Fröhlich im Knast – über den Bewährungswiderruf

Der frühere DSDS-Teilnehmer Menowin Fröhlich wurde aus einer Therapie in die JVA Darmstadt gebracht. Grund ist ein Bewährungswiderruf. Aber was ist das eigentlich? Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.


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Ich wurde von Christian Unger auf einen Artikel bei n-tv aufmerksam gemacht und gebeten, doch mal was zum Thema Bewährung zu schreiben. Wenn BILD und ähnliche qualitätsarme Blätter über Strafverfahren berichten, darf man nicht erwarten, dass das, was man da liest, so auch richtig ist. Das liegt vermutlich daran, dass die jeweiligen Redakteure keine vertieften strafrechtlichen und strafprozessrechtlichen Kenntnisse haben und die dort angestellten Juristen sich um andere Dinge kümmern müssen. Bei n-tv hätte ich da allerdings etwas  mehr erwartet. Aber egal. Über Bewährung hatte ich zwar schon im letzten Jahr geschrieben, allerdings bisher noch nicht explizit über den Bewährungswiderruf.

Fröhlich

Den ereilte nun Menowin Fröhlich. Keine Sorge, den müssen Sie nicht zwingend kennen. Er war in grauer Vorzeit einmal Zweiter bei „Deutschland sucht den Superstar“ geworden, einer Sendung, die ich, obwohl bekennender Trashfan, nach der ersten Staffel tunlichst gemieden habe. Sein Fall dient hier auch nur als Aufhänger, um das Problem des Bewährungswiderrufs zu erläutern.

Bekanntlich können Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Voraussetzung ist eine positive Sozialprognose. Das bedeutet, dass das Gericht der Überzeugung oder zumindest der begründeten Hoffnung sein muss, dass der Verurteilte sich die Verurteilung zu Herzen nimmt und künftig keine Straftaten mehr begehen wird.

Da wird dann eine bestimmte Bewährungszeit festgelegt, und wenn der Verurteilte es schafft, in dieser Zeit keine weiteren Straftaten zu begehen, dann wird nach Ablauf der Zeit die Strafe erlassen. Bei Ersttätern ist das recht häufig so, wenn das Delikt es zulässt. Der Verurteilte bekommt also eine Chance.

Auflagen und Weisungen

Flankiert wird das Ganze in der Regel mit sogenannten Bewährungsauflagen und Weisungen. .
Das können Geldauflagen, Arbeitsauflagen, Auflagen zur Internetnutzung, Wiedergutmachung eines Schadens und vieles mehr sein. Regelmäßig wird der/die Verurteilte noch einem Bewährungshelfer oder einer Bewährungshelferin unterstellt, die zum einen die Einhaltung der Auflagen überwachen, zum anderen aber auch dem Verurteilten bei der Lebensführung helfen.

§ 56b
Auflagen

(1) 1Das Gericht kann dem Verurteilten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. 2Dabei dürfen an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(2) 1Das Gericht kann dem Verurteilten auferlegen,
1. nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen,
2. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen, wenn dies im Hinblick auf die Tat und die Persönlichkeit des Täters angebracht ist,
3. sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen oder
4. einen Geldbetrag zugunsten der Staatskasse zu zahlen.

2Eine Auflage nach Satz 1 Nr. 2 bis 4 soll das Gericht nur erteilen, soweit die Erfüllung der Auflage einer Wiedergutmachung des Schadens nicht entgegensteht.

(3) Erbietet sich der Verurteilte zu angemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht das Gericht in der Regel von Auflagen vorläufig ab, wenn die Erfüllung des Anerbietens zu erwarten ist.

§ 56c
Weisungen

(1) 1Das Gericht erteilt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen. 2 Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(2) Das Gericht kann den Verurteilten namentlich anweisen,
1. Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit oder auf die Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen,
2. sich zu bestimmten Zeiten bei Gericht oder einer anderen Stelle zu melden,
3. zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4. bestimmte Gegenstände, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen oder
5. Unterhaltspflichten nachzukommen.

(3) Die Weisung,
1. sich einer Heilbehandlung, die mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist, oder einer Entziehungskur zu unterziehen oder
2. in einem geeigneten Heim oder einer geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen,

darf nur mit Einwilligung des Verurteilten erteilt werden.

(4) Macht der Verurteilte entsprechende Zusagen für seine künftige Lebensführung, so sieht das Gericht in der Regel von Weisungen vorläufig ab, wenn die Einhaltung der Zusagen zu erwarten ist.

Och, alles gut

Wenn der unter Bewährung Stehende nun meint, och, ist ja alles gut gegangen und ich verlasse das Gericht als freier Mann, und sich dann nicht an die Auflagen und Weisungen hält oder gar eine neue, womöglich einschlägige Straftat begeht, dann hat das natürlich Konsequenzen.

Das muss allerdings zunächst nicht immer gleich ein Bewährungswiderruf sein.

