Der Streit über die Rechte spaltet entweder die Gesellschaft oder die Rechte – Up to you …

Philipp Mauchs Erwiderung auf Chris Kaisers Kolumne „Die AfD und Pandoras Taubenschach“.


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Ein auf FB erhobener Vorwurf gegen den Clash lautet, dass im Umgang mit der AfD Anhören, Geltenlassen und Vertrauen auf die selbstreinigenden Kräfte der Demokratie riskant und blauäugig sei. So auch Chris Kaiser: Eigentlich spielte man bloß „Taubenschach“, womit gemeint ist, dass während ich mir eine sehr ausgeklügelte Strategie zurechtgelegt haben mag, meine Gegner einfach nur chaotisch Spielfiguren über das Brett schmeißen. Obwohl ich mir der damit verbundenen Risiken bewusst sei, so weiter, öffnete ich damit doch eher die Büchse der Pandora, anstatt aus der Geschichte zu lernen und als Lehre insbesondere aus der Weimarer Republik den rechten Populisten „keinen Fußbreit“ nachzugeben.

Integration und Isolierung – Isolierung und Integration

Zunächst einmal ist es strittig, inwiefern die im Kampf gegen Rechts übelicherweise bemühten historischen Analogien haltbar sind beziehungsweise, ob sie wirklich im Sinne von „kein Fußbreit“ zu interpretieren wären. Obwohl Chris Kaisers Argumentation, „Populisten haben sich immer wieder über ganze Staaten hergemacht und einige ins Unglück gestürzt“ in der vorgebrachten Form sehr pauschal klingt, möchte ich sie gelten lassen. Denn als sozusagen heuristischer Verdacht, ist es durchaus legitim, in Anbetracht revolutionärer Tendenzen besorgt zu sein und vorsorglich das Schlimmste anzunehmen.

Was das angeht, habe ich immer wieder ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es im Ringen um den richtigen Umgang mit der AfD selbstverständlich zwei entgegengesetzte sozusagen „strategische Schulen“ gibt – nämlich die „Salonisten“ (sie befürchten eine Salonfähigwerdung der Rechten und wollen isolieren) und die „Vakuumisten“ (sie befürchten, der Rechten werde zu viel Territorium zu überlassen, und wollen integrieren). Hierzu wurde schon sehr viel gesagt und geschrieben, das hier nicht alles wiederholt zu werden braucht. Daher nur so viel: Die für Chris Kaiser offene Frage nach dem richtigen Umgang mit dem Populismus ist längst beantwortet = Die Radikalen isolieren und die moderaten integrieren. Nur über das WIE müssen wir als Demokraten naturgemäß noch streiten.

An dieser Stelle fühle ich mich nun aber entweder falsch verstanden oder falsch wiedergegeben: Beide Sichtweisen – isolieren und integrieren – haben nicht nur ihre Berechtigung, sondern sind auch notwendig, insofern sie als demokratische Alternativen auftreten und sich gegenseitig pluralistisch korrigieren. Wenn ich also Vertrauen in den Pluralismus habe, dann selbstverständlich nicht in Bezug auf die Rechten selbst, sondern in Bezug auf den Diskurs, wie mit ihnen umzugehen sei.

Insofern hoffe ich beim Clash durchaus nicht darauf, zum Beispiel einen Maximilian Krah oder eine Nicole Höchst zu bekehren. Vielmehr geht es mir darum, für die Umstehenden einen Beitrag dazu zu leisten, dass Integration und Isolierung in ein ausgeglichenes Verhältnis kommen. Am Ende soll es nämlich möglichst vielen Menschen gelingen, die Radikalität der Neuen Rechten zu erkennen und ohne Gesichtsverlust sozusagen wieder in das gemäßigte politische Spektrum zurückkehren können.

Partei und Bewegung

Die Frage nach dem Wie beginnt sodann bei dem Gegenstand der Isolierung beziehungsweise Integration. Die drei Buchstaben „AfD“ stehen dabei für zwei Dinge, eine Partei und eine Bewegung, also die Neue Rechte. Vom Boden des Grundgesetzes aus betrachtet, sind Parteien Institutionen der Demokratie, die als solche von undemokratischen Kräften missbraucht werden können. Wer also für sich in Anspruch nimmt, Demokrat zu sein, kann überhaupt nicht gegen eine Partei als solche agitieren. Hierfür gibt es Verbotsverfahren, die zum Glück unabhängig von der öffentlichen Meinung ablaufen. Nun hat es die AfD bereits auf den Monitor des Verfassungsschutzes geschafft. Aber was beobachtet wird, ist die Unterwanderung einer demokratischen Institution durch rechtsradikale Kräfte.

