Lobbyregistergesetz – Ach was

Am vergangenen Donnerstag verabschiedete der Bundestag das Lobbyregistergesetz. Ein großer Wurf? Kolumne von Heinrich Schmitz


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Der Austausch von Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern im Bereich des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung mit Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern ist wichtiger Bestandteil des demokratischen Meinungsbildungsprozesses. Mit den vorliegenden Gesetzentwürfen und Anträgen soll in unterschiedlichen Ausgestaltungen darauf hingewirkt werden, Einflüsse auf die Arbeit von Mitgliedern und Fraktionen des Deutschen Bundestages sowie der Bundesregierung transparenter zu gestalten.

So steht es über dem Gesetzentwurf. Ach ja, Austausch ist was Feines. Die einen tauschen Meinungen aus, die anderen Überzeugungen, wieder andere Körperflüssigkeiten und manche eben Geld für Unterstützung, Beratung oder was auch immer. Dass einige Abgeordnete nicht abgeneigt sind, gegen entsprechende Entlohnung oder auch gegen die Aussicht, später einmal einen lukrativen Posten in der Wirtschaft zu erhalten, die Überzeugungen von Firmen, Verbänden oder auch einzelnen Gönnern, gegen die eigenen oder auch die des Volkes auszutauschen, wird ja immer wieder behauptet. Und wenn es tatsächlich einmal festgestellt wird, dann regen sich zwar schnell alle mal auf, aber dann merkt man auch, dass das Verhalten zwar unanständig, aber nicht verboten war. Da gibt man sich kurz reuig, verschwindet eine Weile von der Bildfläche und genießt die Früchte des verbotenen Baumes.

Transparenz

Wenn man dagegen schon kaum etwas machen kann und eingedenk der Tatsache, dass Lobbyismus nicht per se etwas Schlechtes sein muss, wünschen sich viele Bürger deshalb schon seit vielen Jahren eine größere Transparenz. Ich wüsste gerne, ob ein neues Arzneimittelgesetz in der Rechtsanwaltskanzlei eines Pharmakonzerns entwickelt wurde, oder in einem Ministerium von einem Mitarbeiter, der regelmäßigen Besuch von beratenden Lobbyisten erhält.

Problem ist natürlich, wie auch schon bei der Abgeordnetenbesoldung, dass es etwas misslich ist, wenn genau diejenigen entscheiden, die durch ein solches Gesetz reglementiert werden sollen und denen womöglich ein kleiner aber feiner Nebenverdienst durch die Lappen gehen könnte oder aber auch nur diejenigen, die es nicht so gerne haben, wenn Hinz und Kunz erfahren, dass sie eben nicht nur die Interessen des deutschen Volkes, für das sie gewählt wurden, vertreten, sondern auch ganz andere und nicht zuletzt ganz eigene. Wenn Wölfe über Schutzbestimmungen für Schafe abstimmen würden, wäre das ähnlich objektiv getragen.

Es ist also kein Wunder, dass es Ewigkeiten gedauert hat, bis unter der Wirkung von Amthor- und Maskenaffären nun immerhin schon mal ein Lobbyregistergesetz verabschiedet wurde. Transparenz, Transparenz hieß das Lied, das da gesungen wurde. Ein helles Licht in einem finsteren Stadion voller Vermutungen und Mutmaßungen darüber, wer für wen und für was lobbyiert, sollte erstrahlen und uns die Erleuchtung bringen. Glauben Sie selber nicht, oder? Und ja, es ist schön, dass man jetzt mal zumindest ein Gesetzlein verabschiedet hat, das eher wie ein dezentes Nachtlicht im Kinderzimmer wirkt, aber weit von einer das Stadion ins Taghelle erleuchtenden Flutlichtanlage entfernt ist.

Und dann geht es los mit § 1:

„§ 1

Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt für die Interessenvertretung gegenüber den Organen, Mitgliedern, Fraktionen oder Gruppen des Deutschen Bundestages und für die Interessenvertretung gegenüber der Bundesregierung.

(2) Die Regelungen für die Bundesregierung gelten ebenfalls für die Parlamentarischen Staatssekretärinnen und Parlamentarischen Staatssekretäre, die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, die Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter sowie die Unterabteilungsleiterinnen und Unterabteilungsleiter.

