Nicht zurück zu traditionellen Rollen. Arne Hoffmann
Männerrechtler stellte sich Kolumnist Sören Heim wie Al Bundy’s No Ma’am vor. Bei Recherchen zur Flüchtlingsthematik stieß er auf zwei Texte des linken Männerrechtlers Arne Hoffmann. Linke Männerrechtler? Sowas gibt’s? Der Kolumnist sah sich auf Hoffmanns Blog um und befragte den Autoren.
Sören Heim: Guten Tag Herr Hoffmann, steigen wir mit einem aktuellen Thema ein. Auf ihrer Website haben Sie kürzlich einen Blogger zitiert, der von „intersektioneller Verknüpfung von Fremden- und Männerfeindlichkeit“ in der Flüchtlingsdebatte spricht. Was kann man sich darunter vorstellen?
Arne Hoffmann: Ich habe Bezug auf den Sozialpädagogen und Maskulisten (Männerrechtler) Wolfgang Wenger genommen, der sich vor allem an Statements unserer männerfeindlichen Frauenministerin Schwesig gestört hatte…
Heim: Männerfeindlich? Wie kommen Sie denn darauf?
Hoffmann: Schwesig hatte einerseits angekündigt, jedem Flüchtling, der bei uns ankommt, unser Grundgesetz in die Hand drücken zu wollen, aber andererseits gezeigt, dass sie auf dieses Grundgesetz pfeift, indem sie forderte, dass weibliche Flüchtlinge vorrangig und männliche also nachrangig zu behandeln seien. In dieser Art denkt Schwesig offenbar grundsätzlich – ein offener Brief von einem halben Dutzend geschlechterpolitischer Plattformen, sie möge in ihre Politik doch endlich auch Männeranliegen aufgreifen, bleibt von ihr seit Juni unbeantwortet. Wolfgang Wenger hatte nun vorhergesagt: Wenn männliche Zuwanderer erleben müssen, dass es bei uns Hilfsangebote vielfach nur für Frauen gibt, könnte das zu einer Entwicklung führen, die das Klischee vom bedrohlichen arabischen oder osteuropäischen Macho verstärkt, bei dem Männer- und Fremdenfeindlichkeit miteinander verquickt werden.
„Jungs mit Migrationshintergrund benachteiligt“
In der Männerrechtsbewegung ist die Benachteiligung männlicher Zuwanderer übrigens seit langem ein Thema. Beispielsweise beanstandet die Initiative MANNdat seit Jahren, dass Jungen mit Migrationshintergrund aus Integrationsmaßnahmen ausgegrenzt werden. So stellte das Bundesministerium für Familie 2004 eine Studie über die Situation der Migrationskinder in Deutschland vor, die sich ausschließlich mit weiblichen Jugendlichen beschäftigte. Beim Integrationsgipfel 2006 kam ebenfalls nur die Situation von Frauen und Mädchen zur Sprache. 2009 wurde im nationalen Bildungsplan als Integrationsmaßnahme ausschließlich eine Bildungsinitiative für Migrantinnen gefordert, nicht jedoch für männliche Migranten.
Heim: Rassismus gegen Frauen ist nun auch nicht gerade selten. Gehört das wirklich zusammen? Ist es nicht eher so, dass da Rassisten auf ein Thema aufspringen, mit dem sich angesichts des „Männerüberschusses“ unter Flüchtlingen Stimmung machen lässt?
Hoffmann: Die US-amerikanische Publizistin Susan Faludi gelangte in einer Analyse einmal zu dem Schluss, dass orientalische Männer heute ähnlich beschrieben werden, wie die amerikanischen Ureinwohner vor mehreren hundert Jahren: „Sie existieren in der öffentlichen Wahrnehmung fast nur noch als fanatisierte Terroristen und Selbstmordattentäter; als unerträgliche alte Patriarchen, oder als sexuell verklemmte und gewaltbereite junge Männer.“ Dieses ständige Misstrauen gegenüber muslimischen Männern findet man auch in der deutschen Gesellschaft, wo ihnen etwa bei Behörden häufig unterstellt wird, dass sie unter der Hand viel Geld verdienen, aggressiv und uneinsichtig sind, sich von einer Frau nicht beraten lassen wollen, ihre Söhne verhätscheln und deshalb schlecht erziehen, ihre Töchter vernachlässigen und eine eigene Neigung zur Gewalt an ihre Kinder weitergeben. Letzteres führt dazu, dass die Drohung, ihnen die Kinder wegzunehmen, ständig wie ein Damoklesschwert über ihnen hängt. Die Frau hingegen gilt vor allem als Opfer, sie ist inkompetent, den Schicksalsschlägen ausgeliefert und auf Hilfe von Dritten angewiesen, um überleben zu können.
