Über Alles – Grundrechte gelten auch im Ausland
Das Bundesverfassungsgericht hat einige Kernregelungen des BND-Gesetzes für verfassungswidrig erklärt und nebenher noch ein paar wichtige Grundsatzfragen geklärt. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz
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Da hatten sich die Sicherheits“experten“ der Regierung mal wieder was ausgedacht. Da bei der geheimdienstlichen Aufklärung immer auf die davon betroffenen Grundrechte Acht gegeben werden muss, kamen sie auf die genial simple Idee, dass diese Grundrechte ja nur in Deutschland gelten würden und deshalb bei der Auslandsaufklärung keine Rolle spielen. Dass diese Idee dann doch einen Tick zu simpel und alles andere als genial war, hätten sie mit einem Blick in das Grundgesetz erkennen können. Aber wer guckt schon ins Grundgesetz, wenn er Gesetze macht? Denn da steht doch tatsächlich in Art. 1 Abs. 3 GG:
Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Da steht kein Wort davon, dass Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung nur auf deutschem Boden an die Grundrechte gebunden sind, nein da steht, dass sie gebunden sind. Punkt oder wie Larissa sagen würde, Bungt. Und das bedeutet, sie sind gebunden, ganz egal wo auf der Welt sie aktiv werden. So sagt das Gericht:
Art. 1 Abs. 3 GG begründet eine umfassende Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte des Grundgesetzes. Einschränkende Anforderungen, die die Grundrechtsbindung von einem territorialen Bezug zum Bundesgebiet oder der Ausübung spezifischer Hoheitsbefugnisse abhängig machen, lassen sich der Vorschrift nicht entnehmen. Das gilt jedenfalls für die Grundrechte als Abwehrrechte gegenüber Überwachungsmaßnahmen, wie sie hier in Frage stehen.
a) Nach Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Eine Beschränkung auf das Staatsgebiet enthält die Vorschrift nicht. Für das Handeln deutscher Staatsorgane im Ausland kann eine Ausnahme von der Grundrechtsgeltung auch nicht aus einem dahingehenden unausgesprochen konsentierten Grundverständnis bei Entstehung des Grundgesetzes hergeleitet werden (a.A. Hecker, in: Dietrich/Eiffler [Hrsg.], Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, III § 2 Rn. 46; Löffelmann, in: Dietrich/Eiffler [Hrsg.], Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, VI § 3 Rn. 15). Art. 1 Abs. 3 GG zielte insbesondere in Reaktion auf die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft vielmehr auf eine umfassende, in der Menschenwürde wurzelnde Grundrechtsbindung und war bereits 1949 in die Überzeugung eingebettet, dass die Bundesrepublik in der internationalen Staatengemeinschaft ihren Platz als rechtsstaatlicher Partner finden müsse (vgl. Dreier, in: ders., GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 1 Abs. 2 Rn. 3; ders., DVBl 1999, S. 667 <672 ff.>). Dies kommt schon in der Präambel sowie insbesondere in Art. 1 Abs. 2 GG und Art. 24 und 25 GG zum Ausdruck. Auch wenn die Grundrechtsbindung außerhalb des eigenen Staatsgebiets in den Beratungen zum Grundgesetz noch kein eigenes Thema war und insbesondere Überwachungsmaßnahmen gegenüber dem Ausland in den heute möglichen Formen jenseits der damaligen Vorstellungen lagen, lässt sich aus der Entstehungsgeschichte nicht ableiten, dass der Schutz der Grundrechte von vornherein an der Staatsgrenze enden sollte. Der Anspruch eines umfassenden, den Menschen in den Mittelpunkt stellenden Grundrechtsschutzes spricht vielmehr dafür, dass die Grundrechte immer dann schützen sollen, wenn der deutsche Staat handelt und damit potentiell Schutzbedarf auslösen kann – unabhängig davon, an welchem Ort und gegenüber wem.“
Abwehrrechte
Und damit das nicht nur eine schöne Absichtserklärung bleibt, stellt das Gericht ausdrücklich fest, dass sich aus dieser Grundrechtsbindung für den Staat auch Abwehrrechte für die Betroffenen ergeben, auch wenn sie Ausländer sind. Das kann auch bei anderen Grundsatzfragen noch spannend werden, z.B. bei Flüchtlingen.
