Facebook wird 20, und ich bin auch schon 15 Jahre da drin

Obwohl Facebook so sinnvoll ist wie ein nach Gebrauch als Brotaufstrich wiederverwendbares Kondom, nutzen wir es alle täglich. Warum tun wir das? Ein Blick in die dunklen Ecken unserer zunehmend virtuellen Zwängen gehorchenden Psyche von Henning Hirsch.

Bild von Mediamodifier auf Pixabay

»Warum hängst du seit Stunden in Facebook ab, anstatt dich mit mir zu unterhalten?«, fragt die alte Schulfreundin.
»Keine Ahnung. Einfach so«, antworte ich.
»Es muss doch einen Grund geben, warum du das tust.«
»Gibt keinen bestimmten Grund.«
»Du hängst ohne bestimmten Grund seit Stunden in Facebook ab? Was ist es dann: eine Sucht?«
»Nennen wir es ‚schlechte Angewohnheit‘.«
»Also eine Sucht. Wusst‘ ich’s doch«, sagt die alte Schulfreundin.
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Facebook feiert in diesem Februar seinen 20sten Geburtstag. [1] Ein guter Anlass, sich mal wieder mit der Deutschen 10t-liebster Freizeitbeschäftigung [2] zu befassen = dem überwiegend sinnbefreiten Rumscrollen und Posten in sozialen Netzwerken.

Wie das Monster erschaffen wurde

Hin und wieder erschafft der Mensch Ungeheures: den Alkohol, die Religion, den Staat, die Tranquilizer, die Atomkraft oder die sozialen Medien. Warum und aus welchem Antrieb heraus er dies tut – darüber sind viele kluge Bücher und noch mehr schlaue Fachaufsätze geschrieben worden.

Wer verstehen will, weshalb und in welchem Zustand der damals 18-jährige Harvard-Student Mark Zuckerberg Facebook erfand, dem empfehle ich als Lektüre das Buch Milliardär per Zufall von Ben Mezrich oder sich den Film The Social Network auf Netflix anzuschauen [der auf dem Buch basiert]. Man kann auch beides tun. Ich hab’s gemacht. Und zwar in dieser Reihenfolge: Zuerst den Film angesehen, dann das Buch bestellt und im Anschluss nochmal in Netflix reingezappt.

Im Grunde reicht der Film aus, um zu begreifen, welche tiefen bzw. seichten Gedanken der Erschaffung von Facebook vorangingen: Die Plattform war damals halbwegs neu [es gab Vorläufer: Myspace, Classmates, SixDegrees, Orkut], ich Mark Zuckerberg kann es, das Teil ist cool, damit lässt sich schnell Geld verdienen. Viel mehr an Idee steckte nicht dahinter. Facebook war auf jeden Fall nie als ein Wir-retten-den-Planeten- oder auch nur Wir-machen-die-Welt-ein-bisschen-besser-Ding gedacht. Von Anfang an ging’s um Kohle, Koks und Nutten. Allerdings in der verschämten Davon-darf-niemand-Wind-bekommen-Variante. Als sich Mitinhaber Sean Parker auf einer Party mit weißem Pulver erwischen ließ, war bei Zuckerberg sofort Schluss mit lustig.

Nun muss man als Schöpfer nicht zwingend von Anfang an tiefe oder gar weit in die Zukunft reichende Gedanken haben, wenn man etwas erfindet. Ich wage zu bezweifeln, dass Benz und Citroën bewusst war, wie radikal ihre Benzin getriebenen Vehikel das Transportwesen umkrempeln werden. Hätte Lilienthal seine Visionen von der 747 und dem A380 im Jahre 1890 einem breiteren Publikum offenbart, wäre er weggesperrt worden. Watt wird nicht ansatzweise geahnt haben, dass seine Dampfmaschine die industrielle Revolution in Gang setzt. Als Curie die Radioaktivität entdeckte, hatte sie Hiroshima und Tschernobyl nicht auf dem Schirm. Unser Cro-Magnon-Vorfahre, der als Erster aus Gerste und Honig eine Urversion des Biers braute, freute sich am Ende seines Experiments darüber, dass der neue Stoff interessanter als das langweilige stille Wasser aus dem Gebirgsbach schmeckte und er sich als Nebeneffekt einen gepflegten Rausch antrinken konnte. Dass er damit sowohl die Nachtgastronomie als auch die Abstinenzbewegung ins Leben rief, überstieg ganz sicher seine Vorstellungskraft. Weshalb ein Erfinder immer die Folgen seiner Erfindung einschätzen soll, bevor er mit ihr zum Patentamt läuft oder sie ins Internet stellt – das müssen Sie unsere Technikphilosophen fragen. Ich weiß darauf keine Antwort.

