Free Uli
Uli Hoeneß wird auf Bewährung aus der Haft entlassen. Es dürfte nicht verwundern, wenn der Bayern-Patriarch bei seinem Klub und im deutschen Fußball bald wieder eine wichtige Rolle spielen wird. Und das ist auch gut so! Denn es fehlen Typen, die den Sport so sehr lieben wie er und auch noch wirtschaftlich-strategisch denken können.
Justizia ist blind – oder besser gesagt, sie sollte blind sein. Deshalb darf ein prominenter Fußball-Funktionär nicht besser gestellt werden als jeder andere Angeklagte. Aber auch nicht schlechter. Und deshalb ist Uli Hoeneß bald wieder ein freier Mann.
Wenn der ehemalige Präsident des FC Bayern München am 29. Februar seine Haftanstalt verlassen wird, dann hat er gerade mal 21 von 42 Monaten seiner Strafe abgesessen. Der Rest wird aufgrund vorbildlicher Führung und einer günstigen Sozialprognose auf drei Jahre Bewährung angelegt. So entschieden vom Landgericht Augsburg.
Hoeneß hat immer polarisiert
Genau wie sein Verein hat Hoeneß immer polarisiert. Deshalb muss der selbsternannte Vertreter der „Abteilung Attacke“ damit leben, dass Kritiker in der Causa einen „Promibonus“ unterstellen. Nebbich! Der Vollblutsportsmann war schon so oft in der Küche, dass er auch diese Hitze ertragen dürfte. Zumal die 637 Tage, die er bis Ende nächsten Monats hinter Gittern verbracht haben wird, der Mindeststrafe entsprechen. Rechtlich steht Hoeneß auf der sicheren Seite.
Eine so frühzeitige Entlassung ist zwar nicht der Normalfall, aber auch keine Absonderlichkeit. Der Kommentator der Stuttgarter Zeitung etwa verweist zu recht auf einen Drogendealer aus Nordrhein-Westfalen, der zu knapp vier Jahren Haft verurteilt wurde. Dieser Herr konnte mit gleicher Begründung nach zwei Jahren den Weg zurück in die Freiheit antreten. Ganz ohne unterstellen Promirabatt.
Vorbildliches Verhalten hinter Gittern
Die Halbstrafe von 21 statt 42 Monaten zog bei Hoeneß vor allem deshalb, weil er wie ein reuiger Sünder wirkte und einer gelungenen Resozialisierung ohnehin wenig im Weg stehen dürfte. Die juristisch zwar etwas verpatzte Selbstanzeige könnte auch Wirkung gezeigt haben. Alles entscheidende Kriterien jedenfalls, auf die auch in weniger spektakulären Fällen geachtet wird. „Cleverle“ Hoeneß sollte dies früh begriffen und sein Verhalten entsprechend angepasst haben.
Glaubt man Augenzeugenberichten integrierte sich der Machtmensch sogar anstandslos in seiner neuen Umgebung mit den schwedischen Gardinen und auch während seiner Zeit als Freigänger ließ er keine Zweifel an seinem Verhalten aufkommen. Zudem fielen wohl auch seine Schadenersatzzahlungen von „mindestens 43 Millionen Euro“ vor Gericht ins Gewicht.
Bayern-Ikone unter Beobachtung der Medien
Im besten Fall kann man all das als tätige Reue werten, im schlechtesten als kühle Berechnung. Allerdings ließe sich Letzteres denn auch als Vernunft bezeichnen, und die spräche zweifelsfrei dafür, dass sich Hoeneß künftig steuerehrlich verhalten wird. Immerhin steht der Mann nun unter verstärkter Beobachtung der Medien. Und dann wäre noch das Damoklesschwert der Bewährung.
Für einen Machertyp mit dem Ego eines Hoeneß dürften öffentliche Scham sowie Ansehensverlust fast ebenso schwer wiegen wie die Zeit hinter Gittern. Auch das ein Indiz, dass der Weltmeister von 1974 seine Lektion gelernt haben dürfte. Deswegen sollte Schluss sein mit jeglicher Nachtreterei. Wie jeder reuige Delinquent hat auch ein Sportidol ein Anrecht auf eine zweite Chance. Wenn es keinen Promibonus geben darf, dann auch keinen Promimalus, bitte schön!
