Ein Hauch von Dallas in New York

„Succession“ ist eine komödiantisch erzählte Familientragödie, die nebenbei Einblicke in das enge Zusammenspiel von Boulevard-Medien & Neocon-Politik in den USA gewährt. Die neue Serienjunkie-Kolumne von Henning Hirsch.

Bild von smaus auf Pixabay

„Succession (Nachfolge/Erbfolge)“ räumt seit Jahren bei den Golden Globes und Emmy-Verleihungen als „Beste TV-Serie“ reihenweise Preise ab. Wurde also vor ein paar Wochen höchste Zeit für mich, da mal reinzuklicken.

Ein Vater, der nicht sterben will

Die Geschichte, um die sich 4 Staffeln [die sich zu insg. 39 Episoden summieren] lang alles dreht, ist schnell erzählt: Der New Yorker Medien-Mogul Logan Roy hat 4 Kinder, von denen 3 unbedingt das väterliche Erbe antreten wollen. Der Milliardär, obwohl bereits 80 Jahre alt, denkt aber keineswegs an Rückzug auf eine Karibikinsel-Finca und Übergabe der Geschäfte an einen Nachfolger, sondern träumt davon, Minimum bis zum 100-sten Geburtstag weiterzumachen und seine Sprösslinge allenfalls in der zweiten Reihe des Unternehmens zu beschäftigen. Das passt v.a. Sohn Kendall/Ken nicht, der deshalb gerne gegen den Vater intrigiert, dabei aber ständig den Kürzeren zieht. Tochter Slobhan/Shiv versucht, es schlauer anzustellen, indem sie den Alten nicht frontal angeht, sondern ihn stattdessen becirct. Aber auch sie wird mit leeren Versprechungen abgespeist und gelangt über repräsentative Aufgaben nicht hinaus. Der Jüngste Roman/Rome probiert es mit bedingungslosem Gehorsam, scheitert jedoch ebenfalls und wird im Vorhof der Macht geparkt. Patriarch Logan – zwar gesundheitlich angeschlagen – scheint unkaputtbar zu sein und hält sowohl die Strippen seines Imperiums als auch die Familienzügel fest in der Hand. Keine Verschwörung kann ihm ernsthaft schaden, kein Hedgefonds ihn aus der Firma rauskaufen. Das geht so über 30 Folgen; oft amüsant anzuschauen, aber der Handlungsfaden „Wer ist Papis Liebling?“ wird doch arg in die Länge gezogen. Das ändert sich schlagartig mit Beginn von Staffel 4, als endlich ein ernstzunehmender Konkurrent auf den Plan tritt, der den Konzern in Gänze schlucken will, und Logan unvermittelt stirbt. Nun erleben wir einen spannenden Showdown der Geschwister gegen den ausländischen Investor und der 3 untereinander. Das Ende überrascht. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden.

Viel Milliardärsidylle, wenig Action

Ich geb’s zu: obwohl mir „Succession“ wärmstens ans Herz gelegt wurde, wollte ich nach 2 Episoden wieder aussteigen: zu viel Milliardärsidylle, zu wenig Action, u.v.a.: ich wurde mit keiner der Figuren halbwegs warm. Sie waren mir durch die Bank weg alle unsympathisch. Kein Held (m/w/d) weit und breit in Sicht, mit dem ich mich einigermaßen identifizieren konnte. Ich pausierte ein paar Tage, beschloss, der Serie eine zweite Chance zu geben und ließ mich ab Episode 3 so langsam von der Geschichte fesseln. Ja, sie ist gut und ja, sie hat die vielen Preise völlig zurecht gewonnen. Warum? Versuch einer Erklärung für den Erfolg:

Obwohl die Dialoge oft flapsig daherkommen, und man die Story bei oberflächlicher Betrachtung in die Kategorie „Komödie“ einsortieren könnte, entbehrt die dahinterliegende Story nicht der Tragik: 4 erwachsene Kinder, die 24/7 um die Gunst des gefühlskalten Vaters buhlen, von diesem bedenkenlos gegeneinander ausgespielt werden und es nicht schaffen, sich beruflich und emotional vom cholerischen Erzeuger zu emanzipieren. Gefangen in immerwährender Abhängigkeit von dessen Geldzuwendungen und der Sorge, aufgrund einer spontanen Laune des Patriarchen plötzlich enterbt zu werden. Die Angst treibt sie jedoch nicht zum Tyrannenmord, sondern lässt sie sich untereinander belauern und bekriegen. Das hat durchaus was von griechischer Tragödie und/oder einem Shakespeare-Drama. Wir als Zuschauer, deren Bankkonten nicht so prall gefüllt sind wie die der Roys, lernen, dass Milliarden einerseits ne schöne Sache sind, weil sie dem Besitzer zu einem luxuriösen Leben verhelfen, andererseits aber durchaus negative Konsequenzen für die Vater-Sohn-/Tochter-Beziehung haben können.