3 Kategorien von Erfindungen

Es gibt Entdeckungen, die aus der Champagnerlaune eines genialen Augenblicks heraus oder rein zufällig geschahen, sich im Laufe der Jahre aber dennoch als sinnvoll im Alltagsgebrauch erwiesen haben. Zu diesen Geistesblitzen gehören der Tesafilm, die (Zelluloid-) Filmrolle, das Post-it, der Teebeutel, die Teflonpfanne und Kartoffelchips in Tüten.

So wie wir alle auch Erfindungen kennen, denen viel Forschungsarbeit und das ernsthafte Bemühen, das Los der Menschheit zu verbessern, zugrunde lagen, die sich jedoch nachträglich als Fluch entpuppten. In dieser Kategorie finden wir die schon erwähnte Atomkraft, das Privatfernsehen, Ghettoblaster und den kostenlosen Eintritt ins Internet.

Und dann stehen wir noch einer dritten Gruppe Innovationen gegenüber: = denen, die im Moment der Schöpfung trivial waren und auch zeitlebens trivial bleiben. D.h. ihr konkreter Nutzen für die Käufer/Anwender ist minimal bis hin zu vernachlässigbar. Beispielsweise Kaugummiautomaten und einzelportioniertes Katzenfutter. In diese Rubrik sortiere ich Facebook ein. Es sättigt niemand, wärmt mich nicht, fördert keinen Wohlstand, es macht nicht intelligenter, nicht glücklicher, nicht gesünder, es transportiert mich nicht von A nach B, mein soziales Prestige steigt dadurch nicht an, ich kann nicht reinschneuzen, sobald ich Schnupfen habe, es deckt keine Pickel ab, verschafft keinen Orgasmus. Ganz simple Frage: Würde uns konkret was fehlen, wenn es Facebook morgen nicht mehr gäbe? Antwort: nein. Die Welt funktionierte ohne Facebook genauso gut oder genauso schlecht wie vor 2004. Unterm Strich betrachtet braucht kein Mensch diese Plattform; jede Elektrozahnbürste ist nützlicher. Und trotzdem macht die Maschine süchtig und gilt neben Google als die erfolgreichste Geschäftsidee seit Coca Cola‘s Umwidmung von einer Hustenmedizin in ein Erfrischungsgetränk. Neben Facebook wirkt selbst McDonald’s wie ein Collegeteam aus Chicago, das ein Footballmatch gegen die 49ers bestreiten möchte.

Man könnte lapidar mit den Schultern zucken, die Sache als vorübergehendes Zeitgeistphänomen einstufen und sich anderen, wichtigeren Dingen zuwenden, wenn Facebook in den vergangenen 20 Jahren nicht derart rasant gewachsen wäre, dass es die Schwelle vom Ungeheuren zum Monster schon längst überschritten hat. Denn ungeheuer zielstrebig und unternehmerisch klar gedacht war es sicher, zum einen das Potenzial zu erkennen, das im Hochritzeln und Aufhübschen der vormals biederen Studentenverzeichnisse [das sind die ursprünglichen Facebooks] lag und zum anderen Geldgeber wie Peter Thiel zur Beteiligung am Wagnis zu überreden. Die Überschrift von Mezrichs Buch, „Milliardär aus Zufall“, korrespondiert deshalb nicht mit der Realität. Denn Zuckerberg hatte ja nicht qua Zufall 1 Milliarde Dollar am Roulettetisch im Cesars Palace gewonnen, sondern in jungen Jahren den richtigen Riecher für eine fulminante Geschäftsidee bewiesen. Dass das Teil so schnell so abnorm groß werden würde, ahnte er 2004 vermutlich nicht; jedoch war ihm klar, dass er mit Facebook [bzw. ‚The Facebook‘, wie die Plattform in den ersten Monaten hieß] in die bisher ungenützte Lücke der voyeuristischen Online-Kakophonie vorstieß und sich, unter der Voraussetzung, dass man es nur schlau genug anstellt, damit ordentlich Geld verdienen ließ. Und schlau waren er und seine Mitstreiter zweifelsohne.

Kleines oder großes Monster?

