Neuwahl? Och nö.

Markus Söder fordert Neuwahlen. Aber geht das überhaupt? Eine Kolumne von Heinrich Schmitz


Bild von Josef A. Preiselbauer auf Pixabay

Markus Söder, Ministerpräsident Bayerns von Tornister-Hubsis Gnaden, fordert Neuwahlen im Bund. Die Ampel-Regierung soll die Vertrauensfrage stellen, „nicht im Parlament, sondern vor dem deutschen Volk“, meint der Volljurist Söder. Und da kann ich nur staunen.

Der Mann hat sein erstes Staatsexamen zwar nicht mit Bravour, aber immerhin mit 7,41 Punkten bestanden, was einem schwachen Befriedigend entspricht. Er müsste also irgendwann in seinem Leben einmal das Grundgesetz gesehen haben. Und wenn er es verstanden hat, dann weiß er genau, dass seine Forderung nach Neuwahlen nichts als populistisches Getöse ist. Einfach mal so Neuwahlen ansetzen, wenn die Meinungsumfragen gerade eine bestimmte Partei vorne sehen, ist im GG nicht vorgesehen. Und das hat gute Gründe.

Die Weimarer Reichsverfassung machte Neuwahlen etwas leichter. Da konnte der Reichspräsident den Reichstag einfach so auflösen und es kam zu Neuwahlen. Letztlich war das der Weg für Hitlers Machtergreifung. Und um dieser Gefahr etwas entgegenzusetzen, sahen die Mütter und Väter des Grundgesetzes es vor, Neuwahlen nicht zu leicht zu machen.

Es gibt exakt zwei Wege, die amtierende Regierung loszuwerden.

Misstrauensvotum

Der erste wäre ein konstruktives Misstrauensvotum.

Art 67
(1) Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Mißtrauen nur dadurch aussprechen, daß er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt und den Bundespräsidenten ersucht, den Bundeskanzler zu entlassen. Der Bundespräsident muß dem Ersuchen entsprechen und den Gewählten ernennen.
(2) Zwischen dem Antrage und der Wahl müssen achtundvierzig Stunden liegen.

Da müsste der Bundestag einen neuen Kanzler oder eine neue Kanzlerin wählen. Das dürfte angesichts der aktuellen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag nicht gelingen, nicht einmal, wenn man die Dreckigkeit besitzen würde, aus purer Machtgeilheit auf die Stimmen der AfD zu setzen.

Ein Blick auf die Sitzverteilung genügt, um das als realistische Option auszuschließen.

SPD 207
CDU/CSU 197
Bündnis 90/Die Grünen 118
FDP 92
AfD 78
Die Linke 38
fraktionslos 6

Vertrauensfrage

Der zweite denkbare Weg wäre der, dass der Bundeskanzler die Vertrauensfrage stellt, diese verliert und dann den Bundespräsidenten bittet, den Bundestag aufzulösen.

Art 68
(1) Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen. Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt.
(2) Zwischen dem Antrage und der Abstimmung müssen achtundvierzig Stunden liegen.

Es ist allerdings höchst unwahrscheinlich, dass der Bundeskanzler dies tun wird. Verfügt er doch über eine breite Mehrheit im Parlament. Und selbst wenn er es in einem Anfall von Wahnsinn täte, wären die Ampelparteien mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie ihm tatsächlich ihr Misstrauen aussprechen würden. Selbst die Partei des Bundesbenzinministers würde dies trotz aller Differenzen innerhalb der Ampel wohl nicht tun, bestünde doch das Risiko, dass sie dann im nächsten Bundestag nicht mehr vertreten wäre. Selbst die Linke könnte geneigt sein, für Scholz zu stimmen, da sie ansonsten wohl in der vorübergehenden Bedeutungslosigkeit versinken würde.

Populismus

Der einzige Sinn, den Söders Neuwahlszenario ergibt, ist der, sich dem Wahlvolk populistisch anzubiedern. Kann man als Opposition natürlich machen. Besonders staatstragend ist eine derartige Oppositionspolitik allerdings nicht. Und dass die Anhänger der AfD den Vorschlag ganz toll finden, ist kein Wunder angesichts derer aktueller Umfragerekorde. Wäre schon blöde, wenn nach schnellen Söder-Neuwahlen nur noch eine Regierung aus Schwarzen und Blauen möglich wäre. Soll Merz dann den von Papen machen, oder was stellt Söder sich vor?

Nein, ich halte Söder nicht für doof. Das will er nicht. Aber selbst wenn er es wollte, ist doch beruhigend, dass die Verfassung einen solchen Wahnsinn nicht so einfach ermöglicht.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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