„Muslimische Männer gelten als Täter“
Heim: Ebenfalls kritisiert wurde, dass das Denkmuster vom bösen männlichen Migranten sowohl bei Gegnern des Feminismus als auch bei Feministinnen bedient werde. Inwiefern?
Hoffmann: Für konservative und weiter rechts stehende Feminismuskritiker stellt vor allem die Zugehörigkeit eines Zuwanderers zu einer anderen Religion oder Kultur eine Bedrohung dar, für Feministinnen die Zugehörigkeit zum männlichen Geschlecht – oder beides wie bei Alice Schwarzer und Co. „Der Feministin Moslem ist der Mann – und die Steigerung des Elends ist für sie der muslimische Mann“ fasste diese Haltung einmal das linke Blog Ad Sinistram in einem Beitrag über die taz-Journalistin Simone Schmollack zusammen.
Heim: Generell: Wenn man Feminismus kritisiert, findet man sich in der Gesellschaft von aggressiv auftretenden Zeitgenossen, auch solchen Unsympathen wie Akif Pirincci, den wir hier auch interviewt haben, wieder. Wie grenzt man sich da ab? Kann man das überhaupt?
„Blog für Sarrazin-Kritik von SZ empfohlen“
Hoffmann: Einerseits sollte das für mich einfach sein, da ich seit meiner Studentenzeit zahllose Beiträge veröffentlicht habe, die sich scharf mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auseinander setzen, was bis heute der Fall ist. Eine Zeitlang habe ich gemeinsam mit zwei Muslimas ein „Watchblog Islamophobie“ betrieben, und mein Blog „Hinter meinem Schreibtisch“ wurde von der Süddeutschen Zeitung zur kritischen Beschäftigung mit den Thesen Thilo Sarrazins empfohlen. Mit den Auffassungen von radikal Rechten und Reaktionären in der Männerszene haben wir Linken uns immer wieder auseinandergesetzt und werden daher seit Jahren aus diesem Spektrum angefeindet.
Allerdings ist das deutsche Feminismus- und Genderlager gegen Männerrechtler sämtlicher Lager hochaggressiv und jederzeit zum Rufmord bereit. In als „Studien“ verkauften Kampfschriften der Heinrich-Böll und der Friedrich-Ebert-Stiftung (Grüne & SPD) wird ein Segment am Rand unserer Bewegung instrumentalisiert, um uns damit pauschal in die rechtsradikale Ecke zu schieben. Wir werden dabei sogar mit einem Massenmörder wie Anders Breivik in einem Atemzug genannt*.
Der Wikipedia-Eintrag über mich wird seit Jahren von Radikalfeministinnen kontrolliert, die dafür sorgen möchten, dass jeder, der zu mir googelt, mich zuallererst als rechtsradikalen Scharlatan wahrnimmt. Die Menschen sollen Angst vor uns bekommen. Eine Schlagzeile zur aktuellen Stimmungsmache gegen Flüchtlinge lautete „Wer Angst sät, will Macht ausüben“. Genau das ist derzeit die feministische Strategie, wenn es gegen Männerrechtler geht. Das Geschlechterthema soll weiter von einem Ein-Parteien-System beherrscht bleiben. Und ja, auch Akif Pirincci versucht man uns gerne mal unterzujubeln. Männer aus dem radikal rechten Spektrum finden ihn natürlich toll – und linke Männerrechtler versucht man dann, in Sippenhaft zu nehmen.
Feminismus – der „Feind“?
Heim: Sehen Sie denn dann generell Feminismus als den „Hauptfeind“? In manchen männerrechtlichen Kreisen fallen ja Begriffe wie „Feminazi“. Oder hoffen sie auf Anknüpfungspunkte im Feminismus? Besteht in Teilen ihrer Meinung nach vielleicht einfach ein großes Missverständnis? Gibt es denn DEN Feminismus?