Wie der Boulevard den Konservativen nützt

Was jenseits der schwierigen Familienbande an „Succession“ am meisten fesselt, ist der Blick, den wir in dieser Serie auf die Interaktion zwischen Medien-Business und US-Politik werfen dürfen. Mittels seines Newskanal ATN berieselt Logan Roy seit vielen Jahren die amerikanische Bevölkerung mit Nachrichten zurechtgestutzt auf Boulevard-Niveau und seichten Talk-Formaten. Kritiker werfen ihm vor, so der Verblödung des Publikums Vorschub zu leisten und die Grenzen des Diskurses immer weiter nach rechts zu verschieben. Der Patriarch, ein konservativer Republikaner, jedoch kein reaktionärer Ideologe, lässt diese Rechtsdrift geschehen, solange sie ihm nützt, den Umsatz seines Unternehmens anzukurbeln. Das hat zur Konsequenz, dass man sich in Wahlkämpfen gegen (linke) Demokraten positioniert und am Ende sogar einem Rassentrennung propagierenden Populisten die Steigbügel hält und ins Weiße Haus verhilft. Die Roys wissen, dass sie den politisch Falschen unterstützen, tun es aber trotzdem, weil sie sich von diesem Bewerber unternehmerfreundliche Gesetze versprechen. Das schlechte Gewissen wird beruhigt mit Floskeln á la: Hätten nicht wir ihm zum Sieg verholfen, hätte es ein anderer (Nachrichtensender) getan oder: Es wird schon nicht so schlimm (mit der Rassentrennung) kommen, wie es im Wahlkampf verkündet wurde. Wir als Zuschauer begreifen spätestens hier, dass die Geldelite im Zweifelsfall – sobald sie um Gewinn und Einfluss bangt – keinerlei Berührungsängste zeigt, mit einem Faschisten ins Bett zu steigen. Nicht aus politischer Überzeugung, sondern „nur“, weil’s besser für den Umsatz ist. Darf man als negativ Betroffener auf keinen Fall persönlich nehmen; ist bloß Business.

Vor dem Hintergrund, dass eventuell demnächst erneut Donald Trump ante Washingtons portas steht, liefert „Succession“ eine schlüssige Erklärung, wie das möglich ist = (Teile der) Medien und die Hochfinanz bevorzugen einen Kandidaten, von dem sie wissen, dass er ihre (teils dubiosen) Geschäftsmodelle nicht in Zweifel zieht oder gar ernsthaft regulieren wird. In dubio pro Rasentrennung, auch wenn man beim Abendessen im 5-Sterne-Restaurant darüber nicht gerne redet, weil der Sache irgendwie doch was Schmuddeliges anhaftet.

Es kommt, wie es kommen muss

Die Serie stoppt – einigermaßen abrupt – nach 4 Staffeln (eine 5-te ist, gem. Auskunft von Showrunner Jesse Armstrong nicht in Planung), und das ist m.E. auch gut so. Denn spannungsseitig ist die Handlung nunmehr an ihr Ende gelangt: Der Tyrann ist tot (allerdings auf normalem Weg gestorben, nicht ermordet), die Kinder trauern kurz und streiten, kaum dass Papis Leiche erkaltet ist, munter weiter: Jeder hält sich selbst für den auserkorenen Nachfolger, keiner gönnt dem anderen den freigewordenen Chefposten, zu einer innerfamiliären Einigung sind sie nicht fähig und so kommt es am Schluss, wie es in solchen Fällen immer kommt = ein Dritter reibt sich lachend die Hände.

„Succession“ ist unterhaltsam, lässt uns Normalos am komplizierten Binnenleben eines Milliardärs-Clans teilhaben – was wir Älteren aber auch schon aus „Dallas“ und „Denver“ kennen – und macht verständlich, wie Politiker vom Schlage Trumps mittels tatkräftiger Förderung durch Medien und Wirtschaft bis ins Weiße Haus gelangen. Die Geschichte des nicht sterben wollenden Vaters und seiner zerstrittenen Kinder ist definitiv zu lang geraten. Man hätte den Mogul entweder schneller das Zeitliche segnen lassen sollen – und sich danach auf die Diadochen-Kämpfe der Erben konzentriert –, oder sich stattdessen auf 2 (max. 3) Staffeln begrenzen müssen. Den Alten erst in der Mitte von Staffel 4 blitzartig zu entsorgen und den dramatischen Rest dann binnen 5 Episoden abzuspulen, war für meinen Geschmack keine optimale (Suspense-) Einteilung. Weniger Logan und mehr Kendall hätten der Geschichte sicher gut getan.

Von mir gibt’s 8 Punkte.

PS. in der Liste The 100 Greatest TV Shows of All Time des US-Magazins Rolling Stone (erstellt im Sept. 2022) landet „Succession“ auf einem hervorragenden 11-ten Platz.
+++

Succession (Nachfolge, Erbfolge)
 4 Staffeln, 39 Episoden
 ausgestrahlt: 2018-23
 Showrunner/Idee: Jesse Armstrong
 Produktionsunternehmen: Gary Sanchez Productions & Project Zeus
 gesendet auf: Home Box Office/HBO (in Deutschland: Sky)
 Darsteller: Brian Cox, Jeremy Strong, Sarah Snook, Kieran Culkin, Alan Ruck, Matthew Macfadyen, Nicholas Braun.

Alle 4 Staffeln erhältlich auf: WOW.

Henning Hirsch

Betriebswirt und Politologe, Comicleser, Filmjunkie, Bukowski- und FC- (es gibt nur einen FC: nämlich den aus Köln) Fan, trockener Alkoholiker. In die Abstinenz startete er mit einem Roman: Saufdruck. Seitdem tippt er abends Kurzgeschichten und Gedichte. Da die Schreiberei alleine nicht satt macht, verdient er tagsüber seine Kaltmiete und die Kühlschrankfüllung mit Marketing & Orga. Henning Hirsch lebt im Bonner Süden und ist Vater von drei Kindern ... Wer mehr von ihm lesen möchte: www.saufdruck.de

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