The darker Side of the Moon

Bruno Schulz ist es gleich, in welcher politischen Ecke die Dauer-Israelkritik ausgebrütet wird. In der Konsequenz läuft es immer auf dasselbe hinaus: nämlich auf Antisemitismus. Und weil er gerade so schön in Fahrt ist, rechnet der Autor auch noch mit Roger Waters und dessen Fans ab


Es ist an der Zeit, dass wir darauf beharren, dass alle Formen des Antisemitismus inakzeptabel sind, statt den Antisemitismus derer, die uns ansonsten ideologisch näherstehen, zu ignorieren. Antisemitismus ist Antisemitismus, gleich in welcher Form er auftritt.“ (Benyamin Moalem)

Der Prolog

„Über Geschmack kann man streiten. Oder auch nicht. Ganz nach Geschmack.“ Das stammt vom schwäbischen Schriftsetzer und begabten Aphoristiker Werner Mitsch und es passt ganz großartig zu jeder Form künstlerischen Ausdrucks und ganz besonders zu der Musik von Roger Waters. Der war neben Syd Barrett der zweite Gründervater der Vinylreligion Pink Floyd. Er selbst hat sich später zum Mastermind gekrönt. Außerordentlich fantasiebegabt hatten die beiden Psychosophen ihr Projekt nach ihren Lieblingsbluesern Pink Anderson und Floyd Council „The Pink Floyd Sound“ getauft, was später brandingtechnisch auf Pink Floyd verkürzt wurde. Das klang nicht nur irgendwie geheimnisvoll und auch ganz flott, es wurde außerdem eine der ganz großen Gelddruckmaschinen der Musikindustrie mit gleich mehreren Veröffentlichungen unter den erfolgreichsten Langspielplatten aller Zeiten.

Die Musik wurde inzwischen von Myriaden an fachlich versierten Kritikern bis auf ihre Elementarteilchen dekonstruiert und wieder zusammengesetzt und man soll nicht glauben, was sie alles dabei zutage getragen haben. Auch die Chronologien zur Bandgeschichte sind Legion und ich mag das hier nicht weiter vertiefen. In Ermangelung an Kompetenz wie Interesse.

Die Fanbase

Fakt ist, dass die Musik von Pink Floyd vor allem Generationen junger Männer nachhaltig beeindruckt hat. Die haben die Werke allerdings eher ingenieursmäßig vermessen als gefühlvoll auf sich wirken lassen. „The dark side of the Moon“ galt deutlicher als amtlicher Klangtest für das heimische Stereoequipment, denn als stimmungsvolle Beischlafbegleitung zu Flokati und Lavalampe. Im Rückblick wird das gerne mal melancholisch verquirlt und Waters allzu leichtfertig zum visionären Heiland verklärt. Er erhält mehr Raum und Gewicht, als er musikalisch aufzufüllen weiß und verbreitet seit geraumer Zeit seinen eigenwilligen Blick auf den Gang der Welt und den Lauf der Dinge.

Die Apologeten

Das alles wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn nicht gerade alle seine Jünger und Sektenmitglieder heute 40 bis 70 Jahre alt wären und im Lebensabschnitt der „chronischen Besserwisserei“ stünden. Im angloamerikanischen Raum wird ihre pathologische Mitteilungsnot nicht grundlos als „Mansplaining“ verballhornt. Es ist nicht schlimm, dass die Jungs alles erklären können; es ist aber wichtig aufzupassen, was sie uns da gerade erzählen wollen.

Fokus und Fetisch

Zurück zu Mitsch und über die Lust, über Geschmack zu streiten, oder eben auch nicht. Unstrittig ist Waters grelle Stimme für die seltsame BDS-Kampagne und sein Fetisch, zwanghaft Israel zu diffarmieren. Er interessiert sich nicht für das Leid von Homosexuellen und Drogenkranken, die man in manchen Staaten empathiefrei an Autokränen aufhängt oder wenig feinsinnig von Hochhäusern schubst, nicht für das Schicksal der Frauen, die anderenorts leicht mal im Wurfsteinhagel enden können und weder Auto fahren, noch sich ohne die Begleitung eines männlichen Verwandten bewegen dürfen. Waters hat kein Interesse an den Hungernden in afrikanischen Kleptokratien.