Die Grundrechtsbindung der deutschen Staatsgewalt beschränkt sich dabei auch im Ausland nicht auf eine bloß objektivrechtliche Verpflichtung. Sie korrespondiert vielmehr mit einer Grundrechtsberechtigung derjenigen, die durch die jeweiligen Grundrechtsgarantien als geschützte Grundrechtsträger ausgewiesen sind. Eine Grundrechtsbindung zugunsten individueller Grundrechtsträger, der dann aber keinerlei subjektivrechtliche Entsprechung gegenübersteht, sieht das Grundgesetz nicht vor. Der Charakter als Individualrecht gehört zum zentralen Gehalt des grundgesetzlichen Grundrechtsschutzes.
Die Grundrechtsbindung der deutschen Staatsgewalt auch bei einem Handeln gegenüber Ausländern im Ausland entspricht zugleich der Einbindung der Bundesrepublik in die internationale Staatengemeinschaft.
Zwar gibt es im Grundgesetz einen Unterschied zwischen Menschen- und Deutschenrechte aber:
Das legt aber nicht nahe, auch die Menschenrechte auf innerstaatliche Sachverhalte oder auf staatliches Handeln im Inland zu begrenzen. Ein solches Verständnis findet auch im Wortlaut des Grundgesetzes keinen Anhaltspunkt.
Für einen Geheimdienst, der am liebsten alles tun würde, was er möchte und das am Liebsten ganz geheim, ist das natürlich misslich, insbesondere wenn die weltweite Konkurrenz sich mit so einem Firlefanz wie Grundrechten erst gar nicht aufhält. Aber der Reihe nach.
Die Zeiten ändern sich
Die Zeiten haben sich geändert. Terror und Kriminalität haben genauso den Weg in die Globalisierung angetreten wie die Wirtschaft. Die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik und ihrer Bürger sind auf andere Weise gefährdet als noch vor ein paar Jahrzehnten. „Das Böse ist immer und überall“ ist nicht mehr nur eine Liedzeile und Allgemeine Verunsicherung ist nicht mehr nur der Name einer Band, es ist die traurige Realität. Einige Merkwürden regieren die Welt und die organisierte Kriminaliät ist längst ein weltweit operierendes Geschäft, wie auch der internationale Terror. Und deshalb erkennt auch das Bundesverfassungsgericht die Auslandsaufklärung durch den BND durchaus für verfassungsgemäß an.
Die nachrichtendienstliche Auslandsaufklärung hat für die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland in der Außen- und Sicherheitspolitik seit jeher eine erhebliche, in jüngerer Zeit aber spezifisch gewachsene Bedeutung gewonnen. Im Zuge der Entwicklung der Informationstechnik und der Internationalisierung haben sich Bedeutung und Bedingungen der Auslandsfernmeldeaufklärung als eines zentralen Elements der nachrichtendienstlichen Auslandsaufklärung grundlegend geändert.
Im Zuge der heutigen Kommunikationsmöglichkeiten und damit verbunden der internationalisierten Handlungszusammenhänge haben sich potentiell aus dem Ausland drohende Gefahren vervielfältigt. Die Informationstechnik erlaubt, über Grenzen hinweg unmittelbar und ungehindert durch räumliche Distanzen miteinander zu kommunizieren und sich ohne Zeitverlust zu koordinieren. Hierdurch stellen sich neue Herausforderungen für die Erfassung politisch oder militärisch relevanter Kommunikation, die für die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung von erheblicher Bedeutung sein kann. Auch können internationale Aktivitäten heute für das Gemeinwesen insgesamt destabilisierende Wirkung entfalten, wie exemplarisch in Cyberangriffen, international organisierter Kriminalität wie etwa Menschenhandel oder Geldwäsche und internationalem Terrorismus sichtbar wird.
