Altersdiskriminierung in Hollywood: Wie alt ist Reese Witherspoon?

Wann gelingt es, Diskriminierung zu verringern? Wenn man Begründungen verbietet oder Informationszugang erschwert? Nein. Es gelingt nur dann, wenn man es schafft, ungerechtfertigte Vorurteile abzubauen. Das ist keine Aufgabe für den Gesetzgeber, sondern für die ganze Gesellschaft.


IMDb, ein Tochterunternehmen von Amazon, das eine Internetplattform mit umfangreichen Informationen zu Film und Fernsehen betreibt, klagt gegen den Staat Kalifornien. IMDb ist der Meinung, dass ein jüngst erlassenes Gesetz (Assembly Bill No. 1687) wieder abgeschafft werden soll. Es verbietet dem Unternehmen, das Alter von Schauspielern anzugeben, wenn diese das nicht wünschen. Das Gesetz soll Altersdiskriminierung in der Unterhaltungsindustrie bekämpfen.

Für das Gesetz eingesetzt hatte sich die Gewerkschaft SAG-AFTRA (Screen Actors Guild‐American Federation of Television and Radio Artists). Sie beklagte, dass IMDb und andere Datenbanken, die von Filmfirmen für das Casting benutzt werden, unaufgefordert das Alter von Schauspielern oder deren Geburtsdatum angeben, so dass Nutzer „nicht vermeiden können, es zu sehen, selbst wenn sie das versuchen.“

SAG-AFTRA Präsidentin Gabrielle Carteris gelang 1990, damals 29-jährig, in der Rolle der 16-jährigen Andrea Zuckerman in der Serie „Beverly Hills, 90210“ der Durchbruch als Schauspielerin. Heute, meint sie, würde das nicht mehr gehen.

Ein Gegenbeispiel liefert Reese Witherspoon, die in dem Film „Wild“ von 2014 die Tochter der nur sechs Jahre älteren Laura Dern spielt.

Oder Bea Arthur, die in Golden Girls die Tochter der ein Jahr jüngeren Estelle Getty spielt.

Eine Frage der Freiheit

IMDb klagt zu Recht. Das Gesetz verstößt gegen das First Amendment der amerikanischen Verfassung und wird daher wohl nicht Bestand haben. Die kalifornische Regierung argumentiert zwar, es handele sich nicht um eine Einschränkung der freien Rede (free speech), sondern der „kommerziellen Rede“ (commercial speech), die grob gesagt alle Formen der Werbung umfasst. Aber das trifft bei IMDb nicht zu. Das ist eine öffentliche Datenbank, die umfassend über Film und Fernsehen informiert und nicht nur dem kommerziellen Casting dient. In IMDb findet man jeden, der irgendwann mal im Fernsehen durchs Bild gelaufen ist – sogar mich (ohne Altersangabe).

IMDb beschreibt seine Sicht der Dinge so:

IMDb nimmt regelmäßig und gerne Änderungen auf IMDb.com vor, um verifizierte Unkorrektheiten zu beseitigen. Aber es war immer IMDbs Politik, genaue, faktisch richtige Informationen auf der öffentlichen Website nicht zu ändern oder zu löschen. Dazu gezwungen zu werden, verstößt nicht nur gegen grundsätzliche Prinzipien der freien Rede, sondern unterminiert auch die Genauigkeit und Verlässlichkeit der IMDb.com-Datenbank, auf die sich Millionen von Nutzern verlassen. (zitiert nach The Hollywood Reporter)

Casting ist Diskriminierung

Die richtige Besetzung für eine Rolle zu suchen, bedeutet eine Auswahl zu treffen. Mit anderen Worten: zu diskriminieren. Ein guter Caster ist ein Meister der Diskriminierung. Die Kriterien vorzugeben, die dabei berücksichtigt oder nicht berücksichtigt werden dürfen, wäre so, wie wenn man einem Maler vorschriebe, welche Pinsel er zu verwenden hat.

Das IMDb-Gesetz ist das Ergebnis nutzlosen Aktionismus und damit leider nicht untypisch für Antidiskriminierungsgesetzgebung. Es ist eine Auswahl zu treffen, und man erschwert den Prozess, indem man erlaubte und nicht erlaubte Begründungen bzw. erlaubte und nicht erlaubte Informationen definiert oder versucht, den Zugang zu relevanten Informationen zu erschweren. Die Arbeit wird schwerer, das Ergebnis deshalb aber nicht besser. Auch nicht im Sinne dessen, der die Erschwerung verantwortet.

