Generation Z – die Weltfremden

Schlusslicht des ABCs bildet bekanntlich das Z und hier befindet sie sich, die abnorme Absurdität, genannt Generation Z. Digital Natives schimpfen sie sich, YouTuber sind ihre Götter. Passia wagt das Experiment Generation Z.


„Beim Rooftop BBQ letztens ey, da saßen fast nur 30jährige rum!“, moserte die blondierte Bobträgerin und streckte ihre herausstechende Nase arrogant zum Himmel. Sie stocherte weiter etwas unbeholfen im Wasabi-Klecks auf ihrem Teller im Fusion-Restaurant rum und fuhr mit ihrer geistreichen Anekdote zum gestrigen Abend fort.

Ich hätte sie mindestens auf Mitte 30 geschätzt, doch das scheint wohl auch das Merkmal der Generation Z zu sein: Das Bestreben deutlich älter auszusehen. Man beobachtete das ja bereits bei Generationen davor, irgendwie schien „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ im realen Leben abzulaufen. Man vermutete bauchfreie Greise, doch dann war es nur eine dank Olaplex pflegeleicht ergraute 16 Jährige.
Genauso abnorm wie ihre Einstellung zu Älteren scheint auch ihre Einstellung zur Arbeitswelt zu sein. Praktikum? Wozu habe ich bitte auf der privaten Modeschule studiert? Überstunden? Passt nicht in meinen Lifestyle. Doch wie sieht so ein Lifestyle überhaupt aus. Ich wage das Experiment: einen Tag im Leben eines Menschen der Generation Z.
Weckerpiepen? Hallo?! Der frühe Vogel kann mich mal. Erst einmal Snapchat checken. Oh, ein neues Video ist online, cool. Schlaftrunken schlurfe ich in die Küche. Der gestrige Abend wurde spät, habe noch mit der Crew an der Spree gechillt. Ganz spontan, wie ich so bin, habe ich um Punkt 18 Uhr den Stift in der Werbeagentur in der ich arbeite fallen gelassen und bin nach Neukölln abgezogen. Man muss ja schließlich nicht übertreiben.

Ich wühle mich durch meine Müslisammlung. Hm, Chia-Samen oder doch Haferbrei? Habe ja heute meinen Cheat Day (probiere eine Woche lang Slow-Carb aus, machen meine ganzen Freundinnen auch schon). Und wenn ich schon an einem Tag in der Woche so richtig reinhauen kann (bis zu 3000 Kalorien #wtf) dann mal richtig. Also schön die Cashew-Creme fett aufs Dinkeltoast. Ich fläze mich wieder aufs Bett und klicke meine YouTube-Abos durch. Gesehen, schon gesehen, schon gesehen. Bei Whatsapp ist auch noch nichts los, kein Wunder, pennen sicherlich noch alle.
Schnell noch Haare waschen. Ach ne, das macht man ja nur noch dreimal im Monat, habe ich letztens in diesem einen Magazin gelesen und Dagi Bee macht das auch gerade so.

Die allmorgendliche „Was ziehe ich an“-Frage beantworte ich mir durch ein paar Klicks in meine Favoriten-Pinterestboards und den neusten Stylehighlights von Masha Segdwick. Uh, die trägt jetzt Tunnelohrringe. Sieht gefährlich aus.
Nach einer gefühlten Ewigkeit schwinge ich mich auf mein Bike und radle bequem in die Agentur. Sind alle schon da, Streber. Die komische Kollegin, deren Name ich schon wieder vergessen habe, straft mich mit ihrem mahnenden Blick. Ich schenk ihr dafür mein fettestes Lächeln – da fällt mir glatt ein passendes Visual-Statement zu ein, muss ich gleich Isa auf die Wall posten.

Puh, nach drei Stunden hänge ich schon wieder in den Seilen. Überhaupt, den ganzen Tag auf dem Arsch sitzen geht mir total gegen meine Work-Life-Balance. Jetzt eine Matcha-Pause. Hm, das tut gut.Mittags knall ich mich in die Sonne auf den Rasen im Hof. #workinghardforthemoney. Scheisse, habe mein Selfie heute früh vergessen. Muss ein Foto von meinen neuen Sneakern reichen. Zack, gepostet. Fünf likes. Pfft, da geht doch noch mehr. Gerne würde auch ich mit Instagram mein Geld verdienen. Da bleibe ich wenigstens in Bewegung.

Ach, dieser Job langweilt mich bereits nach der zweiten Woche. Immer diese ständigen Meetings. Kann man nicht einfach so ganz gechillt quatschen? Und überhaupt, was wollen die mir eigentlich immer mit diesen ewigen „Runden“ sagen. Kunde mag da den Punkt nicht. Muss wieder ran. Kann der das nicht selber machen? Boah, so keinen Bock mehr.

Zeit für Musik. Sabine hat mir doch letztens ihre Playlist geteilt, ah, da ist sie ja. Gleich 18 Uhr, na endlich. Bin gefühlt 10 Jahre gealtert. Bilde mir ein schon ein paar Falten mehr unter den Augen gefunden zu haben. Darf das mit dem Arbeiten nicht ausarten lassen, sonst sehe ich bald aus wie meine eine Kollegin. Die ist schon 30 und hat richtig fiese Krähenfüße. Überhaupt ähnelt sie einem Vogel mehr, als einem Menschen. Erzählt mir letztens was von 9/11 und irgendwelchem Geschichtsbla. Hab das Hashtag gesucht, schon krass. Aber c’mmon, wir sind 2016. Immer dieser Blick in die Vergangenheit.
Nach einem Tag muss ich das Projekt abbrechen – mein Gehirn fühlt sich auf Erbsengröße geschrumpft und die herumhüpfenden YouTuber machen mich langsam aber sicher aggressiv.

Mir geht es ähnlich wie den jungen Hüpfern der Generation Z: Ich kann mit ihnen auch nichts anfangen. Ihre ganze Arroganz – noch nie im Leben wirklich gearbeitet aber gleich an die ganz große Karriere glauben. Klar, bisschen Traumtänzerei schadet nie, aber wohin soll das noch führen? Und überhaupt, wie soll die Zusammenarbeit mit „älteren“ Kollegen aussehen? Wie sieht überhaupt arbeiten für die Generation Z aus?! Ich möchte gar nicht daran denken. Vielleicht lernt die Generation Z ja auch irgendwann mal was. Sich auf den Mond zu schießen zum Beispiel.

Alissia Passia

Die gebürtige Berlinerin blieb bis heute der Hauptstadt treu, obwohl sie zu ihr eine gewisse Hassliebe pflegt. Kein Wunder, dass sie diesen inneren Konflikt auch gerne in ihrer Kolumne thematisiert. Passia hospitierte im Hause Axel Springer, wo sie ebenfalls nebenberuflich tätig war. Seit 2006 ist sie im Bereich Werbetext für verschiedene namhafte Agenturen, wie Jung von Matt oder BBDO, tätig. Sie konzipierte ebenfalls mehrjährig auf Kundenseite und zuletzt in der Berliner Agentur für digitale Transformation. Dem Digitalen bleibt Passia auch zukünftig treu und macht "irgendwas mit Medien".

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