Die Unverzichtbarkeit des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Deutschland

In einer Zeit, in der Medien vielfältiger und zugleich fragmentierter sind als je zuvor, mag man sich fragen, warum der Öffentlich-rechtliche Rundfunk noch immer eine entscheidende Rolle in unserer Gesellschaft spielen soll. Doch gerade jetzt, in einer Ära von Fake News und gezielter Desinformation, ist es wichtiger denn je, die Bedeutung des ÖRR für Deutschland zu betonen. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.


Bild von Daniel Friesenecker auf Pixabay

1. Unabhängige Informationsquelle:

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist nicht von kommerziellen Interessen gesteuert. Er ist rechtlich verpflichtet, objektive und ausgewogene Informationen bereitzustellen, die auf gründlicher Recherche basieren. Diese Unabhängigkeit von wirtschaftlichen Einflüssen ermöglicht es, dass kontroverse Themen kritisch und sachlich beleuchtet werden können. Diese Unabhängigkeit entsteht auch dadurch, dass der ÖRR durch Beiträge finanziert wird und nicht etwa durch Gebühren oder Steuern.

Das BUndesverfassungsgericht – 1 BvR 2756/20, 2775/20 und 2777/20 – Staatsvertrag Rundfunkfinanzierung –  hat dazu festgestellt:

1. Die Rundfunkfreiheit dient der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung (vgl. BVerfGE 57, 295 <319>; 136, 9 <28 Rn. 29>; stRspr). Der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Auftrag zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit zielt auf eine
Ordnung, die sicherstellt, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in größtmöglicher Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet (vgl. BVerfGE 57, 295
<319 f.>; 73, 118 <152 f.>; 90, 60 <88>; 114, 371 <387 ff.>; 136, 9 <28 Rn. 29>). Die Ausgestaltung dieser Ordnung ist Aufgabe des Gesetzgebers, der dabei einen weiten Gestaltungsspielraum hat, auch für Differenzierungen insbesondere nach der Regelungsart
und Regelungsdichte (vgl. BVerfGE 119, 181 <214>; 136, 9 <37 Rn. 45>;
stRspr).
a) Freie Meinungsbildung als Voraussetzung sowohl der Persönlichkeitsentfaltung als auch der demokratischen Ordnung vollzieht sich in einem Prozess der Kommunikation,
der ohne Medien, die Informationen und Meinungen verbreiten und selbst Meinungen äußern, nicht aufrechterhalten werden könnte. Unter den Medien kommt dem Rundfunk wegen seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft besondere
Bedeutung zu (vgl. BVerfGE 31, 314 <325>; 90, 60 <87>; 97, 228 <256>; 103, 44<74>; 114, 371 <387>; 136, 9 <28 Rn. 29>; stRspr; zur Bedeutung des Rundfunks in der Demokratie siehe beispielsweise auch EGMR (Große Kammer), Centro Europa
7 S. r. l. u. Di Stefano v. Italy, Urteil vom 7. Juni 2012, Nr. 38433/09, § 129; Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 86-217 DC vom 18. September 1986, 11. Erwägungsgrund;
Entscheidung Nr. 2009-577 DC vom 3. März 2009, 2. und 3. Erwägungsgrund).
Freie Meinungsbildung wird daher nur in dem Maß gelingen, wie der Rundfunk seinerseits frei, umfassend und wahrheitsgemäß informiert. Vom grundrechtlichen
Schutz seiner Vermittlungsfunktion hängt folglich unter den Bedingungen der modernen Massenkommunikation die Erreichung des Normziels von Art. 5 Abs. 1 GG wesentlich ab (BVerfGE 90, 60 <87>).
b) Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt im Rahmen der dualen Rundfunkordnung, das heißt im Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatwirtschaftlichem
Rundfunk, die Erfüllung des klassischen Funktionsauftrags der Rundfunkberichterstattung zu. Er hat die Aufgabe, als Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern ein Leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen Entscheidungsrationalität als der der ökonomischen Anreize folgt und damit eigene Möglichkeiten der Programmgestaltung eröffnet. Er hat so zu inhaltlicher Vielfalt beizutragen,
wie sie allein über den freien Markt nicht gewährleistet werden kann (vgl. BVerfGE 149, 222 <260 Rn. 77> m.w.N.). Der Gesetzgeber hat dafür zu sorgen, dass das Gesamtangebot der inländischen Programme der bestehenden Meinungsvielfalt
im Wesentlichen entspricht, dass der Rundfunk nicht einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird und dass die in Betracht kommenden Kräfte im Gesamtprogrammangebot
zu Wort kommen können (siehe auch BVerfGE 73, 118 <153>).
24/36
Denn der publizistische und ökonomische Wettbewerb führt nicht automatisch dazu, dass in den Rundfunkprogrammen die Vielfalt der in einer Gesellschaft verfügbaren Informationen, Erfahrungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster abgebildet wird.
Auch wegen des erheblichen Konzentrationsdrucks im privatwirtschaftlichen Rundfunk und der damit verbundenen Risiken einer einseitigen Einflussnahme auf die öffentliche
Meinungsbildung sind daher Vorkehrungen zum Schutz der publizistischen Vielfalt geboten (BVerfGE 149, 222 <260 Rn. 77> m.w.N.; stRspr). Einmal eingetretene Fehlentwicklungen lassen sich – wenn überhaupt – nur bedingt und nur unter
erheblichen Schwierigkeiten rückgängig machen (vgl. BVerfGE 119, 181 <217> m.w.N.; stRspr).

