Cannabisgesetzentwurf für die Tonne?

Die Regierungskoalition hat einen Gesetzentwurf zum Umgang mit Cannabis beschlossen. Von einer Legalisierung ist das aber noch weit entfernt. Und auch sonst ist es nicht der Burner. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.


Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

Es ist ja immer schon mal eine Überraschung, wenn die Ampel überhaupt einmal in einem Punkt einig ist und sich nicht in elendem parteipolitischem Hickhack verstrickt. Nun ist er also da, der Gesetzentwurf.

Grundsätzlich bleibt es bei dem bisherigen Verbot von Besitz, Abgabe, Anbau, Handel usw. von Cannabis und Cannabisprodukten. So weit, so schlecht.  Allerdings werden immerhin bestimmte Sachverhalte von der Strafbarkeit ausgenommen.

Umweltschutz

So wird Erwachsenen der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen zum Eigenkonsum sowie der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau zum Eigenkonsum in Anbauvereinigungen bzw. Genossenschaften erlaubt. Das ist ja schon mal schön. Bei rund 4,5 Millionen Menschen, die nach dem epidemiologischen Suchtsurvey von 2021 in den letzten 12 Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert haben, dürften demnächst also rund 13,5 Millionen neue schöne Pflanzen in Deutschland wachsen und gedeihen. Da Cannabis-Pflanzen wesentlich mehr CO₂ aus der Luft holen können als Bäume und auch noch weniger Wasser brauchen, dürfte dieser legale Anbau aus Gründen des Klimaschutzes eine sinnvolle Sache sein.

Wenn es in der Begründung des Gesetzes heißt:

Der Konsum von Cannabis, das vom Schwarzmarkt bezogen wird, ist häufig mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden, da der Tetrahydrocanabinol-Gehalt unbekannt ist und giftige Beimengungen, Verunreinigungen sowie synthetische Cannabinoide enthalten sein können, deren Wirkstärke von den Konsumentinnen und Konsumenten nicht abgeschätzt werden kann.

dann mag zwar beim Eigenanbau das Risiko giftiger Beimengungen einschließlich synthetischer Cannabinoide geringer werden, wird aber die Beantwortung der Frage des Wirkstoffgehalts nicht ganz so einfach sein. Aber egal. Die Pflanzen sehen ja auch unabhängig vom THC-Gehalt recht gut aus. Wenn ich das richtig verstehe, dann darf ein Haushalt mit vier Erwachsenen jetzt eine kleine Plantage mit immerhin 12 Pflanzen halten. Da kommt schon schön was zusammen. Nach Angaben des Innenministeriums ist von 20 bis 30 Gramm pro Pflanze die Rede. Das halte ich allerdings für ein Gerücht. In einschlägigen Blogs geht man davon aus, dass pro Pflanze über 500 Gramm Ernte möglich seien. Das deckt sich auch mit meinen Erkenntnissen aus diversen BtM-Verfahren. Da kommt man also locker auf nicht geringe Mengen, die die erlaubten 25g überschreiten. Ob die 25g Grenze auch für den Eigenanbau gilt, steht leider nicht im Entwurf. Kann ja eigentlich nicht sein.  Wie und wer nun kontrollieren soll, ob das Kilo Gras das zu Hause lagert, aus eigener Scholle oder doch vom Schwarzmarkt stammt, man weiß es nicht.

Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis ist künftig straffrei.

Vom Verbot nach Absatz 1 ausgenommen sind für Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben,
1. der Besitz von Cannabis nach § 3,
2. der private Eigenanbau von Cannabis nach § 9 und
3. der gemeinschaftliche Eigenanbau, die Weitergabe und Entgegennahme von Cannabis in Anbauvereinigungen nach den §§ 11 bis 23, 25, 26 und 29..

Satz 1 gilt nicht in militärischen Bereichen der Bundeswehr.

In militärischen Bereichen der Bundeswehr darf Cannabis also weder besessen noch angebaut werden. In anderen Behörden offenbar schon oder wie soll man das verstehen? Keine Ahnung.

Anbaugemeinschaften

Lustig sind auch die Regeln für die Anbaugemeinschaften. Nicht-gewerbliche Anbauvereinigungen dürfen nur mit behördlicher Erlaubnis Konsumcannabis gemeinschaftlich unter aktiver Mitwirkung der Mitglieder anbauen und zum Eigenkonsum an Mitglieder weitergeben. Enge gesetzliche Rahmenbedingungen müssen eingehalten werden. Hach, eine landwirtschaftliche Produktionsgemeinschaft wie in alten DDR-Zeiten, wobei ich nicht weiß, ob da wirklich jeder aktiv mitwirken musste. Was mag damit gemeint sein? Jeder von den 500 kommt ins Gewächshaus und gießt, erntet oder portioniert? Warum reichen nicht 3 Gärtner, eine automatische Bewässerungs-KI und 497 glückliche Abnehmer? Ein Genie, wer den Sinn dieser Regelung erkennt.