Das bedeutet aber nun nicht, dass der BND im Namen der Sicherheit wie die Axt im Walde frei und ungeregelt agieren kann, und es bedeutet eben auch nicht, dass die Befugnisse des BND in verfassungswidriger Weise ausgedehnt oder verfassungswidrige Praktiken im Nachhinein, nach dem Motto, das haben wir doch schon immer so gemacht, erlaubt werden dürfen.
Die unter veränderten Bedingungen zunehmende Bedeutung der Auslandsaufklärung geht im Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit mit neuen Herausforderungen nicht nur für die Wahrung der Sicherheit, sondern auch für die Wahrung der Freiheit einher, die rechtsstaatlich auf der Basis der Grundrechte ausbalanciert werden muss.
Ausbalancieren ist die Königsdisziplin des Verfassungsrechts. Die Relationen müssen immer stimmen, wenn in Freiheitsrechte eingegriffen wird. Das ist bei Coronamaßnahmen nicht anders als bei der geheimdienstlichen Auslandsaufklärung. Warum der Gesetzgeber da in schöner Regelmäßigkeit mit Schwung in die Kacke packt, ist schwer zu erklären. Vielleicht brauchen die Minister ja ein paar Stunden Verfassungskunde. Andererseits haben die ja durchaus Juristen in ihren Häusern, die so etwas vorab prüfen müssten. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.
Schon formal falsch
Das Bundesverfassungsgericht hat die entsprechenden Regelungen des BND-Gesetzes nun für verfassungswidrig erklärt. Etwas peinlich ist schon die Tatsache, dass die Vorschriften bereits aus formalen Gründen scheitern, weil der Gesetzgeber gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt.
Art. 19
(1) 1Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. 2Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
Ist jetzt auch nichts Neues und steht sogar ausdrücklich im GG. Wie kann man das übersehen oder übergehen? Das Gericht stellt dazu fest:
Der Verzicht auf die Beachtung des Zitiergebots lässt sich nicht damit begründen, dass die angegriffenen Vorschriften eine lange bestehende Verwaltungspraxis aufgreifen und nunmehr erstmals gesetzlich regeln. Hierfür lässt sich insbesondere nicht darauf verweisen, dass das Zitiergebot dann nicht greift, wenn das Gesetz geltende Grundrechtsbeschränkungen durch das bisherige Recht unverändert oder mit geringen Abweichungen wiederholt (vgl. dazu BVerfGE 35, 185 <188 f.>). Denn eine gesetzlose Verwaltungspraxis ist weder geltendes Recht noch geltende Grundrechtsbeschränkung und beruht – anders als Parlamentsgesetze, die das Zitiergebot beachten – nicht auf bereits getroffenen Wertungen des parlamentarischen Gesetzgebers. Auch die Warnfunktion des Zitiergebots wird durch eine bloße Verwaltungspraxis nicht ersetzt. Dies gilt zumal für die geheime Praxis eines Nachrichtendienstes.
Das bedeutet, dass die verletzten Grundgesetzartikel nicht deshalb nicht genannt werden mussten, weil die Grundrechte bereits zuvor, durch verfassungswidriges Verwaltungshandeln eh verletzt waren. Wer sich so eine schrille Begründung für den Verzicht auf das Zitiergebot ausgedacht hat, hat zumindest einen schrägen Humor oder eine gewisse Verachtung für die Verfassung.
Aber das Gesetz ist nun eben nicht „nur“ formal, sondern auch inhaltlich verfassungswidrig.