Warum ist Facebook ein Monster – denn so lautet ja die Überschrift dieses Kapitels –, könnten Sie nun fragen. Und danach noch die Frage hinterherschieben: Ist es ein großes Monster der Kategorie Atomkrieg oder doch eher was Kleines wie nervige Werbung im TV? Ich bin da hin und her gerissen. Facebook bedroht natürlich nicht unseren Weltfrieden, wie das nordkoreanische Interkontinentalraketen tun oder löscht mit einem Drohnenflug oder IS-Sprengstoffgürtel dutzende Leben aus. Es verseucht nicht dauerhaft die Umwelt wie Union Carbide 1984 in Bhopal, es führt nicht zum Schmelzen der Polkappen und zur Auflösung der Ozonschicht. Es bewirkt keine Adipositas und Diabetes wie Burger King & Pepsi, und das Rauchen einer Packung Marlboro am Tag ist sicher schädlicher für die Herzkranzgefäße als 1 Stunde in einem sozialen Medium surfen. Man muss nicht ständig wiederkehrend 200 Euro blechen, um sich den nächsten Facebook-Schuss setzen zu können. All das spräche erstmal dafür, das Zuckerberg-Produkt in die Rubrik „Kleines Monster“ einzusortieren.

Dem gegenüber stehen allerdings besorgniserregende Entwicklungen wie: Verbreitung von Fake News & gezielte Streuung von Desinformation, Zunahme von Hate Speech bei gleichzeitiger Abnahme der kommunikativen Empathie, Depressionsschübe, weil man trotz strenger Diät und täglich Fitnessstudio nie so sexy wie das eigene gephotoshopte Profilbild aussehen wird, Selbstmordgedanken, sobald man zur Zielscheibe eines Shitstorms oder von Cyber-Mobbing avanciert, Abdriften in die Social-Media-Abhängigkeit.

Was Facebook und Heroin gemeinsam haben

Die Erfindung von Facebook im Jahre 2003 war für die Menschheit von ebensolcher Bedeutung wie die Entdeckung des Alkohols in der Mittelsteinzeit, die Idee, den kürzeren Knochen zu ziehen [markiert den Beginn des gewerblichen Glücksspiels; ebenfalls Mittelsteinzeit] und die Erfindung des Heroins am Ausgang des 19-ten Jahrhunderts. Kann man jetzt nicht 1 zu 1 vergleichen, wenden Sie  ein? Klar kann man es nicht 1 zu 1 miteinander vergleichen – was kann man überhaupt wissenschaftlich sauber 1 zu 1 miteinander vergleichen? –; aber vergleichen kann man es. Alle 4 hier genannten Stoffe und Aktivitäten führen bei längerem Gebrauch zu Abhängigkeit, die bei dafür prädisponierten Menschen in Sucht gipfelt. Was soll denn eine Facebook-Sucht sein, noch nie gehört, sagen Sie jetzt? Gedulden Sie sich noch ein paar Absätze. Ich erkläre es. Und zwar so, bis auch der letzte Zweifler versteht, dass es sich bei exzessiver Anwendung von Facebook bloß um die krankhafte Befriedigung von 3 menschlichen Grundbedürfnissen dreht:
(1) sich die tägliche Dosis Klatsch & Tratsch reinziehen (Voyeurismus)
(2) gefahrfrei pöbeln (Aggressionsbewältigung)
(3) 24/7 mit Menschen kommunizieren (Einsamkeit entfliehen).
Es gibt weitere Motivatoren wie bspw. (politische, religiöse, ernährungstechnische) Überzeugungsarbeit leisten, Sexpartner finden, Produkte verkaufen; aber die sind Nebenkriegsschauplätze.

Es handelt sich also v.a. um die 3 o.g. triebgesteuerten Bedürfnisbefriedigungen, die unserem exzessiven  Facebook-Verhalten zugrundeliegen. Die sich zwar nicht sofort auf unsere seelische und geistige Gesundheit ausbreiten; eher wie ein langsames Gift wirken. Mit jedem Tag, den wir die Droge konsumieren, schleicht sie sich tiefer in unser Unterbewusstsein ein, bis wir eines Tages das bunte Paralleluniversum für die bessere der beiden Welten ansehen und uns weitgehend aus der Realität ausklinken. Endphase: 24/7 online: NICHTS mehr verpassen, ALLES kommentieren, NICHTS mehr glauben, was wir nicht in Facebook sehen, ALLE anderen Informationen anzweifeln oder gar als Lügen deklarieren. So schlimm ist es doch gar nicht, sagen Sie? Doch, es ist bei einigen schon so schlimm, und es wird mit jedem Tag, an dem Facebook nahezu unreglementiert weitermachen darf, ständig schlimmer werden, antworte ich Ihnen.