(3) Interessenvertretung ist jede Kontaktaufnahme zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf den Willensbildungs- oder Entscheidungsprozess der Organe, Mitglieder, Fraktionen oder Gruppen des Deutschen Bundestages oder zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf den Willensbildungs- oder Entscheidungsprozess der Bundesregierung.

(4) Interessenvertreterinnen oder Interessenvertreter sind alle natürlichen oder juristischen Personen, Personengesellschaften oder sonstigen Organisationen, auch in Form von Netzwerken, Plattformen oder anderen Formen kollektiver Tätigkeiten, die Interessenvertretung nach Absatz 3 selbst betreiben oder in Auftrag geben.

Wie Sie sehen, geht das Gesetz lediglich runter bis zu den Unterabteilungsleitern. Alles, was darunter kreucht und fleucht in einem Ministerium, kann mal also weiter beeinflussen, ohne dass ein Hahn danach krähen würde. Und nun glauben Sie bitte nicht, dass auf den unteren Ebenen nicht genügend Manipulationspotenzial hocken würde.

Aber schauen wir mal weiter in § 2:

§ 2

Registrierungspflicht

(1) Interessenvertreterinnen oder Interessenvertreter nach § 1 Absatz 4 müssen die Angaben nach § 3 Absatz 1 in einem öffentlichen Verzeichnis (Lobbyregister) gemäß Satz 2 eintragen, wenn

1. die Interessenvertretung regelmäßig betrieben wird, Vorabfassung – wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.

2. die Interessenvertretung auf Dauer angelegt ist,

3. die Interessenvertretung geschäftsmäßig für Dritte betrieben wird oder

4. innerhalb der jeweils letzten drei Monate mehr als 50 unterschiedliche Interessenvertretungskontakte aufgenommen wurden.

Die Eintragung ist unverzüglich vorzunehmen, sobald eine der in Satz 1 genannten Voraussetzungen vorliegt.

Man kann also munter lobbyieren, wenn man es geschickt genug anstellt und das Ganze als einmaliges oder zweimaliges Interessenvertreten aussehen lässt. Dass jemand so blöde ist, mit innerhalb der jeweils letzten drei Monate mehr als 50 unterschiedlichen Interessenvertretungskontakten aufzufallen, ist unwahrscheinlich. Da macht man halt nach 49 mal einen ausgedehnten Urlaub, den man sich dann vermutlich auch locker leisten kann. Und falls man doch mal ertappt wird, droht ein Bußgeld von bis zu 50. 000€. Das wird wohl kaum jemanden abhalten, sich eine Million in die Tasche zu stecken.

Und jetzt mal bitte kurz festhalten. Es wird noch besser. Denn nun kommen die Ausnahmen, von den eh nicht besonders weitgehenden Eintragungspflichten:

(2) Interessenvertreterinnen oder Interessenvertreter nach Absatz 1 müssen sich bei Interessenvertretung gegenüber den Organen, Mitgliedern, Fraktionen oder Gruppen des Deutschen Bundestages nicht eintragen, wenn und soweit sie

1. natürliche Personen sind, die mit ihrer Eingabe ausschließlich persönliche Interessen formulieren, unabhängig davon, ob es sich zugleich um unternehmerische oder sonstige Interessen handelt,

2. Anliegen von ausschließlich lokalem Charakter geltend machen, soweit nicht mehr als zwei Wahlkreise unmittelbar betroffen sind,

3. eine Petition nach Artikel 17 des Grundgesetzes einreichen,

4. an öffentlichen Anhörungen der Ausschüsse, öffentlichen Kongressen oder anderen öffentlichen Veranstaltungen der Organe, Mitglieder, Fraktionen oder Gruppen des Deutschen Bundestages teilnehmen,

5. direkten und individuellen Ersuchen der Organe, Mitglieder, Fraktionen oder Gruppen des Deutschen Bundestages um Sachinformationen, Daten oder Fachwissen nachkommen,

6. ein öffentliches Amt oder Mandat wahrnehmen,

7. als Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerverband (Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes) Einfluss auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nehmen,

