Auf die Plätze, fertig, Knast!

Es mussten erst mehrere Menschen bei illegalen Autorennen ums Leben kommen, bevor der Deutsche Bundestag am 29.6.2017 diesen Wahnsinn endlich zu einer Straftat erklärte. Jetzt können diese Rennfahrer endlich angemessen bestraft werden. Ein guter Anfang. Aber da geht noch mehr.


Bisher war die Veranstaltung eines illegalen Autorennens lediglich eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von 400.-€ geahndet werden konnte. 400.–€ sind ein Betrag über den die Jungs mit den getunten Autos nur lachen können. Das geben die für einen Rennreifen aus. Nun darf man hoffen, dass ihnen das Lachen langsam vergehen wird.

Bekanntlich bin ich kein Freund von Gesetzesverschärfungen und überflüssigen Einschränkungen der Freiheit. In diesem Punkt aber hat mich seit Jahren gewundert, warum der Gesetzgeber meinte, die Gefährdung von Menschenleben zur Auslebung einer höchst überflüssigen Selbstbefriedigung im öffentlichen Straßenraum, sei lediglich eine Lappalie. Nein, das ist sie nicht.

Die potentielle Gefahr

Und auch wenn es bei einem solchen geplanten oder spontanen Rennen nicht immer gleich Tote oder Verletzte gibt, ist die mit dem Rennen verbundene potentielle Gefährdung anderer, unbeteiligter Menschen nichts, was man auf den Straßen dulden darf. Endlich hat das nun auch der Gesetzgeber begriffen und selbst der notorische Kumpan der Autoindustrie, Verkehrsminister Dobrindt, hat mitgemacht und die Rennen von der Ordnungswidrigkeit zur Straftat gemacht. Gut so.

In das Strafgesetzbuch wird nun ein neuer Paragraph 315d eingefügt.

Nun dumme Raser gebt fein Acht, ich hab Euch etwas mitgebracht:

§ 315d

Verbotene Kraftfahrzeugrennen

(1)

Wer im Straßenverkehr

1.

ein nicht genehmigtes Kraftfahrzeugrennen veranstaltet oder

2.

als Kraftfahrzeugführer an einem nicht genehmigten Kraftfahrzeugrennen teilnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2)

Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 handelt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3)

Wer in den Fällen des Absatzes 2 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4)

Verursacht der Täter in den Fällen des Absatzes 2 oder 3 durch die Tat den Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

2 Jahre

Das bedeutet, dass jetzt bereits die Teilnahme an einem Rennen, auch wenn dadurch objektiv niemand anderes gefährdet wird, eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren nach sich ziehen kann. Das bedeutet auch, dass jetzt solchen Tätern endlich auch vom Strafrichter die Fahrerlaubnis entzogen werden kann, was ja die einzige Möglichkeit ist, um sie vielleicht noch zur Vernunft zu bringen.

5 Jahre

Bringt man bei dem Rennen Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert, also z.B. schon am Straßenrand geparkte Fahrzeuge in Gefahr, dann erhöht sich die Höchststrafe bereits auf fünf Jahre. Wohlgemerkt auch dann, wenn diese Gefahr sich nicht realisiert und alles „gut gegangen“ ist.

10 Jahre

Und wenn es dann wirklich rappelt und jemand zu Tode kommt oder eine schwere Gesundheitsschädigung erleidet, oder aber auch eine große Zahl von Menschen verletzt werden, dann steht ein Strafrahmen bis zu 10 Jahren offen. Das schließt übrigens keineswegs aus, dass man, wenn die Voraussettungen vorliegen, auch wegen Mordes bestraft werden könnte. Wer also den Fußgänger sieht und bei seinem Rennen trotzdem draufhält um ein paar Bonuspunkte zu bekommen, dem droht auch ein Lebenslang.

Liebe Raser, wenn Euch schon das Leben Eurer Mitbürger scheißegal ist, wollt ihr wirklich riskieren, für den kurzen Rausch der Geschwindigkeit für 10 Jahre oder mehr in dem Bau zu gehen? Und wollt ihr wirklich den Lappen verlieren und womöglich mangels erfolgreichen Idiotentests nie mehr wiederbekommen? Wollt Ihr, dass Euer heißgeliebter Ersatzpenis eingezogen und verwertet wird? Vielleicht wäre es ja noch hilfreich, wenn man Euch dabei zusehen lassen würde, wie Euer aufgemotztes Massenvernichtungsmittel langsam und grausam in der Schrottpresse auf das Format 1x1x1-Meter gepresst wird. Mit all den schönen Sonderausstattungen.

Ich bin uncool

Ja, der alte Schmitz ist uncool. Der hält sich penetrant an die Verkehrsregeln und erwartet von anderen, dass sie das auch tun. Denn auch wenn die Regeln für Euch eingebildete Superdriver nur Kinderkacke und was für Herren mit Hut und alte Damen zu sein scheinen, diese Regeln haben einen Sinn. Und es hat auch Sinn, wenn die Polizei und die Ordnungsämter diese Regeln überwachen und die Verstöße spürbar bestraft werden. Die Polizisten sind keine Wegelagerer, sie sind notwendige Ordnungshüter.

