Sterben, um weiterzuleben: Star Wars.

Kolumnist Sören Heim wünscht Star Wars ein baldiges Ende. Denn sonst droht die Filmreihe, das Gegenteil von dem zu propagieren, wofür sie eigentlich stehen sollte. Immerhin, das bildet die historische Entwicklung recht treffend ab.


Demnächst geht eine weitere Star-Wars-Trilogie zu Ende. Man darf sich fast sicher sein, dass schließlich wieder die Rebellen triumphieren, das Imperium (Verzeihung: „First Order“) unterliegen wird. Es ist kaum zu erwarten, dass sich Disney noch einmal erlauben wird, so weit vom Heldengeschichten-Strickmuster abzuweichen, wie es (in Übereinstimmung mit Lukas‘ langjährigem Plan) die verfemten Prequels taten (die besser sind als ihr Ruf). Und es ist zu befürchten, dass es das mit Star Wars noch nicht war. Zu lukrativ ist die „Franchise“.

Hoffnungsvoller Freiheitskampf?

Und man darf sich wohl auch sicher sein: Die meisten Fans sehen Star Wars als eine hoffnungsvolle Geschichte von freiheitsliebenden Underdogs, die den Kampf gegen eine totalitäre Bedrohung aufnehmen. So dürften es auch die Köpfe hinter der Reihe sehen, und so war Star Wars konzipiert. Natürlich gibt es so ein paar libertäre und konservative Hanseln, die es cool finden, klassisch-postmodern ein „Rereading“ aufzuziehen, das schon in der Ursprungstrilogie die Jedi mit zeitgenössischen religiösen Fanatikern identifiziert und entsprechend das Imperium als die Kraft des Guten – wofür dann schon mal der fiktive Genozid von Alderaan geleugnet bzw. gerechtfertigt werden muss. Aber gut: Mit Leuten, die sich nur für eine nette Pointe derart mit Weltraumnazis identifizierten, dass noch grundlegendste Kompetenzen der Textexegese über Bord gehen, lohnt die Beschäftigung kaum.

Dennoch ist Star Wars heute nicht mehr eine Geschichte vom Triumph der Freiheit und vielleicht auch der Demokratie – sondern geradezu das Gegenteil dessen. Star Wars erzählt, distanziert betrachtet, von der Handlungsunfähigkeit der „Schwatzbude Parlament“, von der notwendigen Selbstzerfleischung der Demokratie, und ja: Von der Sinnlosigkeit des Widerstandes gegen totalitäre Herrschaft. Schuld daran, dass die Weltraum-Saga so gegen ihre ursprüngliche Intention verkehrt werden konnte, ist kein böses Mastermind. Ist nicht George Lucas mit seinen Prequels, ist nicht der allmächtige Disneykonzern, und ist auch nicht Jar Jar Binks, der geheime Sith Lord. Sondern die kulturindustrielle Wiederkehr des Immergleichen, die eben doch nicht immer die gleichen Ergebnisse zeitigt.

Durch Wiederholung kippt die Botschaft

„Wiederkehr des Immergleichen“ – das klingt abgeschmackt. Das war mal eine Einsicht, doch die ist zur Phrase verkommen. Wann immer etwas dem eigenen Geschmack nicht entspricht, vielleicht ein bisschen dämlich wirkt, wenn die Seriennummern hinter Filmen, Büchern, Computerspielen, rasch ansteigen, „Kulturindustrie!“ zu stöhnen ist nicht Kritik, sondern Faulheit. Doch im Falle von Star Wars lässt sich, was einen schon immer in erster Linie auf Unterhaltung ausgelegten Freiheitskampf zum Lob der Unfreiheit werden lässt, deutlich herausarbeiten: Es ist die unheilige Allianz des Erzählens in Archetypen und der Fanerwartung vor dem Hintergrund des allgewaltigen Marktes.

