Die Trivialisierung des Rundfunks

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk rennt der Dummheit und der Trivialisierung hinterher. Das schadet der Demokratie und nützt den radikalen Populisten.


Im Zusammenhang mit dem Erstarken radikaler politischer Kräfte, die mittlerweile in Parlamenten ernst zu nehmenden politischen Einfluss bekommen, wird gern über die sozialen Medien im Internet, über Anonymität und Hasskommentare geklagt. Spricht man aber mit Freunden und Kollegen in der realen Welt, fällt auf, dass nur die wenigsten ihre politischen Ansichten aus dem Netz beziehen. Zwar reden viele über die Diskussionskultur im Netz, aber die Mehrheit ist gar nicht dabei, sie sind nicht bei Facebook, sie kommentieren nicht in den Kommentarspalten der Online-Medien.

Da stellt sich natürlich die Frage, ob wir unseren analytischen und argumentativen Eifer nicht auf eine ganz falsche Stelle der Medienwelt konzentrieren. Die politische Meinungsbildung der meisten Menschen findet weiterhin im Freundes- und Kollegenkreis statt, und sie speist sich nicht aus Facebook-Posts oder den Kommentaren im Netz, sondern aus dem, was die Menschen im Radio hören und im Fernsehen sehen.

In diesen Medien hat in letzter Zeit jedoch ein grundlegender Wandel stattgefunden, der bedenklich ist, der Sorgen macht. Betrachten wir einmal bespielhaft den Radiosender WDR 2, den ich jeden Morgen ca. zwei Stunden lang und im Laufe des Tages hin und wieder beim Autofahren höre. WDR 2 ist einer der reichweitenstärksten Radiosender Deutschlands, täglich schalten dreieinhalb Millionen Menschen diesen Sender ein, pro Stunde hören im Schnitt mehr als eine Million Menschen diesen Sender.

Nachrichten oder Unterhaltungsshow?

Aufmerksamen Hörern dürften in den letzten Monaten einige Veränderungen aufgefallen sein. So dauern die Hauptnachrichten zur vollen Stunde, die früher einmal fünf Minuten gedauert haben, inzwischen nur noch vier Minuten. Zweimal wechselt der Sprecher, jeweils mit einer kurzen Anmoderation verbunden, die keine echte Information enthält. Zur halben Stunde, wenn zu den kurzen Regionalnachrichten gewechselt wird, ist die Informationsleere noch mehr zu spüren, wenn die „Station Voice“ mit dramatischer Stimme verkündet: „Und jetzt, immer um Halb, von morgens 6 bis abends 6, Ihre Lokalzeit…“

Was darunter leidet, ist die Menge sachlicher echter Information, die tatsächlich in den Nachrichten gebracht wird. Statt Details zu nennen, gibt es nur noch Überschriften und Teaser, für mehr reicht die Zeit in diesen verkürzten Nachrichtensendungen nicht mehr.

Man fragt sich: Was soll das? Traut man den Hörern nicht mehr zu, ein paar sachliche, komprimierte, und trotzdem detaillierte Informationen aufzunehmen? Glaubt man, wir würden nur noch Radio hören, wenn selbst die Nachrichtensendungen zu Entertainment-Shows werden?

Wahrscheinlich gibt es ja irgendwelche Experten, die meinen, dass die Aufmerksamkeitsfähigkeiten der Zuhörer nachlasse. Aber vielleicht liegt das ja auch – wenn es überhaupt zutrifft – am mangelndem Training. Die Leute werden nicht immer dümmer, man muss sie nur fordern. Und ein Radiosender, zudem ein öffentlich-rechtlicher Informations- und Unterhaltungssender, sollte nicht einer imaginierten Dummheit der Hörer hinterherlaufen, sondern seinen Auftrag als Anspruch verstehen.

Auch die Wortbeiträge zwischen den Musiktiteln sinken ständig im Niveau. Zur besten Sendezeit hat man den Eindruck, dass fast nur noch platte Comedy nahe am Mario-Barth-Niveau gebracht wird. Die politische Hintergrundinformation, der sachliche Kommentar und der detaillierte Bericht sterben.

Skandalisierenden Interviews

Politik kommt überhaupt fast nur noch als skandalisierendes und trivialisierendes Politiker-Interview vor. Sicherlich sollen Journalisten kritisch nachfragen. Aber zur Sache, und nicht, um den Gesprächspartnern Sätze zu entlocken, die als machtkampf-Skandälchen ausgeschlachtet werden können. Das ist einfach, deshalb scheinen sich die Moderatoren gern darauf zu konzentrieren. Man hat den Eindruck, dass sie ihren ganzen Stolz daraus ziehen, einen Politiker im zwei-Minuten-Interview in eine Falle gelockt oder ihm einen unbedachten Satz entlockt zu haben. Verantwortung für sachliche politische Berichterstattung, die vielleicht auch mal das Funktionieren unserer demokratischen Verfahren in schwierigen Zeiten demonstriert? Fehlanzeige.

Solchen Interviewformen sind nur Demagogen und Populisten gewachsen, die ihre absurden Forderungen in einfache Schlagworte bringen können. Verantwortungsvolle Politiker, die etwas abzuwägen und zu entscheiden haben und die vielleicht sogar wollen, dass die Bürger die schwierigen Entscheidungsprozesse verstehen, haben da keine Chance. Sie haben ja genug damit zu tun, unter dem Druck des unsachlich nachhakenden Moderators die richtige gendergerechte Ansprache nicht zu vergessen.

Am Ende unterstützt dieses Radioprogramm genau die, über man vordergründig die Nase rümpft: radikale Simplifizierer und Populisten. Man mag sich einreden, dass man so handeln muss, weil man selbst als öffentlich-rechtlicher Sender unter Rechtfertigungsdruck steht und dem Sparzwang ausgesetzt sei. Man mag anführen, dass man darum kämpft, die Hörer nicht an private Konkurrenten zu verlieren, denen die sachliche Information noch viel mehr egal ist.

Das ist aber alles Unsinn. Zuerst muss man den Anspruch hoch halten und den Auftrag, den man als öffentlich-rechtlicher Rundfunk hat, auch erfüllen. Dann werden die klugen und besonnenen Bürger auch dafür sorgen, dass dieser Rundfunk, den wir mehr brauchen als je zuvor, auch erhalten bleibt. Wenn man aber der Trivialität und Dummheit hinterherrennt, macht man sich wirklich sehr bald überflüssig. Dann will auch niemand mehr Gebühren für etwas bezahlen, was man einen Frequenzschritt weiter auch umsonst bekommen kann.

Jörg Phil Friedrich

Der Philosoph und IT-Unternehmer Jörg Phil Friedrich schreibt und spricht über die Möglichkeiten und Grenzen des digitalen Denkens. Friedrich ist Diplom-Meteorologe und Master of Arts in Philosophie.

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