Von 1950 bis zum Februar 2015 kamen im deutschen Straßenverkehr insgesamt 696.226 Menschen ums Leben. Um auf diese Zahl zu kommen, hätten Terroristen 232 Jahre lang jedes Jahr ein World Trade Center in die Luft jagen müssen. Weltweit sterben jährlich 1,25 Millionen  Menschen bei Autounfällen. Vor den Terroristen hat jeder Angst, vor Autofahrern offenbar niemand. Dabei arbeiten die wesentlich effektiver. So effektiv, dass jetzt auch Terroristen die wahren Möglichkeiten des Autos als Massenvernichtungswaffe erkannt haben.

Die Zahl der Verletzen liegt noch rund 100 Mal höher als die der Toten. Selbstverständlich sind diese Toten und Verletzten nicht alle auf Rennen und Raserei zurückzuführen. Da kommt auch noch Alkohol, Drogen, Ablenkung durch was auch immer, versteckte Suizide und pure Unachtsamkeit hinzu. Ich wage aber die Behauptung, dass sich 90% dieser Toten und Verletzten vermeiden ließen, wenn alle sich wirklich an die Verkehrsregeln hielten.

Schicksal?

Aber ist es denn wirklich so, dass wir diese irrsinnige Zahl von Toten und Verletzten Tag für Tag schulterzuckend hinnehmen müssten? Ist es nicht das Recht der Bevölkerung – deren Sicherheit unseren Innenministern doch so sehr am Herzen liegt, dass sie deshalb sogar anlasslose Bespitzelung für notwendig halten – so weit wie möglich vor Autofahrern geschützt zu werden, die diese Regeln partout nicht einhalten wollen? Warum sind die Strafen für Verkehrsverstöße in Deutschland so lächerlich niedrig und warum jammern unsere europäischen Nachbarn nicht, obwohl die Strafen dort wesentlich spürbarer sind. Ist das Auto wirklich der wahre Gott der Deutschen, dem sie auch heute noch jedes Jahr um die 4000 Menschenopfer bringen? Alfahu akbar? Großer Golf wir loben Dich?

Das Auto ist eine tonnenschwere, gefährliche Waffe, die nur in die Hände von Menschen gehört, die bereit und in der Lage sind, damit verantwortlich umzugehen. Wer das nicht kann oder will, soll aus dem Straßenverkehr als aktiver Teilnehmer ausgeschlossen werden. Und er soll erst dann wieder zugelassen werden, wenn er seine Zuverlässigkeit bewiesen hat. Was spricht dagegen, nach jeder Wiedererteilung der Fahrerlaubnis eine neue Probezeit beginnen zu lassen, in der Verkehrsverstöße, wie bereits jetzt bei Fahranfängern, besonders geahndet werden?

Billig

Was spricht dagegen Geschwindigkeitsverletzungen wie in England – da zahlt man für eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 50 km/h umgerechnet rund 3000.–€ – oder Österreich – da sind es 2180.–€ – einzuführen? Hier zahlt man 160.-€ außerorts und innerorts nur 200.–€, was angesichts der dadurch entstehenden Gefährdung ein Witz ist.

Warum sollte nicht auch das bloße Zuschnellfahren ab einer zu 100% überhöhten Geschwindigkeit grundsätzlich als Straftat geahndet werden? Ist das nicht wesentlich gefährlicher und gemeinschädlicher, als z.B. Beförderungserschleichung, die eine Straftat ist?

Raser, Raser, ich sage Euch

Ich weiß, dass Ihr Raser Eure Fahrweise ja gar nicht für todesgefährlich haltet, weil Ihr die allerallerbesten Autofahrer der Welt in einem Land ohne angemessene Geschwindigkeitsbegrenzung seid und Ihr Euch deshalb durch eine höhere Strafe für eine fahrlässige Tötung gar nicht angesprochen gefühlt habt. Ja, hinterher fangt Ihr schon mal an zu flennen, aber nicht, weil da ein Mensch aufgrund Eurer egoistischen Raserei verreckt ist, ihr ein Leben ausgelöscht habt, ein Kind seinen Vater, seine Mutter oder gleich beide verloren hat, Ihr Leid über eine Familie gebracht habt – und das nur weil Euch beim Rasen einer abgeht. Nein, das kümmert nur die wenigsten von Euch wirklich. Ihr jammert, weil Euch die Fahrerlaubnis entzogen wird und ihr – so war das bisher in der Regel – wegen fahrlässiger Tötung mit eine kleinen Bewährungsstrafe und einer zusätzlichen Geldauflage bestraft worden seid. Die Toten mögen Euch ein Leben lang nicht mehr ruhig schlafen lassen. Aber die wenigsten von Euch haben damit ein Problem.

Das wird sich jetzt hoffentlich ändern. Und ich hoffe sehr, dass dies erst der Anfang ist und die Innenminister, die ja sonst auch immer den starken Maxe markieren, endlich auch gegen die Lobby der Automobilindustrie im Bußgeldbereich noch kräftig nachlegen werden. 4000 Tote pro Jahr sind einfach zu viele Tote.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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