Wer nur ein paar Minuten im Internet herumturnt, wird schnell bemerken, dass die Rundfunkbeiträge nicht übermäßig beliebt sind, da ist von Zwangsabgaben für einen Staatsfunk die Rede. Und ja, jeder Haushalt ist verpflichtet einen Beitrag zu zahlen, was man als Zwang empfinden mag. Der Beitrag von derzeit 18,36 €, den jeder Haushalt zu leisten hat, sorgt aber gerade dafür, dass die einzelnen Sender gerade kein Staatsfunk sind, sondern in den Inhalten und der Ausgestaltung ihrer Programme mehr oder weniger frei sind.

2. Förderung der Meinungsvielfalt:

In einem demokratischen Land wie Deutschland ist es unerlässlich, dass eine breite Palette von Meinungen und Ansichten gehört wird. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bietet eine Plattform für unterschiedliche Standpunkte und gibt auch Minderheiten eine Stimme. Dadurch wird eine lebendige Demokratie gefördert, in der vielfältige Perspektiven berücksichtigt werden. Ich ärgere mich zwar auch gelegentlich darüber, dass gerade undemokratischen Akteuren eine Plattform geboten wird, die z.B. immer wieder zu Talkshows wegen ihres Krawallpotentials eingeladen werden, aber da habe ich eine einfache Lösung gefunden: abschalten. Ich muss weder den prechtigen Showlosophen noch die Wagenknechtin ansehen und hören, wenn ich das nicht will.

Ich muss auch nicht irgendwelche volksdümmlichen Musikanten ertragen, wenn mir nicht gerade danach ist, um mal wieder etwas ablästern zu können. Das ist auch gar nicht nötig, weil der ÖRR Rundfunk mir so viele Ausweichmöglichkeiten bietet.

Nun gehöre ich auch nicht zu den Lügnern, die behaupten, stets kulturell hochstehende Sendungen auf arte oder 3sat zu schauen, nö, ich bin ein großer Trashfan und genieße häufig, mir bei den Privatsendern seltsame Z-Promis in noch seltsameren Formaten wie dem „Sommerhaus der Stars“, „Love Island“ oder ähnlichen Sammelbecken von aufgespritzten, aufgepumpten und superdoofen InfluenzerInnen anzusehen. Aber dann bin ich auch froh darüber, wieder die Tagesthemen, das Heute Journal anzusehen oder auch WDR 5 zu hören.