8. Rechtsberatung für einen Dritten oder sich selbst, einschließlich der Erstattung wissenschaftlicher Gutachten oder an die Allgemeinheit gerichteter Darstellung und Erörterung von Rechtsfragen erbringen, sowie Tätigkeiten, die nicht auf Erlass, Änderung oder Unterlassung einer rechtlichen Regelung durch den Deutschen Bundestag oder die Bundesregierung gerichtet sind, erbringen,

9. als politische Parteien nach dem Parteiengesetz tätig werden,

10. als Einrichtungen zur gesellschaftspolitischen und demokratischen Bildungsarbeit (politische Stiftungen) tätig werden, soweit der jeweilige Haushaltsgesetzgeber Globalzuschüsse zur Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben gewährt,

11. als Mittlerorganisationen der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik tätig werden, soweit sie institutionell mit Mitteln des Bundeshaushaltes gefördert werden,

12. als Kirche, andere Religionsgemeinschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft tätig werden,

13. einer nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes geschützten Tätigkeit nachgehen,

(Vorabfassung – wird durch die lektorierte Fassung ersetzt. )

14. als kommunaler Spitzenverband auf Bundes- oder Landesebene tätig sind,

15. als eine in Deutschland anerkannte nationale Minderheit, als niederdeutsche Sprechergruppe, als deutsche Minderheit in Dänemark oder als Organisation oder Einrichtung der vorgenannten Gruppen tätig werden oder

16. über keine dauerhafte Vertretung in Deutschland verfügen und sich für Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, humanitäre Belange oder Fragen der Nachhaltigkeit einsetzen und ihr Wirken primär auf andere Länder oder Weltregionen ausgerichtet ist.

(3) Interessenvertreterinnen oder Interessenvertreter müssen sich bei Interessenvertretung gegenüber der Bundesregierung nicht eintragen, wenn und soweit sie

1. einen Anspruch auf gesetzlich geregelten Informationszugang gel-tend machen,

2. eine Bürgeranfrage stellen,

3. an Besuchsprogrammen, Vorträgen, Konferenzen und sonstigen öffentlichen Veranstaltungen der Bundesregierung teilnehmen,

4. für die von der Bundesregierung eingerichteten Sachverständigenräte und sonstigen Expertengremien tätig sind,

5. diplomatische oder konsularische Tätigkeiten wahrnehmen,

6. direkten und individuellen Ersuchen der Bundesregierung um Sachinformationen, Daten oder Fachwissen nachkommen oder

7. einer der in Absatz 2 Nummer 1 oder 6 bis 16 genannten Tätigkei-ten nachgehen.

(4) Der Eintragungspflicht unterliegt auch nicht, wer für die unter Absatz 2 Nummer 7, 11, 12, 15 oder 16 genannten Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter im Rahmen ihrer dort bezeichneten Tätigkeiten tätig wird.

(5) Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter, die von der Registrierungspflicht ausgenommen sind, können sich freiwillig registrieren. Bei der freiwilligen Registrierung nach Satz 1 müssen die Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter die Angaben nach § 3 Absatz 1 im Lobbyregister eintragen.

Witzig

Muss ich das eigentlich noch weiter kommentieren? Ich denke nicht. Das Gesetz ist ein Witz, über den wohl nur die Abgeordneten von CDU und CSU lachen können, während sich die Abgeordneten der SPD schämen sollten, dass sie so einen wirkungslosen Müll mal wieder einfach mitmachen. Es reicht also, einen im Bundestag sitzenden Rechtsanwalt zu beauftragen – und davon gibt es einige –, und der kann dann munter Einfluss nehmen. Klar, es ist ein Problem der anwaltlichen Schweigepflicht, klar darf der seine Mandanten nicht nennen. Aber vielleicht könnte man doch verhindern, dass Abgeordnete die Anwälte sind, ausgerechnet Mandate annehmen, die unmittelbare Interessen ihrer Mandanten betreffen bzw. diese in diesen Fälle doch angeben müssen.

So wie es nun beschlossen ist, hätte man sich den Quatsch auch sparen können, es sei denn, das sollte nur der Auftakt sein für eine Regelung, die wirklich was bringt. Wäre aber mal interessant, welche Lobbyisten dieses Gesetz beeinflusst haben.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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