Es bringt auch nichts. Wer sein Alter aus IMDb löschen lässt, hat damit nicht viel gewonnen. Denn in jedem kleinen Artikel, der hoffentlich über einen geschrieben wird, wenn man Schauspielerin ist, steht hinter dem Namen in Klammern das Alter. Der erste Treffer bei jeder Google-Suche liefert, wenn man nicht ganz am Anfang seiner Karriere steht, einen Wikipedia-Eintrag, der mit Namen, Geburtsdatum und Alter beginnt. Wer also Altersdiskriminierung bekämpfen will, indem er anderen untersagt, die heikle, aber leicht zu ermittelnde Information, weiterzugeben, hat viel zu tun. Er dürfte sich nicht auf IMDb beschränken, sondern müsste Schauspielern erlauben, der ganzen Presse zu verbieten, ihr Alter zu nennen. Eine absurde Idee, die am Problem der Altersdiskriminierung nicht ändern wird.

Die Journalistin Ellen Killoran fordert in einem Beitrag für Forbes von den Medien eine freiwillige Selbstbeschränkung:

Aber bis wir nicht alle aufhören, darauf zu bestehen, dass das Alter einer öffentlichen Person in jedem Artikel über sie gedruckt werden muss, wird das Gesetz AB 1687 nicht den beabsichtigten Effekt zur Bekämpfung der Diskriminierung haben.

Das ist weder realistisch noch wünschenswert. Es interessiert die Leute, wie alt die Stars sind. Und deshalb sollten sie es auch erfahren dürfen.

Das Alter der Darsteller ist Teil des Produkts

Wenn es denn überhaupt ein Problem der Altersdiskriminierung gibt. Es mag sein, dass in Hollywood die Rollen für ältere Schauspieler und noch mehr für ältere Schauspielerinnen rar sind. Doch dieses Charakteristikum der Branche lässt sich nicht einfach per Gesetz ändern. Denn das Aussehen der Darsteller ist im Gegensatz zu dem der Bühnenarbeiter Teil des Produkts. Und es hat nun mal auch viel mit dem Alter zu tun.

Was soll denn der Ausweg aus der Altersdiskriminierung sein? Dass Schauspielerinnen alles unternehmen müssen, um a) zehn Jahre jünger auszusehen und b) ihr Alter geheim zu halten? Wohl kaum. Oder sollen vielleicht auch die Fotos auf IMDb entfernt werden? Casting nach den Regeln anonymer Bewerbung? Sollte man den Drehbuchautoren vorschreiben, in allen Filmen Großmütter vorzusehen? Oder vielleicht gegen die „sexistische“ Praxis vorgehen, dass in so manchem Film (z.B. James Bond 007 – Im Angesicht des Todes) 57-jährige Männer (Roger Moore) etwas mit 29 jährigen Frauen (Tanya Roberts) anfangen? Das wären alles illegitime Eingriffe in die Freiheit der Kunst.

Wenn IMDb routinemäßig Angaben zu Religion, politischer Überzeugung oder sexuellen Präferenzen machte, könnte man argumentieren, dass die dort nichts zu suchen haben, da irrelevant für den Job. Gleichzeitig sehen wir, dass selbst solche Informationen keineswegs zu einer Benachteiligung führen müssen. John Travolta oder Tom Cruise kriegen tolle Rollen, obwohl sie sich zu Scientology bekennen. Warum? Weil allgemein bekannt ist, dass man auch ein guter Schauspieler sein kann, wenn man ansonsten ziemlich bescheuert ist. Die Leute, die das Casting machen, können damit umgehen. Und wir sollten ihnen zutrauen, dass sie auch mit anderen Informationen umgehen können. Sie können sagen: Mensch, die sieht aus wie ein Teenie, ist aber schon 29 und bringt damit viel mehr Professionalität mit als eine 16-Jährige. Die nehmen wir! Oder sie können sagen: Sie ist 29, also kommt sie nicht in Frage. Denn das wäre ungerecht gegenüber den 16-jährigen Bewerberinnen. Wir können doch den Teenagern, die für andere Rollen kaum infrage kommen, nicht Teenagerrollen vorenthalten. Das sind alles legitime Überlegungen. Und sie gelten nicht nur beim Film.

Egal ob in Hollywood oder in den profanen Jobs das alltäglichen Lebens – Diskriminierung werden wir nicht verringern, indem wir vorschreiben, welche Begründungen für die Ablehnung eines Kandidaten erlaubt sind und welche nicht, oder indem wir den Zugang zu Informationen erschweren. Es gelingt nur dann, wenn es gelingt, ungerechtfertigte Vorurteile abzubauen. Das ist keine Aufgabe für den Gesetzgeber, sondern für die ganze Gesellschaft.

Thilo Spahl

Thilo Spahl ist Diplom-Psychologe und lebt in Berlin. Er ist freier Wissenschaftsautor, Mitgründer des Freiblickinstituts und Redakteur bei der Zeitschrift NovoArgumente.

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