Hoffmann: Gleich zu Beginn meines Buches „Plädoyer für eine linke Männerpolitik“ weise ich auf den sogenannten „Equity-Feminismus“ hin: eine Strömung im Feminismus, die zwar auf Benachteiligungen von Frauen das Hauptaugenmerk legt, aber grundsätzlich Benachteiligungen bei beiden Geschlechtern bekämpft. Vertreterinnen dieser Richtung – etwa Christina Hoff Sommers, Cathy Young und Wendy McElroy – zitiere ich regelmäßig in meinem Blog Genderama. Allerdings handelt es sich um eine klare Minderheit im feministischen Spektrum. Der Mainstream-Feminismus grenzt diese Frauen nach wie vor aus. Als Christina Hoff Sommers etwa einen Vortrag an der US-Hochschule Oberlin hielt, flüchteten die feministischen Studentinnen dort in „Sicherheitsräume“, wo sie zur Entspannung Malbücher, Fingerfarben und Videos von herumtollenden Hundebabys gesammelt hatten. Im deutschsprachigen Raum kenne ich nur Einzelpersonen wie Astrid von Friesen als Equity-Feministin. Hier herrscht flächendeckend der radikale Feminismus a la Alice Schwarzer und Anne Wizorek: Männer gelten als Bedrohung, Leidenserfahrungen von Männern werden ignoriert oder lächerlich gemacht.
„Annäherung schwierig“
Mein Buch enthält ein eigenes Kapitel zu der Frage, was linke Männer und Frauen am Feminismus kritisieren. Die behandelten Punkte reichen von männer-, frauen- und kinderfeindlichen Aspekten über Hate Speech und totalitäre Tendenzen bis hin zu antisemitischen und faschistoiden Einflüssen. Für Letzteres ist Valerie Solanas „Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer“ ein Beispiel, in dem sie erklärt, dass Männer genetisch minderwertig seien, ein geringeres Lebensrecht hätten und vergast werden sollten. Das Werk gilt als feministisches Kultbuch und wird von deutschen Verlagen immer wieder neu aufgelegt. Alice Schwarzer feierte es als „erster Exzess des Hasses, des begründeten Hasses. (…) Was wäre eine Freiheitsbewegung ohne Hass?“ Und als Schwarzer im Jahr 1999 mit Iris Berben, Hannelore Elsner, Anke Engelke und Co. eine Lesung feministischer Klassiker veranstaltete, gehörte auch dieses Manifest selbstverständlich dazu. Gelesen hatte es damals Jasmin Tabatabai.
Vor diesem Hintergrund ist eine Annäherung an das feministische Lager schwierig. Wenn man es versucht, stößt man oft auf heftige Abwehr, begleitet von persönlichen Angriffen – und erfährt gleichzeitig Angriffe von Fundamentalisten in der Männerszene. Trotzdem finden immer wieder neue Anläufe statt, ein konstruktives Gespräch herbeizuführen und die tiefen Gräben zu überwinden. Am 28. November etwa findet in Nürnberg der erste „ganzheitliche“ Genderkongress statt, zu dem Frauenverbände und Feministinnen ebenso wie männerpolitische Organisationen und Maskulisten eingeladen sind. Dort werden auch mehrere teils hochrangige Politiker der verschiedensten Parteien von der CSU über die SPD bis zur Linken das Grußwort sprechen. Ich selbst werde dort eine Arbeitsgruppe zum Thema häusliche Gewalt mit Dr. Ursula Matschke co-moderieren, Leiterin der Abteilung für individuelle Chancengleichheit von Frauen und Männern der Stadt Stuttgart.
„Was ist linke Männerpolitik?“
Heim: Eines ihrer aktuellsten Werke heißt Plädoyer für eine linke Männerpolitik. Ein Buch zusammenzufassen ist schwierig. Dennoch: Was zeichnet denn spezifisch linke Männerpolitik aus, welche Problemfelder sehen Sie, wo muss sich für Männer dringend etwas ändern?
Hoffmann: Grundsätzlich bedeutet „Maskulismus“ ja die Auffassung, dass auch ein Mann Zuwendung und Unterstützung verdient, wenn er diskriminiert wird, zum Opfer wird oder aus anderen Gründen leidet. Maskulisten geht es darum, Benachteiligungen, soziale Problemlagen und Menschenrechtsverletzungen in Bezug auf alle Menschen einschließlich der Männer zu erforschen, herauszufinden, was die möglicherweise vielfältigen Ursachen dafür sind und realistische Lösungsstrategien zu entwickeln, die dann in einer gerechten Politik zur Anwendung kommen.
Männerpolitische Baustellen gibt es zuhauf: Männer leben mehrere Jahre kürzer. Bringen sich dreimal so oft um wie Frauen. Werden häufiger von ihren Kindern entfremdet. Sind häufiger arbeitslos. Kommen häufiger durch ihren Beruf ums Leben. Landen viermal so oft wie Frauen auf der Straße. Jungen erhalten für dieselben Leistungen schlechtere Noten, Männer werden vor Gericht für dasselbe Vergehen schwerer bestraft. Über die Jungenkrise wird viel geredet, konkret dagegen unternommen wird wenig. Generell sind Hilfsangebote verschiedenster Art, etwa im Bereich häuslicher Gewalt, für Männer weit schlechter ausgebaut.