§ 56f
Widerruf der Strafaussetzung

(1) 1Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person
1. in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,
2. gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß sie erneut Straftaten begehen wird, oder
3. gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.

2Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn die Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft oder bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung in einem einbezogenen Urteil und der Rechtskraft der Entscheidung über die Gesamtstrafe begangen worden ist.

(2) 1Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,
1. weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder
2. die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern.

2In den Fällen der Nummer 2 darf die Bewährungszeit nicht um mehr als die Hälfte der zunächst bestimmten Bewährungszeit verlängert werden.

(3) 1Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. 2Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder entsprechenden Anerbieten nach § 56b Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen.

Wenn nun also jemand, der wie Herr Fröhlich für das Fahren ohne Führerschein 2016 zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde, 2019 – während der laufenden Bewährungszeit – erneut ohne Lappen, stattdessen aber mit 1,13 Promille Alkohol im Blut fährt und dabei einen schweren Unfall baut, dann darf er nicht allzu erstaunt sein, wenn die Staatsanwaltschaft einen Bewährungswiderruf beantragt und das Gericht diesem Antrag auch entspricht. Irgendwann ist ja auch mal Schluss mit lustig.

Sinnhaftigkeit

Jetzt ist ja völlig richtig, wenn Fröhlichs Verteidiger und nach eigenen Worten auch sein Freund, der Rechtsanwalt André Miegel, die Sinnhaftigkeit des Bewährungswiderrufs zum jetzigen Zeitpunkt anzweifelt. Fröhlich machte gerade eine Drogentherapie und befand sich in einer entsprechenden Einrichtung. Eigentlich die beste Prävention, die man sich wünschen kann. Nun sitzt er erst mal im Knast, natürlich ohne Therapie. Dass man im Gefängnis ein besserer Mensch wird, glauben auch nur Menschen, die nicht wissen, dass die Rückfallquote bei Menschen, die ihre Resozialisierung im Gefängnis finden sollen, bei rund 50 % liegt. Knast ist demnach nur für jeden Zweiten ein Schubs auf den richtigen Weg. Die anderen profitieren nicht davon. Und die Gesellschaft demnach auch nicht.

Andererseits kann das Aufeinanderstapeln von Bewährungsstrafen natürlich bei bestimmten Menschen den Eindruck hinterlassen, sie kämen immer wieder glimpflich aus jeder Straftat heraus. Denen muss der Staat natürlich auch mal zeigen, dass sie im Irrtum sind. Es ist ja nicht so, dass Fröhlich ein unbeschriebenes Blatt wäre oder dass er nicht wüsste, was bei einer erneuten Straftat mit seiner Bewährung passieren wird.

„Fröhlich wurde im Dezember 2005 wegen gefährlicher Körperverletzung[19] und Betrugs[20] zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, [21] worüber er in Interviews berichtete.[22] Die offene Bewährung einer Reststrafe von 313 Tagen wurde am 23. Juli 2010 vom Amtsgericht Darmstadt wegen Verstoß gegen die Bewährungsauflagen widerrufen.[23] Da Fröhlich die Strafe nicht wie gefordert bis zum 15. Februar 2011 freiwillig antrat, wurde ein Vollstreckungshaftbefehl erlassen und Fröhlich am darauffolgenden Tag in Dortmund-Wellinghofen festgenommen und in die Justizvollzugsanstalt verbracht.[24]

Am 17. Mai 2011 wurde Fröhlich wegen Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.[25] Ein Antrag auf vorzeitige Entlassung aus der Haft wurde am 30. August 2011 abgewiesen.[26] Am 20. Dezember 2011 wurde er aus der Haft entlassen.[27]

Im Jahr 2018 verurteilte das Amtsgericht Heidelberg Fröhlich zu einem Jahr Haft auf Bewährung wegen Fahrens unter Drogeneinfluss.[28] Im Mai 2019 wurde Fröhlich wegen Fahrens ohne Führerschein und unter Alkoholeinfluss abermals zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt.[29] Das Landgericht Darmstadt verurteilte im März 2022 Menowin Fröhlich zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten ohne Bewährung und hob somit das Urteil von Mai 2019 auf.[30] Quelle: Wikipedia

Nach der Chance

Nun ist mit dem Bewährungswiderruf noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht, denn – Sie erinnern sich, wir leben in einem Rechtsstaat – dagegen ist noch das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben, die Fröhlichs Anwalt sicherlich innerhalb der zweiwöchigen Frist eingelegt haben wird. Vielleicht ist die erfolgreich, nach dem Motto, nach der Chance ist vor der Chance. Dann könnte Fröhlich seine Therapie fortsetzen und eventuell dieses Mal die Kurve noch bekommen. Kann aber auch gut sein, dass das Gericht ihm nun einmal erklärt, dass irgendwann Schluß mit lustig ist.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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