SPÖ-Abgeordneter Al-Rawi auf Abwegen

Wenn ein Abgeordneter des Wiener Landtags und Gemeinderats auf einen Artikel reagiert und dabei seine Funktion en passant für eine kleine Drohung nutzt, darf man wohl zu Recht annehmen, einen wunden Punkt getroffen zu haben.


Am 21. Juli haben Nina Scholz und ich einen Artikel zu „Islamophobie“ und Muslimbruderschaft in Europa veröffentlicht. Anlass war ein „Islamophobie“-Kongress in Sarajevo mit reger österreichischer Beteiligung. Bei der Recherche für diesen Artikel waren wir unter anderem darauf gestoßen, dass die an der Konferenz teilnehmende Organisation emisco, die European Muslim Initiative for Social Cohesion, im Jahr 2010 von Tarafa Baghajati, dem Obmann der Initiative Muslimischer ÖsterreicherInnen (IMÖ) mitgegründet worden war und dass dieser nach wie vor im Vorstand der emisco gelistet wird. Die emisco wirbt auf ihrer Website ganz offen für die Muslimbruder-Organisation FEMYSO (Forum of European Muslim Youth and Student Organizations) und die der Hamas nahe stehende islamistische IHH. Der deutsche Ableger der IHH wurde im Jahr 2010 wegen Unterstützung einer terroristischen Organisation vom deutschen Bundesinnenministerium verboten.

Um sicher zu gehen und journalistischen Standards zu genügen, bat ich Tarafa Baghajati per Email um eine Stellungnahme, was eine kleine Korrespondenz zur Folge hatte. In meiner ersten Email hatte ich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Anfrage an ihn im Zusammenhang mit der Recherche für einen Artikel steht. Baghajatis drei Antwortmails haben wir für unserem Artikel wie folgt zusammengefasst:

Auf Anfrage, schreibt Baghajati, er sei, obwohl nach wie vor im Vorstand gelistet, nur am Rande mit der emisco befasst und betont, seine Ansichten stünden zu 100% konträr zu jenen der Muslimbruderschaft: „Ich war, bin und werde weder ein Mitglied der MB, noch in deren Nähe sein.“ In gleich zwei Emails weist er darauf hin, gegen jede anders lautende Aussage gerichtlich und medial vorgehen zu wollen. Die eigentliche Frage, warum die von ihm mitgegründete Organisation emisco, zu deren Vorstand er nach wie vor zählt, für eine Muslimbruder-Organisationen wirbt, beantwortete er nicht.

Zehn Tage nach der Veröffentlichung erhalte ich zu meinem Erstaunen eine Nachricht des SPÖ-Abgeordneten zum Wiener Gemeinderat, Omar al-Rawi, via Facebook-Messenger. Omar al-Rawi hat neben seinem politischen Mandat auch eine Funktion als Integrationsbeauftragter der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich inne. Zudem ist er, wie Tarafa Baghajati, Mitbegründer der Initiative Muslimischer ÖsterreicherInnen. Und weil es im Messenger möglich ist, mehrere Personen gleichzeitig anzuschreiben, also eine Diskussions-Gruppe zu bilden, hatte er seinen Vereinskollegen Tarafa Baghajati in unser „Gespräch“ miteinbezogen. Ohne jede Anrede unterstellte mir al-Rawi in seiner ersten Message, ich hätte den Mail-Verkehr zwischen mir und Baghajati auf Blogs von Dritten veröffentlicht, ein bizarrer Vorwurf, den er trotz mehrmaligen Nachfragens nicht belegen konnte. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Der Vorwurf ist erfunden. Mehr als das oben Zitierte ist nirgends veröffentlicht und auch an niemanden weitergegeben worden.

Vermutlich ging es ihm um etwas anderes, denn der Vorwurf war mit der Frage gekoppelt, ob dieses Vorgehen mein Zugang als Wissenschaftler sei – als Wissenschaftler, der als Experte für die Stadt Wien arbeite. – Höre ich da eine leise Drohung heraus?

Auf meine Frage, was das alles mit meiner Tätigkeit für das Expert_Forum Prävention, Deradikalisierung und Demokratiekultur der Stadt Wien zu tun habe, antwortete al-Rawi, er sitze im Parlament der Stadt Wien und daher sei es für ihn wichtig, dass „unsere Experten“ wissenschaftlich korrekt arbeiten und keine „eigene Agenda“ verfolgen. Nebenbei fühlte er sich bemüßigt, darauf hinzuweisen, dass er meiner Bestellung damals zugestimmt habe.

Hier stellt sich die Frage, welche Agenda der Abgeordnete al-Rawi verfolgt? Er selbst wird in unserem Artikel mit keinem Wort erwähnt. Betrachtet er es als Teil seiner politischen Tätigkeit, bei Autoren wegen missliebiger Artikel zu intervenieren, die seine persönlichen Freunde und Vereinskameraden betreffen?

Eine Entschuldigung für die eingangs erwähnte und widerlegte Unterstellung erfolgte nicht. Kurze Zeit später meldete sich Tarafa Baghajati – ohne konkreter zu werden – mit einem neuen Vorwurf persönlich zu Wort: Er sei unfair behandelt und zitiert worden. Ich habe daraufhin diese unergiebige Diskussion beendet und beiden angeboten, für weitere Kritik die Kommentarfunktion unter dem Artikel zu nutzen. Das veranlasste Omar al-Rawi zu der Replik: „Wenn sie den Diskurs nicht fortführen wollen, ist das auch OK. Ist für mich auch eine Ansage.“

Da haben Sie mich falsch verstanden, Herr al-Rawi. Sowohl meine Kollegin als auch ich führen den begonnenen Diskurs gerne weiter – aber nicht im Geheimen, sondern, Ihrer Funktion entsprechend, öffentlich.

Heiko Heinisch

Nach Abschluss des Geschichtsstudiums arbeitete Heiko Heinisch u.a. am Ludwig-Boltzmann-Institut für historische Sozialwissenschaft. Nach längerer freiberuflicher Tätigkeit arbeitet er seit Mai 2016 als Projektleiter am Institut für Islamische Studien der Universität Wien. Nach längerer Beschäftigung mit den Themen Antisemitismus und nationalsozialistische Judenverfolgung wuchs sein Interesse an der Ideengeschichte, mit Schwerpunkt auf der Geschichte der Ideen von individueller Freiheit, Menschenrechten und Demokratie. Er hält Vorträge und veröffentlichte Bücher zu christlicher Judenfeindschaft, nationalsozialistischer Außenpolitik und Judenvernichtung und widmet sich seit einigen Jahren den Problemen, vor die Europa durch die Einwanderung konservativer Bevölkerungsschichten aus mehrheitlich islamischen Ländern gestellt wird. Daraus entstand das gemeinsam mit Nina Scholz verfasste Buch „Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?“ im Wiener Passagen Verlag (2012). Er ist Mitglied des Expert_Forum Deradikalisierung, Prävention & Demokratiekultur der Stadt Wien. Im März 2019 ist das gemeinsam mit Nina Scholz verfasste Buch „Alles für Allah. Wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert“ im Molden Verlag erschienen.

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