Selbstverständlich taktieren AfD-Spitzen mit der Unschärfe zwischen Partei und Bewegung. Mal gibt man sich moderat im Wissen, dass es die eigenen Leute schon „richtig“ verstehen werden, mal gibt man sich provokant in dem Wissen, dass es die Gegner sicherlich „falsch“ verstehen werden. Dieses Spiel funktioniert aber nur so lange, wie der Übergang zwischen Partei und Bewegung möglichst fließend gehalten wird. Sobald erste Komplikationen entstehen, wie jüngst in Bezug auf Björn Höckes „Flügel“-Bewegung, besteht überhaupt erst die Notwendigkeit, auch innerhalb der Partei in Sachen Rechtsradikalismus Farbe zu bekennen. Und genau das wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass eine Trennlinie zwischen tatsächlich moderaten Integrationskandidaten entsteht, die auf lange Sicht akzeptiert werden wollen, oder tatsächlich radikalen Isolationskandidaten, die auf maximale Distinktion angewiesen bleiben.

An dieser Stelle dringen wir nun zu der eigentlichen Gretchenfrage vor: Sollen gemäßigte Rechte überhaupt politisch repräsentiert werden? Bekanntlich hoffe ich persönlich darauf, dass ein möglichst großes Wählerspektrum durch die alten Volksparteien CDU und CSU sowie SPD repräsentiert wird. Aber die Realität sieht natürlich anders aus. Die Parteienlandschaft ist längst diversifiziert und ebenso wie vor ihr Grüne und LINKE, wird die AfD so bald nicht wieder von der Bildfläche verschwinden. Damit es also einmal gesagt ist: Eine gemäßigte demokratische Rechte ist aus meiner Sicht das kleinere Übel als eine ständige offene Flanke am rechten Rand. Und wenn man das so sieht, muss man konsequenterweise auch bereit sein, eine gemäßigte AfD zu tolerieren (zu ertragen).

Von der Korrektur zur Kontrolle

An der Frage nach der Existenzberechtigung einer rechten Partei innerhalb des demokratischen Spektrums scheiden sich die Geister. Je weiter links jemand steht, desto wahrscheinlicher wird der- oder diejenige dafür plädieren, dass rechte Positionen gar nicht vorkommen und rechte Personen auch keinen Anspruch auf Integration haben sollen. Das sind die linken Hardliner. Ähnlich wie die rechten Hardliner, wenn es um Muslime und den Islam geht, folgen sie einem „mitgefangen=mitgehangen“-Schema. Dabei geht es darum, Personen zu identifizieren, deren Handlungen oder Meinungsäußerungen es zulassen, sie als jemanden zu markieren, der legitimer Weise stigmatisiert und ausgegrenzt werden darf.

Hierbei ist sogleich zu differenzieren, dass Linke eher gegen einzelne vorgehen, während es Rechte in der Regel auf ganze Gruppen abgesehen haben. Daher kann man beides natürlich auf keinen Fall gleichsetzen. Denn bei den Linken hat man wenigstens noch die Chance, sich als Individuum dagegen zu wehren, mit anderen in einen Topf geschmissen zu werden. Rechte machen sich dagegen erfahrungsgemäß nur selten die Mühe, zum Beispiel Migranten zu fragen, ob sie überhaupt muslimischen Glaubens seien und wenn ja, welcher Variante des Islam sie weltanschaulich anhängen. Vor diesem Hintergrund würde ich auch der These zustimmen, dass rechte Ideologie gefährlicher ist als linke.

Trotzdem eint beide Sichtweisen ein Selbstverständnis, wonach sie die Autorität besäßen, darüber zu richten, wer Teil einer Gemeinschaft sein darf und wer nicht, sei es das „Volk“ oder die „echten Demokraten“. Hier nun kippt meines Erachtens das Konstruktive an jeder Gesellschaftskritik, nämlich die Korrektur, in etwas sehr Gefährliches und Undemokratisches, nämlich die Kontrolle. Das mag sehr theoretisch klingen, in der Praxis ist es aber ganz einfach: Je mehr die Linke versucht, den rechten Diskurs und vor allem den Diskurs über die Rechte zu kontrollieren, desto besser ist das für die Rechte selbst. Denn erstens kann sie sich als Opfer gerieren und zweitens die entsprechende Autorität bei nächster Gelegenheit auch für sich selbst beanspruchen (ich habe das mal als „neurechten Revanchismus“ bezeichnet).*

Nun ist es natürlich nicht so, dass linke Parteistrategen das nicht wüssten. Deren Kalkül ist es ja gerade, die Unionsparteien oder auch die FDP dadurch unter Zugzwang zu setzen, sich selbst als Bollwerk gegen einen unaufhaltsamen gesellschaftlichen Rechtsdrift bis in die Mitte der Gesellschaft hinein zu inszenieren. Solches Klappern gehört freilich zum Geschäft. Denn im eigenen Milieu punkten zu wollen, ist ein ganz banales parteipolitisches Eigeninteresse. Nur ist, Wahlen zu gewinnen, etwas ganz andres, als den Zusammenhalt der Gesellschaft zu gewährleisten. Und deshalb sollte man sich nicht einspannen lassen, wenn vermeintliche Verteidiger von Pluralismus und Demokratie die Moral instrumentalisieren, um nicht vorhandene Autorität zu simulieren. Denn die Frage, wo auf dem Boden der Verfassung die Binnengrenzen der Toleranz gezogen werden können, ist – und bleibt hoffentlich – Sache eines möglichst herrschaftsfreien Diskurses.