„Nicht zurück in 50er Jahre“
Anknüpfungspunkte für linke Positionen gibt es hier genug und sind im Verlauf dieses Interviews ja auch schon mehrfach aufgeblitzt. Wir linken Maskulisten wollen nicht zurück in die 50er Jahre, sondern weiter nach vorne. Wir engagieren uns für eine Männerpolitik – beispielsweise auch für Schwule und Zuwanderer, die rechten Männern entweder egal sind oder mit Ressentiments belegt werden. Wir fordern, dass Antidiskriminierungspolitik auch Männer in den Blick nimmt. Früher war die Linke mal der Anwalt des kleinen Mannes, heute vor allem der Quotenfrau im höheren Management.
Heim: Feministischer Einwurf: Aufweichung von Geschlechterrollen, wie sie der Feminismus anstrebt – ist das nicht die Lösung, auch für Männer?
Hoffmann: Linke und liberale Männerpolitik, wie wir sie vertreten, lehnt es sowohl ab, für Männer nur die althergebrachte Rolle zuzulassen, wenn sie als „echte Männer“ gelten sollen. Aber auch, Männer in eine Rolle zu zwingen, nach der nur ein Mann, der so wenig dem traditionellen Männerbild entspricht wie möglich, als politisch korrekt gilt.
Allerdings strebt der Feminismus bestenfalls in Spurenelementen die Aufweichung von Geschlechterrollen an. Über männliche Opfer von Sexismus und sexueller Gewalt zu sprechen wurde etwa von den Aufschrei!-Feministinnen rigoros zurückgewiesen. Auch über häusliche Gewalt gegen Männer herrscht im Mainstream-Feminismus ein Schweigetabu. Sobald es um das Thema Sorgerecht geht, gehören auch für Feministinnen plötzlich wieder Mütter zu ihren Kindern.
Es gibt keine engagierten Forderungen an Frauen, sich bei der Partnersuche weniger an Einkommen und Status eines Mannes zu orientieren als bisher. Die vom Feminismus durchgesetzte milliardenschwere Frauenförderung durch Staat und Wirtschaft bedeutet, dass weiterhin von Männern erarbeitetes Kapital an Frauen weitergereicht wird – ganz wie im System des „patriarchalen“ Familienernährers. Wenn eine Emma Watson als Feministin vor den Vereinten Nationen eine He-for-She-Kampagne anstößt, dann vertritt sie damit ein mittelalterliches Weltbild vom männlichen Retter und der Frau als „damsel in distress“. Auch der feministische Männerhass ist in Wahrheit uralt: Der Soziologe Christoph Kucklick weist in seinem Suhrkamp-Forschungsband „Das unmoralische Geschlecht“ nach, dass Feministinnen hier schlicht 200 Jahre alte männerfeindliche Diskurse übernommen und lediglich zugespitzt haben.
„Und wer macht linke Männerpolitik?“
Heim: Ok. Zurück zur linken Männerpolitik – ist das jetzt eher der Traum eines einzelnen Autoren? Oder steht da tatsächlich eine Bewegung dahinter? Als Außenstehender wird man sich eine „Männerbewegung“ wahrscheinlich im besten Falle in der Art von NO MA’AM aus Eine schrecklich nette Familie vorstellen …
Hoffmann: Anfang dieses Jahres hat der Politikwissenschaftler Johannes Meiners für den Club of Vienna eine Studie vorgelegt, in der er und seine Co-Autorin Christine Bauer-Jelinek Feminismus und Maskulismus analysiert und miteinander verglichen haben. Dabei gelangten sie zu dem Ergebnis, dass die Männerbewegung genauso heterogen ist wie die Gesamtgesellschaft und die verschiedensten politischen Lager umfasst. Auch was das progressiv-linke Lager angeht, nennt die Studie eine ganze Reihe von Vertretern. Ich kenne linksliberale, sozialdemokratische, marxistische und anarchistische Männerrechtler. Zu unserer Bewegung gehören natürlich auch Frauen und Angehörige verschiedener sexueller Minderheiten sowie der unterschiedlichsten Hautfarben und Kulturen. Auf der Blogroll meines Blogs Genderama findet sich eine eigene Rubrik mit Schlüsseltexten eines linken Maskulismus.
