Der Tod und das Mädchen – Der Hausswölfin eine Kolumne

Unser Musikwolf Ulf Kubanke taucht seine Spürnase tief in die betörend-dunkle Klangwelt der erfogreichen Songwriterin und Organistin Anna von Hausswolf ein und rezensiert ihr neues Album „Dead Magic“.


Gluthitze trifft packeisige Kälte, Blutorgel trifft Marmorkirche. Mit ihrem dritten Album „Dead Magic“ ist Anna von Hausswolf bereits als unumstößliche Königin der Nacht etabliert. Egal ob Fans oder Feuilleton – die Hausswölfin hat ihr Rudel mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft gefunden. Verdient hat sie es allemal. Denn auch diese neuen fünf Lieder vollführen einen exquisiten Engtanz mit unterhaltender Finsternis.

Der dunkle Notenwald, durch den diese Schattenwölfin der Musik ihre Hörer führt, ist frei von jeglichem Kitsch, verzichtet weitgehend auf herkömmliche Songstrukturen und gleitet doch so leicht durch des Publikums Venen wie bittersüßes Gift. Gemeinsam mit befreundeten Musikern und dem Sunn O)))-Produzenten Randall Dunn strickt die Schwedin eine gute Dreiviertelstunde verwunschener Klänge, deren Klammer vor allem der Tod und das Ableben in all seinen Facetten bildet. So fatalistisch wie Franz Schubert und nicht minder virtuos kreiert sie eine Atmosphäre, die man mit Fug und Recht auch „Der Tod Und Das Mädchen“ Teil II hätte nennen können.

Die Göteborgerin selbst sieht den Gesamtzusammenhang weit spiritueller. „Es ist Musik des Geistes und des Blutes; das Fest und das Ritual; die Taufe und das Epitaph; Leben und seine Abwesenheit in all seiner Poetik; eine Gemeinschaft, in der man stirbt und viele Male ins Leben zurückkehrt. Das Album ist ein dunkler Kristall, geboren und aufgewachsen in einer vergangenen Zeit, ruhend, aber für immer in Rillen auf Vinyl eingeprägt.“

Diese genannte Geburt war anscheinend keine leichte. Das hing vor allem mit Dunns Vorschlag zusammen, die Songs in Kopenhagens berühmter Marmorkirche auf zu nehmen. Mit dem dortigen Instrument fremdelte Hausswolf zunächst heftig. „Die Orgel dort war sehr klein. Ich wollte auf einer riesigen Orgel spielen. Das letzte Album nahm ich auf einer Orgel mit 9000 Pfeifen auf.“ Die Qualität der dortigen Orgel und der Reiz, erstmals in einem Dom, noch dazu mit marmornem, runden Klangraum zu spielen, obsiegte jedoch schlussendlich. Und da ihr Kopenhagen ohnehin stets gefiel – sie lebte dort sechs Jahre lang – konnte für „Dead Magic“ ein sehr intensives, beinahe sakrales Klangdelirium entstehen. Diese Stimmung jedoch – sie betont es gern – sei weder im klerikalen noch im traditionell christlichen Zusammenhang zu sehen. Es geht hier um rein fühlbare Sinnlichkeit.

Hausswolfs simultan ebenso meditativer wie eruptiver Ausdruck erinnert viele Hörer an eine Mischung aus Kate Bush und Lisa Gerrard (Dead Can Dance). Doch ihre archaische, fast schamanische Trance, die gern zwischendurch das Tor zu wilder Ekstase aufstößt, greift deutlich weiter zurück. Pate steht hörbar die große Urmutter sinistrer musikalischer Visionen: Nico und ihr vor 50 Jahren erschienener Meilenstein „The Marble Index“. Nicht nur das Element „Marmor“ taucht bei beiden als Parallele auf. Hausswolf bringt den musikhistorisch bedeutenden Prototyp zu Reife und Vollendung. Sie verzichtet dabei auf die hörbare Kaputtheit des 1968er Meilensteins. Man kann sagen: Was die Großmutter sähte, führt die Enkelin zur Blüte.

Ulf Kubanke

Ehemaliger Anwalt; nun Publizist, Gesprächspartner und Biograph; u.a. für Deutschlands größtes Online-Musikmagazin laut.de.

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