Der Bühne der Bühne eine Bühne bieten

Wie schnell man in einen nicht-herrschaftsfreien Diskurs hineingeraten kann, zeigt Chris Kaisers Kritik am Clash. Denn die ist ausdrücklich kein autoritärer Kontrollversuch, sondern ein zwar besorgter, aber rationaler beziehungsweise toleranter Einwand. Nun hat sie dadurch mich als jemanden, der mit Rechten redet, aber leider viel zu sehr mit Samthandschuhen angefasst. Wie ich aus eigenem Erleben weiß, halten autoritäre Linke die Konservativen, wenn sie im Kampf gegen Rechts aus der Reihe tanzen, für das noch viel schlimmere Problem als die Rechten selbst. Und wer zu diesen Konservativen hält, wenn auch nur ein bisschen, ist natürlich auch Teil des Problems. Durch Deinen Text, dito sorry Chris, wird also einem Bühnenbereiter die Bühne bereitet. Zumindest wenn man es radikal betrachtet.

Schließlich weiß ich, dass „CSU-Männer“ wie ich bei Linken quasi auch als Rechtspopulisten gelten. Jedenfalls hängt bei mir im Viertel unter jedem „FCKAFD“-Aufkleber auch eine entsprechende „FCKCSU“-Version. Und weil die CSU im Bund mit der SPD schon lange zusammen regiert – und indirekt (über den Bundesrat) sogar mit den Grünen -, will die LINKE den Rechtskurs der Regierung stoppen und eine gewisse MLPD (Marxistisch-Leninistische-Partei-Deutschlands) dazu vorsichtshalber gleich den § 129 a/b des Grundgesetzes abschaffen („Bildung terroristischer Vereinigungen“ und „Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland“). Wer weiß, vielleicht wird man im Fall eines weiterhin drohenden Faschismus nicht mehr so zimperlich sein können und eine härtere Gangart benötigen … Höcke würde wohl von „wohltemperierten Grausamkeiten“ sprechen. Vor diesem Hintergrund würde ich noch mal überdenken, was „Keinen Schritt breit“ wirklich heisst.

In einer pluralistischen Demokratie gibt es immer mehrere Bühnen und nicht jede Bühne muss immer allen gleichermaßen passen. Der Clash of Conservatives ist eine Veranstaltung, die auf konservative Themen und Positionen abzielt. Den Begriff des Konservativen dabei, wenn auch nur in begrenztem Umfang, für Rechte zu öffnen, ist selbstverständlich riskant. Und Linke beziehungsweise Nicht-Konservative sind eingeladen, auf die damit verbundenen Risiken hinzuweisen beziehungsweise skeptisch zu sein, ob jemand wie ich dieser Aufgabe gewachsen ist. Aber sie können nicht verlangen, dass Konservative sich in derselben Art und Weise von Rechten abgrenzen wie sie es selbst tun. Insofern kann man gerne für sich entscheiden, „kein Fuß breit“ sei der richtige Weg. Ich bleibe allerdings bei der Auffassung, dass der Streit über den richtigen Umgang mit der AfD nicht die Gesellschaft als Ganzes, sondern das rechte Lager spalten sollte. Sonst spielen wir am Ende nicht nur mit den Populisten, sondern auch alle untereinander Taubenschach.

* Wenn unter Konservativen die Rede von „Äquidistanz“ gegenüber Linken und Rechten ist, um eine in diesem Zusammenhang über Liane Bednarz geführte Diskussion anzuknüpfen, dann meint dies ausschließlich eine analoge Betrachtung der Verschiebung von Gesellschaftskritik als Korrektur zu autoritären Kontrolltendenzen. Weil eine Analogie immer nur die Identität der Relationen bedeutet, nicht aber der Dinge selbst, kann man Muster sehr wohl vergleichen ohne die Dinge an sich gleichzusetzen. Das wird leider oft verwechselt und führt zu irrigen Annahmen.

Philipp Mauch

Philipp Mauch ist von Berufs wegen Stratege für Regulierungsmanagement in der Konsumgüterindustrie. Als Stipendiat der Hanns-Seidel-Stiftung hat er über Nietzsche promoviert – eine Kombination, die er als Ausweis seines liberal-konservativen Nonkonformismus verstanden wissen möchte. In seinem Blog „Variationen der Alternativlosigkeit“ grübelt er über Deutschlands politische Kultur.

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