Ein Problem besteht darin, dass sich linke Männerrechtler bislang nicht zu einer gemeinsamen Plattform zusammengefunden haben und dass sie im Internet oft unter Pseudonym auftreten, weil sie sonst von fundamentalistischen Linken mit massiven Sanktionen rechnen müssen. Beispielsweise steht von mir ein ausführliches Interview mit einem linken Männerrechtler online, für das er aus Angst vor solchen Sanktionen nur unter dem Pseudonym „Guy Fawkes“ bereit war. Einige Ideologen aus dem Genderlager machen solchen Menschen mit der eben geschilderten Hetze gegen die Männerbewegung Angst. Die Strategie dahinter ist wohl, dass Feministinnen sich die Unterstützung des gesamten linken Lagers sichern möchten und Vordenker der Linken glauben, den Feminismus als eines der letzten einenden Ideologeme dieses Lagers nicht kritisch hinterfragen zu dürfen.
Sex sells. Und ist politisch
Heim: In nicht wenigen Ihrer Werke geht es den Titeln nach zu urteilen um Sexualität. Um Männer z.B., die noch nie Geschlechtsverkehr hatten, um Masturbationstechniken, um BDSM – sind das einfach Themen, die sie neben der politischen Arbeit auch interessieren? Oder ist da sozusagen das Private politisch?
Hoffmann: In erster Linie erlauben mir meine Titel zum Thema Sex finanziell das Überleben als Autor. Die Leitmedien tabuisieren weitgehend meine männerpolitischen Veröffentlichungen; bei Veröffentlichungen zum Thema Sexualität tun sie das nicht. Dazu kommt, dass ich gerne anderen Menschen helfe. Während meine männerpolitischen Titel die Gesamtgesellschaft im Blick haben, richten sich meine Ratgeber an einzelne Leser mit ganz konkreten Fragen oder Problemen. Stellenweise durchmischt sich das: Ich kann zum Beispiel in Bücher wie „50 Dinge, die Männer über Sex wissen sollten“ Informationen über die hohe Rate männlicher Opfer sexueller Gewalt packen, mit denen ich viele Leser erreiche, die männerpolitische Bücher nicht mit der Kneifzange anpacken würden. Und ich kann in diesen Büchern über Möglichkeiten zur Verhinderung sexueller Übergriffe bei BEIDEN Geschlechtern sprechen – ein Anliegen, das mir sehr wichtig ist, in rein männerpolitischen Büchern aber unpassend wäre.
Von meinem Roman „Die Sklavenmädchen von Wiesbaden“ etwa ging nicht nur ein Viertel meines Autorenhonorars an die Organisation SOLWODI, die sich gegen Zwangsprostitution von Frauen einsetzt, sondern das Buch enthält auch ein sieben Seiten umfassendes Nachwort zu diesem Problem plus einen Anhang mit Leseempfehlungen weiterer Sachbücher sowie Empfehlungen von Websites, Anlaufstellen und so weiter. Mein Buch „Nummer Sicher“ enthält mit Rückgriff auf die aktuellste und beste Fachliteratur ein mehr als 50 Seiten umfassendes Kapitel „Sexuelle Gewalt verhindern und überwinden“ mit Unterkapiteln wie „Was können Frauen tun, um nicht zum Opfer zu werden?“, „Was können Männer tun, um nicht zum Täter zu werden?“, „Werden auch Männer vergewaltigt?“, „Wie kann ich mich beim Treffen mit Unbekannten von vorneherein vor sexuellen Übergriffen schützen?“, „Was können die Folgen einer Vergewaltigung für Frauen und Männer sein?“, „Wie können betroffene Frauen und Männer mit diesen Folgen fertig werden?“, „Was können Partner und Angehörige tun?“ und so weiter. Das ist ein antisexistischer Ansatz, den man in solchen Ratgebern leider selten findet.
Wie Männer sowohl als Opfer wie auch als Partner eines Opfers sexuelle Gewalt bewältigen können, ist Thema von Kapiteln meines Buchs „50 einfache Dinge, die Männer über Sex wissen sollten“. Mein Heyne-Ratgeber „Das Gesetz der Eroberung“ enthält ein eigenes Kapitel darüber, wo die Grenze zur sexuellen Belästigung verläuft. Die Grenze zwischen Verführung und sexueller Belästigung behandelt auch ein Kapitel in meinem Buch „Das Kamasutra am Arbeitsplatz“. Das alles wird aber nicht so aufdringlich vermittelt, wie es in dieser massierten Aufzählung vermutlich klingt, sondern läuft neben all den anderen Tipps und Anregungen für mehr Spaß beim Sex mit.
* Die kritisierten Studien können hier und hier eingesehen werden. Nachtrag: Und hier ein kritischer Kommentar dazu durch Soziologieprofessor Walter Hollstein.
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