Aber auch die Missstände in der „Ersten Welt“ finden sein Interesse nicht. Ob Waffen verhökert, die Umwelt ruiniert, Stellvertreterkriege angezettelt oder Banken und Konzerne wider besseres Wissen protegiert werden. Das ist alles schnurzpiepenhagen. Denn hier verdienen der Meister und sein Umfeld Geld in märchenhaften Dimensionen, da wird ihr Vermögen verwaltet, da leben sie und ihre Familien. Gestört werden sie hier allenfalls durch das monotone Rasseln der Gelddruckmaschine im Keller: „Moneyyyyyy“ – der Klassiker.

Nein, es muss Israel sein. Die einzige Demokratie im Nahen Osten. Das einzige Land im sandigen Umfeld, in dem Einheimische unabhängig ihres Glaubens frei und geheim wählen dürfen, in dem eine eigene Meinung nicht direkt unter den Säbel führt und Menschen straffrei Liebe machen dürfen mit dem Menschen, den sie einvernehmlich und auf Augenhöhe lieben. Männlein wie Weiblein, ganz egal. Die Presse ist ebenso frei. Sogar die eigene Haltung zur Sache mit den Palästinensern ist statthaft. Viele Israelis finden die Siedlungspolitik wie auch den Umgang miteinander schlecht und bringen das lautstark zum Ausdruck. Zivilisationsgerecht. Eine demokratische Auseinandersetzung im Sujet.

„Der Freund meines Gegners ist mein Feind“

Waters und seinen Genossen von der BDS-Initiative ist das vollkommen wurscht. Sie boykottieren lieber gleich das ganze kleine Land mit all seinen Menschen. Es ist ja auch nur Israel. So groß wie Hessen, mit kaum mehr Einwohnern als Dänemark. Wirtschaftlich uninteressant. Vor allem sind es Juden. Und da drängt sich in der Ganzheitlichkeit seiner nachdrücklichen Ablehnung, seiner unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten Sippenhaft, ein schrecklicher Verdacht auf, den der Musikus und seine Kumpanen regelmäßig weiter zur Gewissheit nähren. Auch damit, dass sie all jene, die nicht gemeinsame Sache machen wollen, automatisch dem vermeintlichen Gegner zuschlagen. Wer ihr Lied nicht singen mag, wird diskreditiert. Die Suppe, die sie ausschenken, ventiliert das ewig eklige Aroma des Antisemitismus. Radiohead, Nick Cave und viele weitere kamen bereits in den zwangsgefütterten Verdruss. Das muss man nicht leugnen, nur weil am Opus von Waters so viele persönliche Erinnerungen kleben, wie Fliegen an der Leimrute im Kuhstall.

Fazit

Antisemitismus ist immer widerlich. Und er wird auch nicht besser, wenn er mit der persönlichen Hitparade aus dem ganz privaten Tagebuch unterlegt wird, in dem auf vielen Seiten Waters und seine Combo beinchenhebend die Ecken markiert haben. Nein, da hilft auch kein „Wish you were here“.

Bruno Schulz

Bruno Schulz ist zweiundfünfzig Jahre alt und Vater eines Sohnes. Er hat Innenarchitektur studiert und einiges Geisteswissenschaftliche. Nach einigen Stationen in Deutschland, Europa, in Asien und in Afrika arbeitet er als Designer, Texter und Moderator. Mit seiner Agentur schulzundtebbe (www.schulzundtebbe.de) entwickelt und pflegt er Marken. Er liebt und lebt das Storytelling und schreibt immer und leidenschaftlich. Essays, Short Stories, Reiseberichte, dies und das. Oft geht es dabei um die Liebe, das Leben, Genuß und Kultur. Und um Frauen, natürlich.

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