Aus der Geheimhaltungsbedürftigkeit der Auslandsaufklärung lässt sich jedoch nicht ableiten, dass über den Bundesnachrichtendienst überhaupt möglichst wenig bekannt werden dürfte und auch seine Rechtsgrundlagen möglichst weitgehend im Dunkeln bleiben müssten. Für die Handlungsgrundlagen und Grenzen der nachrichtendienstlichen Befugnisse kann es im demokratischen Rechtsstaat eine prinzipielle Geheimhaltung nicht geben. Ebenso wie der Gesamthaushalt und die Personalstärke der Nachrichtendienste vollständig durch das Parlament festgelegt und öffentlich verantwortet werden müssen (zur Kontrolle der Mittelbewirtschaftung im Einzelnen vgl. demgegenüber § 10a BHO), müssen auch ihre Befugnisse durch Gesetz normenklar und bestimmt vor der Öffentlichkeit geregelt werden und Verantwortlichkeiten klar zugeordnet sein. Mit der Grundrechtsbindung korrespondiert die parlamentarisch-demokratische Verantwortung für die Einschränkung der Grundrechte. Geheimhaltung gilt insoweit nur nach Maßgabe des öffentlichen Gesetzes. Sie ist auch für die Auslandsaufklärung kein Selbstzweck, sondern nur gerechtfertigt, wenn Art und Umfang der geheimhaltungsbedürftigen Tätigkeit des Dienstes in demokratisch-öffentlicher Weise legitimiert sind und die Geheimhaltung in den spezifischen Grenzen funktionaler Notwendigkeit verbleibt.
Das Erfordernis einer normenklaren und hinreichend bestimmten Fassung der gesetzlichen Befugnisse stellt dabei die Möglichkeit, sie in der Sache geheim handzuhaben, nicht in Frage. Da die Befugnisse nur abstrakt rechtliche Möglichkeiten schaffen, sagen sie nichts darüber aus, ob, wie, mit welcher Reichweite und welchem Erfolg von ihnen Gebrauch gemacht wird.
Das mag den Schlapphüten und den Sicherheitspolitikern in der Regierung nun nicht wirklich gefallen, es ist aber richtig und vor allem wichtig, dass ihnen mal jemand sagt, wo die rechtlichen Grenzen der klandestinen Tätigkeit von Geheimdiensten liegen.
Nun ist die strategische Telekommunikationsüberwachung nicht grundsätzlich Teufelszeug, denn sie dient ja einem legitimen Zweck und ist zu seiner Erreichung nach dem Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durchaus geeignet und auch erforderlich. Die strategische Überwachung soll der Bundesregierung Erkenntnisse über das Ausland verschaffen, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik sind. Sie soll dazu beitragen, frühzeitig Gefahren für das Land zu erkennen, die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik zu wahren und die Bundesregierung in außen- und sicherheitspolitischen Fragen mit Informationen zu versorgen. Insoweit alles gut.
Firma Huddel und Brassel
Aber nun kommt das große Aber:
Die bisherigen Vorschriften genügen weder dem Bestimmtheitsgrundsatz noch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es ist gesetzgeberischer Bockmist. Die vorgesehenen Kontrollmechanismen sind nicht ausreichend. Es fehlt an für die Datenerhebung und -verarbeitung im Rahmen von Kooperationen hinreichend normenklaren Regelungen zur Aussonderung der Telekommunikationsdaten von Deutschen und Inländern. Außerdem werden kooperative Überwachungsmaßnahmen nicht auf gesetzlich hinreichend bestimmte und gewichtige Zwecke begrenzt. Entsprechend wird die Kooperation nicht auf jeweils maßnahmebezogen zu konkretisierende Erkenntnisziele hin verpflichtet und durch sie strukturiert.
