt. Der Eintritt ist frei und das Programm vielfältig.
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