Die Rolle der Trusted Flaggers

Wer ein wenig durch die asozialen Medien streift, wird in den letzten Monaten einer unübersehbaren Furcht vor sogenannten Trusted Flaggern begegnet sein. Ist diese Furcht etwa begründet? Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.


Bild von OlinEJ auf Pixabay

In der heutigen digitalen Welt, in der Informationen in Sekundenschnelle verbreitet werden, ist die Sicherheit und Integrität von Inhalten wichtiger denn je. Eine der innovativsten Lösungen, die in den letzten Jahren entwickelt wurden, um problematische Inhalte zu identifizieren und zu melden, ist das Konzept der „Trusted Flaggers“. Doch was genau sind Trusted Flaggers, und welche Rolle spielen sie in der Online-Community? Sind sie der Oberindianer von Zensoristan? Oder vielleicht doch eine sinnvolle Ergänzung zu staatlichen Behörden?

Wachhunde

Trusted Flaggers sind in der Regel Einzelpersonen oder Organisationen, die von Plattformen wie YouTube, Facebook oder Twitter als vertrauenswürdig eingestuft werden, um Inhalte zu melden, die gegen die Richtlinien der jeweiligen Plattform verstoßen. Diese Personen oder Gruppen haben oft eine nachgewiesene Expertise in bestimmten Themenbereichen, sei es im Bereich des Jugendschutzes, der Bekämpfung von Hassrede oder der Aufklärung über Desinformation. Ihre Aufgabe ist es, problematische Inhalte schneller und effizienter zu identifizieren, um die Sicherheit der Nutzer zu gewährleisten.

REspect!

Die Bundesnetzagentur hat am 1.10.2024 den ersten deutschen Trusted Flagger gemäß dem Digital Services Act (DSA) zugelassen. Die Meldestelle REspect! der Stiftung zur Förderung der Jugend in Baden-Württemberg mit Sitz in Sersheim bekam diese Zulassung. Die Meldestelle war die erste Organisation, die einen Zulassungsantrag bei dem Digital Services Coordinator (DSC) in der Bundesnetzagentur eingereicht hatte. Und seitdem geht, insbesondere in eher rechten Kreisen die Angst vor einer neuen Form der Zensur um.

Rechtsweg

Diese Angst ist unbegründet. Denn Trusted Flagger selbst können weder etwas sperren noch zensieren. Sie melden den Plattformanbietern lediglich mutmaßlich illegale Inhalte, illegalen Hass und illegale Falke News. Die Plattform selbst muss entscheiden, ob sie einen Inhalt löschen muss, weil er illegal ist. Und falls das dem Nutzer nicht passt, kann er immer noch dagegen klagen. Dann entscheiden die Gerichte. Da wir trotz mancher Unkenrufe in einem Rechtsstaat leben, ist der Rechtsweg durch Trusted Flagger keineswegs in irgendeiner Weise eingeschränkt.

Ein großer Vorteil von Trusted Flaggers ist dabei ihre Fähigkeit, kontextuelle Informationen bereitzustellen. Während ein automatisiertes System möglicherweise Schwierigkeiten hat, den Kontext eines Beitrags zu verstehen, können Trusted Flaggers die Nuancen und Hintergründe besser erfassen. Dies führt zu einer präziseren Bewertung von Inhalten und hilft Plattformen, fundierte Entscheidungen über die Moderation zu treffen.

Vertrauen

Die Zusammenarbeit mit Trusted Flaggers hätte eigentlich auch das Potenzial, das Vertrauen der Nutzer in soziale Medien zu stärken. Wenn Menschen wissen, dass es Experten gibt, die aktiv daran arbeiten, schädliche Inhalte zu identifizieren und zu melden, fühlen sie sich womöglich sicherer und geschützter in ihrer Online-Umgebung. Dies kann dazu beitragen, eine positivere und respektvollere Diskussionskultur zu fördern. Leider legen es bestimmte Kreise offenbar aber darauf an, die Trusted Flagger zu desavouieren – vielleicht, weil sie sich ihre Fakenews und ihre Hetze nicht nehmen lassen wollen.

Dennoch gibt es auch Herausforderungen. Die Auswahl und Schulung von Trusted Flaggers muss sorgfältig erfolgen, um sicherzustellen, dass sie objektiv und unvoreingenommen handeln. Und natürlich besteht die Gefahr, dass die Macht, Inhalte zu flaggen, missbraucht wird, was um drei Ecken tatsächlich zu einer indirekten Zensur führen könnte. Daher ist es wichtig, dass Plattformen transparente Richtlinien und Verfahren implementieren, um Missbrauch zu verhindern und die Integrität des Systems zu wahren.

Insgesamt sind Trusted Flaggers aber nichts, wovor man Angst haben müsste, sondern ein sinnvolles Instrument im Kampf gegen schädliche Inhalte im Internet.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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