Keine übertriebenen Maßstäbe, bitte!
Alles was nun passiert, ist vor allem eine Sache zwischen Hoeneß und seiner Familie sowie zwischen Hoeneß und dem FC Bayern, einem privatrechtlich organisierten Verein. Es spricht für die Resozialisierungsfähigkeit dieses Landes, dass ein Vorbestrafter sogar ins zweithöchste Regierungsamt gewählt werden konnte. Da wäre es doch mehr als unverhältnismäßig, strengere Maßstäbe an einen Job bei einem Fußballklub anzulegen. Allerdings täten sich die Bayern keinen Gefallen, würden sie Hoeneß nicht nur zum Chef der Jugendfußballabteilung oder zum Präsidenten machen. Als Aufsichtsratsboss der Profifußball AG wäre er aufgrund seines konkreten Vergehens eine Fehlbesetzung. Hoeneß selbst, aber auch der Verein, dürften so professionell sein, eine solche Personalie nicht einmal in Erwägung zu ziehen.
Für den FC Bayern, aber auch für den deutschen Profifußball an sich wäre „The return of the Uli“ auf jeden Fall ein Gewinn. In England explodieren gerade die Summen der TV-Verträge, der Gehälter und der Ablösesummen. Es droht ein Exodus guter Spieler auf die Insel.
Deutscher Profifußball braucht Typen wie Hoeneß
Hierzulande wiederum rollen Teams, die unter direktem Einfluss großer Unternehmen stehen, mehr und mehr die Bundesliga auf. Traditionsklubs wie Kaiserslautern, Nürnberg oder Bochum haben längst den Anschluss verloren. Frankfurt, Köln oder Bremen stehen stets mit einem Bein am Abgrund zu Liga Zwei. Hoeneß, der neben seiner Geschäftstüchtigkeit wirklich ein Herz für den Fußball hat, dürfte während seiner unfreiwilligen Auszeit vielleicht noch mehr verinnerlicht haben, dass dies keine gesunde Entwicklung ist. Für Roman Abramowitsch ist der FC Chelsea ein Prestigeobjekt, ein Spielzeug. Für Hoeneß ist der FC Bayern sein Lebenswerk und der deutsche Fußball seine Heimat. Sollte man ihn und seinen Ehrgeiz nicht gerade an dieser Stelle in die Pflicht nehmen?
Zudem ist der Mann doch das Musterbeispiel dafür, was man in angelsächsischen Breiten ein „Comeback Kid“ nennt. Die frühzeitige Invalidität nutze er zum Einstieg ins Sportmanagement. Als einziger überlebte Hoeneß einen Flugzeugabsturz und setzte seine Karriere in der Führung des FC Bayern fort. So einer hat auch jetzt nicht genug, sondern will es allen noch mal zeigen.
Keiner wäre so geeignet wie der gebürtige Ulmer, um Konzepte für eine Verbindung von Tradition, Leidenschaft und wirtschaftlicher Notwendigkeit zu entwickeln. Dafür stand der Mann sein Leben lang – mit seinen kaufmännischen Entscheidungen ebenso, wie mit seinen sozialen Projekten. Und wäre dies nicht der sinnvollste Beweis der Resozialisierung?
Ein Mann, der den Fußball liebt
Der Wert des Sports, das müssen selbst die schärfsten Gegner Hoeneß zugute halten, wird beim FC Bayern eben nicht wie in Manchester an der Börse bestimmt – oder wie in Chelsea von einem russischen Oligarchen am Glamourfaktor gemessen. Das unterscheidet die Münchner wohlwollend von englischen Investorenklubs oder den deutschen Betriebssportgemeinschaften in Wolfsburg, Hoffenheim oder Leipzig.
Hoeneß mag Widerspruch hervorrufen, Hoeneß mag Fehler gemacht haben, schwere Fehler. Hoeneß mag kein einfacher Mensch sein. Aber er ist ein Mensch, der den Fußball liebt und den Fußball lebt.
In diesem Sinne: Welcome back, Uli Hoeneß!
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