Die Vorschriften sind auch insoweit, als sie zu Überwachungsmaßnahmen gegenüber Journalisten ermächtigen und damit Eingriffe in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG begründen, mit der Verfassung unvereinbar, da sie den spezifischen Schutzbedürfnissen unabhängiger ausländischer Journalisten nicht angemessen Rechnung tragen. Rumms. Das Gesetz wurde wie so oft schon unsauber hingehuddelt und das obwohl es im Vorfeld bereits heftige Kritik an exakt den nun als entscheidungserheblich erkannten Punkten gab.
Übergangsfrist
Und das sind nur ein paar der Klopse, die sich der Gesetzgeber mal wieder geleistet hat. Das Gericht gibt dem Gesetzgeber in seinem 332 Randnummern umfassenden Urteil vom 19.5.2020 Gelegenheit, das Gesetz bis zum 31.12.2021 zu korrigieren. Es gibt seitenweise ganz konkrete Hinweise, wie das Gesetz nun zu bearbeiten sein wird. Es macht aber auch überhaupt keinen Hehl daraus, dass das Gesetz verfassungswidrig ist und damit „eigentlich“ nichtig wäre.
Die beanstandeten Befugnisse können für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und als Handlungsgrundlage der Bundesregierung je nach politischer Situation, insbesondere bei Berücksichtigung der potentiellen Dynamik bedrohlicher Entwicklungen unter den Bedingungen der Informationstechnik, auch kurzfristig große Bedeutung gewinnen. Durch eine Nichtigerklärung oder eine vorläufige Außerkraftsetzung würden damit erhebliche Risiken eingegangen. Auch würde eine unvermittelte Aussetzung der Möglichkeit der Zusammenarbeit mit anderen Diensten das Vertrauen in eine verlässliche Zusammenarbeit möglicherweise langfristig beschädigen. Zu berücksichtigen ist umgekehrt, dass die beanstandeten Befugnisse ihrer Grundstruktur nach in verfassungsrechtlich tragfähiger Weise ausgestaltet werden können und damit nachbesserungsfähig sind. Es handelt sich zwar um grundlegende Nachbesserungen, da eine Neufassung solche Maßnahmen erstmals im Lichte des Art. 10 Abs. 1 GG regeln und damit in neuartiger Weise rechtsstaatliche Grenzen und Kontrollen schaffen muss. Angesichts der großen Bedeutung, die der Gesetzgeber der Auslandsaufklärung beimessen darf, ist eine vorübergehende Fortgeltung der verfassungswidrigen Vorschriften dennoch eher hinzunehmen als deren Beseitigung bis zu einer Neuregelung, mit der absehbar zu rechnen ist.
Der Gesetzgeber hat eine Neuregelung bis spätestens zum 31. Dezember 2021 zu schaffen. Die Fortgeltungsanordnung ist auf diesen Zeitpunkt befristet. Danach ist Schicht im Schacht.
Damals waren federführend Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), Innenminister Thomas de Maizière (CDU), Justizminister Heiko Maas (SPD) und zumindest letzterer hätte es besser wissen und das Gesetz verhindern müssen. Hat er aber – wie in einigen anderen Fällen auch – nicht gemacht, wohl weil er da nicht den nötigen Rückhalt hatte, auch mal „nicht mit mir“ sagen zu können. Es gab halt immer wieder Phasen, wo die Koalition wichtiger zu sein schien als korrekte Gesetze. Nun bin ich gespannt, ob die Groko das Gesetz innerhalb der gesetzten Frist noch reparieren kann. Ernsthafte Zweifel seien mir erlaubt.
P.S.: Ich empfehle allen Interessierten die vollständige Lektüre des Urteils, da hier nur ein Teil der Probleme und Überlegungen angesprochen werden konnten, um den Rahmen einer Kolumne nicht zu sprengen. Wer auch immer meint, er müsse sich Sorgen um seine Grundrechte machen, sieht hier, dass der Rechtsstaat funktioniert und insbesondere das Bundesverfassungsgericht in der Lage ist, die Grundrechte zu verteidigen, wann immer es nötig ist. Dazu muss niemand ohne Maske auf die Straße gehen.