Das archetypische Erzählen ist verantwortlich für die relativ einfache, oft schwarz-weiße Handlung mit überzeichneten Helden und Bösewichten, die sich von Anfang an mit der größeren Parabel vom Verfall und der Wiedererrichtung einer interstellaren Republik ein wenig beißt. Das war noch am wenigsten auffällig in den Originalfilmen, die nach dem Verfall der Republik einsetzen und ihre Wiedererrichtung nur als Versprechungen beinhalten. Der Mythos gehört in vormoderne Verhältnisse, er kann mit vermittelter Herrschaft wenig anfangen, solange er nicht in einer Art und Weise überformt wird, die dem Mainstream-Kino Anathema ist. Eine derartige Neuverhandlung der Grenzen des mythischen Stoffes klingt tatsächlich in den Episoden 1 bis 3 an, und dürfte neben der zugegeben schwachen Ausführung einer der Gründe sein, warum Fans auf diese deutlich komplexeren Filme oft herab sehen. Die Fanerwartung verlangt nunmal, dass die einmal erfolgreiche Geschichte in Endlosschleife abgespielt wird. Man möchte von prosperierenden Republiken, von parlamentarischen Debatten und dem alltäglichen Leben im Star-Wars-Universum nichts wissen. Nur in solchen Geschichten aber ließe sich ein Gefühl für den Wert der Republik schaffen. Damit aber eine „coole“ Geschichte erzählt werden kann, muss die Republik fallen. Und fallen, und fallen, und fallen. Das will der Markt, auf dem der Kunde ein trauriger König ist, der nur zwischen sich kaum unterscheidenden Alternativen wählen darf, und den man niemals, wie es die Kunst doch verlangen würde, vor den Kopf stoßen darf. Star Wars ist in diesem Netz gezwungen, zwar immer wieder die gleichen Heldenbilder zu beschwören, doch gleichzeitig unterschwellig die absolute Nutzlosigkeit dieses Kampfes zu betonen. Wären nicht viel weniger Menschen umgekommen, hätte man den Imperator beim ersten Mal gewähren lassen? Sogar Luke hätte seinen Vater noch!

Und das Unterschwellige bleibt nicht unterschwellig: Die viel tiefere Ambiguität von Rey und Ren im Vergleich mit den Vorgängern Skywalker und Skywalker, und ganz besonders der verbitterte Luke – sie sprechen vom Bewusswerden der traurigen Endlosschleife, in der Star Wars steckt.

Man muss der Serie einen raschen Tod nach der neuen Trilogie geradezu wünschen, soll das Ganze nicht zu einer Art Game of Thrones im Weltraum degenerieren. Wobei GOT zugute zu halten ist, dass dort die Alternative eines demokratischen Systems immerhin nicht zur Debatte stand. Wenn Disney klug ist, nutzt es den erzählerischen Freiraum, den Vorgeschichten bieten, um die Franchise ohne Endlosschleife weiter zu melken. Denn gemolken werden muss, bis das goldene Kalb tot ist. So will es der heilige Markt.

Sören Heim

Sören Heim ist Journalist, Übersetzer und Schriftsteller. Er ist Träger des kosovarischen Preises für moderne Dichtung „Pena e Anton Pashkut“ (Stift des Anton Pashku) und des Sonderpreises „Favorit von Daniel Glattauer“ der art.experience 2014. In HeimSpiel schreibt Sören Heim mit Heimvorteil zu den Schnittpunkten von Kunst, Kultur und Gesellschaftspolitik. Er beleuchtet die unerwartete Bedeutung ästhetischer Fragestellungen für zeitgenössische Debatten, die mit Kunst auf den ersten Blick kaum Berührungspunkte haben. Und wo immer, sei es in der Politik, sei es in der Ökonomie, sei es gar im Sport, er auf geballten Unsinn und Unverstand trifft, wagt der Kolumnist auch das ein oder andere Auswärtsspiel. Bisher erschien die Kolumne HeimSpiel im Online-Debattenmagazin The European. Daneben veröffentlicht Heim in mehreren Literaturzeitschriften vornehmlich Lyrik und dichte Kurzprosa, und bloggt auf der eigenen Homepage aus seinem Zettelkasten. Monographien: Kleinstadtminiaturen: Ein Roman in 24 Bildern. Girgis Verlag: 2016 – ISBN: 978-3939154181.Cover nur Front Gewogene Worte: Nachdichtungen aus dem Chinesischen. edition maya: 2016 – ISBN: 978-3930758463.cover kathaStrophen. Experimente in Rhythmus und Melodie. Chiliverlag: 2017 -ISBN: 978-3943292541.FrontCover 2_bleu Algenhumor: Gedichte für das dritte Jahrtausend. Girgis Verlag: 2016 – ISBN: 978-3939154228.algen Audio-Exklusiv: La vie! La jeunesse! – Hörmordkartell 2017

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