500

Anbauvereinigungen dürfen max. 500 Mitglieder haben; Mitglieder müssen erwachsen sein und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland haben. Es dürfte also nicht zulässig sein, einen niederländischen Fachmann in den Club of Weed aufzunehmen. Weil? Ja, keine Ahnung. Warum 500 und nicht 400 oder 600, wer weiß das schon? Ist ja auch egal.

Denn wer soll eigentlich die Einhaltung dieser tollen Bürokratenregeln überwachen? Muss jetzt eine Überwachungsbehörde für Haschischanbaukolchosen gegründet werden? Oder sollen das die örtlichen Ordnungsbehörden so nebenbei erledigen? Die werden sich aber bedanken.

Und das ist ja noch nicht alles, denn es gibt eine Begrenzung der Weitergabe von Konsumcannabis aus Anbauvereinigungen: Weitergabe nur an Mitglieder, verbunden mit einer strikten Pflicht zur Überprüfung der Mitgliedschaft und des Alters – max. 25 Gramm pro Tag / 50 Gramm pro Monat. Da die Mitglieder nun ohnehin Erwachsene sein müssen, stellt sich die Frage, warum bei Mitgliedern jedesmal das Alter überprüft werden soll. Sieht denn die Ampel die Gefahr, dass Erwachsene durch den Konsum von Cannabis wieder zu Jugendlichen oder gar Kindern werden? Wenn Ihr nicht werdet wie die Kinder, der Satz hat mich schon immer fasziniert.

Kinder, Kinder

Ach ja, die Kinder.

Es gibt ein Konsumverbot von Cannabis in einer Schutzzone von 200 Metern Abstand zum Eingangsbereich von Anbauvereinigungen, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen sowie in öffentlich zugänglichen Sportstätten. Während ich das mit den Schulen und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen ja noch halbwegs nachvollziehen kann – der Konsum von anderen Drogen wird nicht erfasst und ist ja eh nicht verboten – weiß ich nicht so recht, warum das Mitglied des Anbauvereins erst 200 Meter weit laufen soll, bevor er sein Zeug inhaliert.

Kiffer, gehst Du in eine Stadt, besorge Dir eine Karte in der alle genannten Einrichtung verzeichnet sind. Vielleicht programmiere ich eine Kifferabstandsapp, die jeweils anzeigt, wie weit man von der nächsten geschützen Einrichtung entfernt ist.

Das nächste Problem ist, dass ja bisher der Konsum von Betäubungsmitteln im Gegensatz zum Besitz, Handel, Abgabe usw. noch nie strafbar war. Nun macht sich aber wegen des Konsums strafbar, wer 199 Meter vor einer Schule raucht, nicht aber, wenn er 101cm weiter steht. Das wird ein Spaß werden, wenn die Schmier mit den Abstandsmessern durch die Städte zieht.

Der Gesetzentwurf ist ein ziemlich unausgegorener Versuch, einen Fuß in die Tür der lange überfälligen Legalisierung von Cannabis zu bekommen. Mag sein, dass aufgrund von EU-Vorgaben im Moment nicht viel mehr drin ist.

Die von einer Legalisierung erwartete Entlastung von Polizei und Justiz wird sich mit diesem Trallala-Gesetz aber gerade nicht bewirken lassen. Vielmehr muss jetzt der ganze Anbauvereinskram und der Abstandszirkus mühsam personalintensiv überwacht werden.

Dass es mehr Suchtprävention geben muss, insbesondere auch in den Schulen, ist eine Binsenweisheit. Aber dann muss man eben auch entsprechend geschulte Kräfte regelmäßig in allen weiterführenden Schulen haben und nicht nur einmal im Jahr eine Projektstunde. Die beste Prävention an den Schulen wären schon einmal genügend Lehrkräfte, kleinere Klassen und verpflichtende SchulpsychologInnen und SozialarbeiterInnen.

Was bleibt? Die Ampel hat wenigstens mal einen gemeinsamen, wenn auch sehr unperfekten, Gesetzentwurf hinbekommen. Aber das ist ja zur Zeit auch schon eine Nachricht.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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