Wörterbuch der Phänomene: Arbeit

Arbeit ist Last und Freude, die Grundlage fürs Leben und der Grund zum Leben. Arbeiten wir zu viel?


Wir müssen arbeiten – es ist ein gewisser Zwang zur Arbeit da, denn ohne Arbeit können wir nicht überleben. Die meisten von uns sind auf das Geld angewiesen, dass sie für ihre Arbeit bekommen. Außerdem brauchen wir die Arbeit vieler, damit unsere Gesellschaft weiterexistiert und unser Überleben in dieser Gesellschaft gesichert ist.

Die Arbeit hält uns von dem ab, was wir viel lieber täten. Während wir arbeiten, freuen wir uns auf die Freizeit ohne Arbeit: den Feierabend, das Wochenende, den Urlaub, die Rente.

Aber ohne Arbeit können wir auch auf andere Weise nicht leben: Die meisten Menschen ziehen aus der Arbeit ihr Selbstverständnis als Mensch. Fragt man sie, was sie sind, antworten sie mit einer Berufsbezeichnung. Wir erzählen einander während der Freizeit gern und oft Geschichten von der Arbeit.

Darin unterscheiden sich Lehrerinnen nicht von Kassierern, Professorinnen nicht von Bauarbeitern. Vielleicht ist der Mensch das vernünftige Wesen, dass in jeder Arbeit einen Sinn finden kann. Zwar meinen manche, die ihre eigene Arbeit höher schätzen als die Arbeit der Anderen, dass diese Anderen ihre Arbeit wohl nur widerwillig und nur zwangsläufig zum Broterwerb verrichten. Aber jede Begegnung mit arbeitenden Menschen, egal, was ihre Arbeit konkret ist, beweist uns: Es gibt fast keine Arbeit, an der ein Mensch keine Freude finden könnte. Zudem ist der Platz der Arbeit auch der Ort, an dem Menschen einander treffen: Nicht nur ist die Arbeit das große Thema im privaten Gespräch, der Arbeitsplatz ist auch der Ort, an dem private Gespräche geführt werden und private Kontakte entstehen. Deshalb möchte auch niemand ganz auf den Arbeitsplatz verzichten und nur noch im Homeoffice sitzen.

Mancher, der die Erwerbsarbeit für die Quelle der Entfremdung des Menschen von seinem eigentlichen Selbst hält, mag diese Argumentation als schönfärberisch abtun und vermuten, dass ich hier nur den ausbeuterischen Charakter der Lohnarbeit verbergen möchte. Aber was wäre, wenn die Menschen auf ihre Arbeit nicht verzichten können, wenn sie im Grunde viel lieber arbeiten möchten, als irgendwelchen Hobbys nachzugehen, zu relaxen oder Unterhaltung zu konsumieren?

Das Problem ist, dass dieser Mensch sich immer neue Arbeit suchen wird, er will produzieren, schaffen, bauen, gestalten, entwickeln, verändern. Arbeit aber verbraucht Ressourcen und verändert die Welt auf unvorhersehbare Weise. Unsere Zukunftsprobleme könnten auch daraus entstehen, dass wir immerfort arbeiten wollen.

Jörg Phil Friedrich

Der Philosoph und IT-Unternehmer Jörg Phil Friedrich schreibt und spricht über die Möglichkeiten und Grenzen des digitalen Denkens. Friedrich ist Diplom-Meteorologe und Master of Arts in Philosophie.

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