Sie übertreiben maßlos, Herr Hirsch. Nicht jeder, der Facebook nutzt, ist süchtig. Ich zum Beispiel bin ganz und gar nicht süchtig, meinen Sie? Selbstverständlich übertreibe ich, denn so funktioniert nun mal das Geschäft mit dem Erheischen von Aufmerksamkeit = Plakative Überschrift, reißerische Anmoderation, und schon klappt es mit Klicks und Reichweite. Habe ich übrigens in Facebook gelernt. Die Überspitzung der These bedeutet allerdings nicht, dass sie verkehrt ist. Sie bedeutet bloß, dass es stärker Süchtige (bspw. mich) und weniger Süchtige (bspw. Sie) gibt. D.h. ich pfeife mir täglich eine höhere Dosis rein als Sie, der Sie jedoch ebenfalls jeden Tag aufs Neue in dieser Plattform unterwegs sind. ICH kann JEDERZEIT damit aufhören, entgegnen Sie empört? Mag sein, aber 99,9 Prozent derjenigen, die in Facebook schreiben, dass sie aufhören, sind nach spätestens 1 Woche zurück und posten und kommentieren dann mehr als vorher. Komplettaussteiger trifft man SEHR selten. Und bisher weitgehend unerforscht ist die finale Destination. Verlassen sie tatsächlich ein für alle Mal den digitalen Zirkus, kehren verkatert & reumütig in die analoge Welt zurück, oder wandern sie von Facebook zu Twitter, Telegram, Instagram, TikTok, Bluesky oder Mastodon? Wechseln also nur die Plattform [die Wissenschaft spricht in solchen Fällen von Suchtverlagerung].

Kontrollierter Konsum ist die kleine Schwester von Sucht

Ich habe FESTE Zeiten, in denen ich in Facebook unterwegs bin, an denen richte ich mich aus. Das ist Lichtjahre entfernt von Sucht, sagen Sie jetzt? Na ja, wenn man erst mal feste Zeiten etablieren muss, dann ist das nichts anderes als Sucht, der man ein Korsett verpasst. Bei Alkoholikern nennt man das Trinkmuster. Und glauben Sie mir: mit Alkohol und Mustern kenne ich mich aus. Das Problem mit den Mustern besteht darin, dass man sie eines Tages nicht mehr erfüllen kann und sowohl die Frequenz verkürzen als auch die Dosis erhöhen muss, um das Glückslevel zu halten. Auch ich habe übrigens ein Muster, man kann es sogar eine Regel nennen: Niemals in der Nacht! Ich klappe Facebook um 23 Uhr zu und mache es erst um 7 Uhr morgens wieder auf. Dann aber gehört der sofortige Blick in die Kommentarspalten genauso zu meiner Morgenroutine wie Kaffeekochen, auf dem Klo den Sportteil der Tageszeitung lesen und Zähneputzen. Und im Laufe der folgenden 16 Stunden schaue ich so oft nach, ob eventuell was „Interessantes“ in meiner Bubble passiert ist, dass ich mich um 23.01 Uhr manchmal frage, warum ich das getan habe. Ich kann’s mir bloß mit Sucht erklären.

Natürlich existieren Unterschiede bei den oben genannten Süchten. So hängen weltweit weniger Junkies an der Nadel, als sich User sekündlich in Facebook einloggen. Bei Black Jack, Texas Hold’em, auf der Pferderennbahn und am Roulettetisch kann man in einer Nacht Haus und Hof verzocken, während man nach einem nächtlichen Kommentar-Marathon in einer digitalen Kloake bloß todmüde ins Bett fällt. Für Alkohol gibt’s Spezialkliniken und Entwöhnungsprogramme. Welcher Arzt hilft mir beim Ausstieg aus Facebook? Hat irgendwer schon mal Kontakt mit einer Facebook-Selbsthilfegruppe gehabt oder existieren die Anonymen Facebookies?

