Der Tod des Feuerwehrmanns – Das Urteil

Im Fall des getöteten Feuerwehrmanns vom Augsburger Weihnachtsmarkt ist das Urteil gefallen. Viereinhalb Jahre Jugendstrafe für den Haupttäter. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz


Bild von Alexey Hulsov auf Pixabay

Wie das Verfahren ausgehen würde, war nicht schwer vorherzusagen. Zunächst war in der Boulevardpresse bei der Tat vom Augsburger Weihnachtsmarkt im Dezember 2019 schnell die Rede von Mord. Und auch die Staatsanwaltschaft ließ sich offenbar vom Druck der empörten Öffentlichkeit leiten, als sie Haftbefehle wegen Totschlags und Beihilfe dazu beim Ermittlungsrichter beantragte und auch zunächst bekam.

Ich hatte das unmittelbar nach der Tat, ebenso wie Fischer, bewertet. Und natürlich hatten wir recht, wie so häufig.

Es war ja schon angesichts des auf einem veröffentlichten Video erkennbaren Tatablaufs – jedenfalls für Fachleute – zu erkennen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung wegen Mordes oder Totschlags gegen Null tendierte.

Kein Mord

Körperverletzung mit Todesfolge ist halt weder Mord noch Totschlag, sondern eine Körperverletzung, die – vom Täter durchaus gerade nicht beabsichtigt – zum Tod des Opfers führt. Der Vorsatz des Schlägers richtet sich also durchaus darauf, sein Opfer zu verletzen, es ist aber weder sein Ziel noch auch nur sein Wille, dem Opfer das Leben zu nehmen. Der Tod des Opfers ist sozusagen eine unbeabsichtigte Folge der Körperverletzung. Das ist auch bei einem Erwachsenen etwas völlig anderes als eine vorsätzliche Tötung, bei der die Tötung eben das Ziel des Täters und die vorausgehende Körperverletzung nur ein Durchgangsstadium zur Tötung ist. Selbst wenn der Schläger den Tod seines Opfer „nur“ billigend in Kauf nimmt, wird er wegen Totschlags oder bei Vorliegen von Mordmerkmalen als Mörder bestraft.

Kuscheljustiz

Und kaum ist das von mir und allen Fachleuten prognostizierte Urteil da, geht wieder das elende Gejammer von der Kuscheljustiz los. Viereinhalb Jahre seien viel zu wenig für den Tod eines Menschen. So was kommt auch von Leuten, die ganz fürchterlich jammern, wenn sie nach einem Stammtischbesuch im Suff einen Fußgänger totfahren und meinen, dafür wäre aber nun eine Bewährungsstrafe wegen fahrlässiger Tötung und der Verlust des Lappens viel zu hoch. Sie hätten doch niemanden töten wollen.

Preis des Lebens

Und ja, viereinhalb Jahre sind eben nicht der „Preis“ für das Leben eines Menschen. Das Menschenleben hat nämlich keinen wirklichen Preis und selbst wenn die Strafe – wie dies in Amerika vorkommt – ein paar hundert Jahre wären, wird davon kein Mensch wieder lebendig. Wer meint, höhere Strafen hätten einen Sinn und wären sogar notwendig oder gerecht, der denkt eher in Vergeltungskategorien, man könnte auch sagen: an Rache.

Erziehung

Die gibt es nun aber schon bei Strafen für Erwachsene nicht wirklich, weil auch bei denen der Resozialisierungsgedanke im Vordergrund steht. Bei Jugendlichen ist das noch anders. Da geht es nur um eine erzieherische Wirkung der Strafe.

§ 18 Dauer der Jugendstrafe

(1) 1Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. 2Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. 3Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.

Das Gericht muss also die Frage beantworten, welche Strafe bekommt dieser spezielle Jugendliche, damit er nach deren Verbüßung wieder oder auch erstmals in die Spur kommt. Und das ist je nach Persönlichkeit des Täters ganz unterschiedlich. Es gibt nicht die eine Strafe für einen Typ von Tat oder Täter, sondern nur die individuelle Strafe für die Tat eines ganz speziellen Täters. Und da können die viereinhalb Jahre genau richtig sein. Da es keinen festen Katalog von Strafen gibt, kann man darüber durchaus auch unterschiedlicher Meinung sein. So hatte die Staatsanwaltschaft hier sechs Jahre beantragt. Aber letztlich entscheidet halt das Gericht und nur das Gericht. Nicht die BILD und schon gar nicht die Gemeinde der Hobbyvolksrichter.

Höheres Strafen?

Es wäre schön, wenn manch einer, der bei der Forderung nach höheren Strafen in der ersten Reihe steht, einmal in sich geht und sich fragt, was er mit seinen Forderungen eigentlich bezweckt. Oder wenn er sich einmal ein wenig mit unserem Strafrechtssystem beschäftigt. Das ist sicher nicht perfekt, aber es ist das Beste, das es in Deutschland je gegeben hat. Wer meint, härtere Strafen hätten eine abnehmende Kriminalität zur Folge, der irrt. Die Kriminalitätsentwicklung ist trotz vermeintlich niedriger Strafen seit Jahren rückläufig. Staaten mir drakonischen Strafen haben deutlich höhere Kriminalitätszahlen. Was bezweckt also derjenige, der nach lebenslang oder gar nach der Todesstrafe ruft oder der erklärt, diese selbst eigenhändig vollstrecken zu wollen? Jedenfalls nichts Gutes.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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