TV-Sendungen wie terra x oder Radiosendungen wie das Zeitzeichen sind bei mir unverzichtbarer Begleiter, die ich nicht missen möchte.

3. Kulturelle Vielfalt bewahren und fördern:

Deutschland ist ein Land reicher kultureller Vielfalt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist einer der Schlüsselakteure bei der Erhaltung und Förderung dieser Vielfalt. Er unterstützt selbst kulturelle Projekte, zeigt durch die Dritten-TV-Programme auch regionale Besonderheiten und trägt somit zur Identitätsstiftung der Gesellschaft bei.

4. Bildung und Information:

Bildung ist ein grundlegendes Element für die Weiterentwicklung einer Gesellschaft. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bietet ein breites Spektrum an Bildungsprogrammen, von Dokumentationen bis zu politischen Diskussionen. Damit trägt er zur Aufklärung und Wissensvermittlung bei, was gerade in Zeiten von sich ständig verändernden globalen Herausforderungen von entscheidender Bedeutung ist.

In der letzten Zeit gab es einige üble Fehler auch in der ÖRR-Information bezüglich des Krieges in Israel. Da wurde tatsächlich eins zu eins pure Hamaspropanda über eine angebliche israelische Bombardierung eines Krankenhauses im Gazastreifen nebst unzähligen Opfern in den Nachrichten verbreitet. So etwas darf nicht vorkommen. Man muss sich gerade im ÖRR darauf verlassen können, dass die verbreiteten Informationen ordentlich recherchiert sind. Und wenn es so einen üblen Stockfehler gibt, gehört der richtig gestellt.

5. Förderung der Medienkompetenz:

In einer Welt, in der Medien einen immer größeren Einfluss auf unsere Meinungsbildung haben, ist es von entscheidender Bedeutung, Medienkompetenz zu fördern. Wenn ich sehe, aus welchen Quellen manche Facebookakteure ihre „Informationen“ haben, frage ich mich, ob die noch nie gelernt haben, ihre Quellen auf Seriosität zu prüfen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk setzt sich aktiv dafür ein, die Medienkompetenz der Bevölkerung zu stärken, indem er kritisches Denken und die Fähigkeit zur Informationsbewertung fördert. Das ist gerade deshalb wichtig, weil ein Großteil der Bürger sich „seine“ Informationen zunehmend aus dem trüben Teich diverser „alternativer“ Internetquellen zieht. Solange die das bspw. bei DieKolumnisten.de machen, besteht keine Gefahr, aber auf manch anderen Seiten drohen Radikalisierung, Verblödung und informative Inkontinenz.

6. Kulturelle Identität bewahren:

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist meist ein brauchbarer Hort für die deutsche Sprache und Kultur. Er trägt dazu bei, die kulturelle Identität zu bewahren und zu stärken, insbesondere in einer globalisierten Welt, in der der Einfluss ausländischer Medien und Kulturen stetig wächst. Wer sich ansieht, wie türkische und russische Staatsmedien – ja das ist Staatsfunk – auch hier in Deutschland die Meinung zu manipulieren versuchen, der muss froh sein, dass unser ÖRR existiert und diesen Fehlinformationen etwas entgegensetzt, und zwar nicht etwa in Form umgekehrter Propaganda.

In einer Zeit, in der die Medienlandschaft im rasanten Wandel begriffen ist, sollte der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht als veraltetes Relikt aus überkommenen Zeiten betrachtet werden, sondern als eine unverzichtbare Institution, die, neben einer freien Presse, die Grundpfeiler unserer Demokratie stützt. Er ist in aller Regel ein Garant für unabhängige Information, Meinungsvielfalt und kulturelle Identität. Es liegt an uns, ihn zu schätzen und zu unterstützen, um eine lebendige und informierte Gesellschaft zu erhalten.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

More Posts - Website