So cool wie eine Zahnzusatzversicherung

Wer heute meint, Facebook sei immer noch en vogue, der hält auch eine Zahnzusatzversicherung für hip. Spätestens, als ich im Herbst 2009 – damals 47-jähriger Vater von drei Kindern und Eigenheimbesitzer inklusive Vorgarten und Hauskatze – mit der User Nr. 305.257.368 hinzugestoßen bin, wurde die Plattform von halb- auf viertelcool runtergestuft. Seitdem ist das Gesichtsbuch in etwa so trendy wie ein Toyota Corolla, Cherry Coke light oder Fischstäbchen. Ob ich mir einen Big Mäc kaufe, einen Lottoschein ausfülle oder in Facebook surfe: vom Coolheitsgrad her ist es dasselbe. Wenn ich mal für ein paar Stunden das Gefühl „Heißer Scheiß, Koks und Nutten“ spüren möchte, verirre ich mich ganz bestimmt nicht hierhin, wo ich jeden Tag aufs Neue bloß Texte und Bilder von der Stange serviert bekomme. Online-Langeweile in Dauerschleife.

Warum ich, der ich das Problem (angeblich) erkannt habe, immer noch drin bin, fragen Sie mich völlig zurecht? Weil es von der Krankheitseinsicht bis zur Überwindung oft lange dauert. Viele schaffen den Ausstieg nie, obwohl sie sich ihrer Abhängigkeit schon seit Jahren bewusst sind. Ich persönlich finde die Abschiednahme von Facebook [weitere Foren nutze ich nicht] mittlerweile als schwieriger als vom Alkohol, tröste mich aber damit, dass Social Media bei mir keine körperlichen Schäden anrichtet. Auf meine Psyche wirkt sich das tägliche Geschnatter hingegen schon aus. Passiert nicht selten, dass ich Stunden später panisch kontrolliere, ob ich meinen vorvorletzten Kommentar auch im dazu passenden Thread hochgeladen oder versehentlich an einer Stelle, wo er nicht hingehört, platziert habe. Oder die ständige Sorge, alte/falsche Wörter zu verwenden, durch die sich ein anderer User (m/w/d) angegriffen fühlt, obwohl ich gar nicht vorhatte, ihn durch deren Gebrauch zu attackieren. Das sind temporäre Schweißausbrüche & Tachykardie-Schübe, die mir vor Social Media fremd waren..

Lassen Sie uns am Ende dieser Kolumne festhalten:
(A) Facebooks konkreter Nutzen für den privaten Nutzer bewegt sich gegen Null [3]
(B) die Plattform dient uns v.a. zwecks Triebbefriedigung
(C) obwohl wir das wissen, bleiben wir trotzdem alle hier [von Kurzzeitabwanderungen zu Bluesky mal abgesehen]
(D) um das böse Wort „Sucht“ zu vermeiden, reden wir stattdessen lieber von lebenslanger Kundenbindung.

»Wo wirst du den ellenlangen Text veröffentlichen?«, fragt die alte Schulfreundin.
»Auf Facebook«, antworte ich.
»Damit du dich dann mit den Kommentatoren über deren Sucht zoffen kannst?«
»Ja, auch.«
»Dir ist echt nicht zu helfen mit deinem ständigen Facebook.«
»Du meinst, da hilft bloß noch die dauerhafte Abstinenz?.«
»Klar.«
»So weit bin ich leider noch nicht.«
»Ich weiß.«

PS. kleiner Test zum Schluss: Wie lange schaffen Sie es, nicht in Social Media reinzugucken, ohne Symptome wie Unruhe, Appetitlosigkeit und gestörten Schlaf zu spüren? Ich tippe mal, spätestens nach 24 Stunden werden die meisten schwach und tun es wieder [sinnlos posten u kommentieren].
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[1] Genau genommen handelt es sich um den 20. Jahrestag der weltweiten (kommerziellen) Online-Schaltung. Die ersten, lokal eingegrenzten Gehversuche mit der Plattform wurden bereits 2003 unternommen.
[2] auf Platz 1 steht übrigens „das Internet nutzen“
[3] natürlich nutzt Facebook jemand. Nämlich dem Mutterkonzern Meta als immerwährende Gelddruckmaschine.

Henning Hirsch

Betriebswirt und Politologe, Comicleser, Filmjunkie, Bukowski- und FC- (es gibt nur einen FC: nämlich den aus Köln) Fan, trockener Alkoholiker. In die Abstinenz startete er mit einem Roman: Saufdruck. Seitdem tippt er abends Kurzgeschichten und Gedichte. Da die Schreiberei alleine nicht satt macht, verdient er tagsüber seine Kaltmiete und die Kühlschrankfüllung mit Marketing & Orga. Henning Hirsch lebt im Bonner Süden und ist Vater von drei Kindern ... Wer mehr von ihm lesen möchte: www.saufdruck.de

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