Ein Bericht für die „Demo für Alle“

Ich habe erreicht, was die Besorgten Eltern und die Bruderschaft des Weges, die anderen, die richtigen Heterosexuellen wollten.


Liebwerte besorgte Eltern, geschätzte Damen Beverfoerde und Kuby, hoch geachtete Bruderschaft des Weges, werter Herr Hoffmann,

ich habe die Ehre Ihnen einen Bericht über mein homosexuelles Vorleben und was dem folgte, einzureichen.
Einige Jahre trennen mich nun von der Homosexualität, in denen ich begleitet wurde von vortrefflich keuschen und frommen Menschen um ein ebensolcher zu werden: keusch und rein und unbefleckt. Denn das Menschentum ist nur ohne Homosexualität möglich. Daß ich es bis dahin geschafft habe, wäre nicht zu erreichen gewesen ohne Selbstverachtung, Kasteiung, Disziplin und Gehorsam. Gerade der Verzicht auf jeden schwulen Eigensinn war das oberste Gebot; ich fügte mich frei diesem Joch des Herrn, von dem Frau Kuby so jubelnd und kreuzgebückt spricht!

War mir zuerst die Rückkehr, wenn die richtigen und heterosexuellen Menschen gewollt hätten, freigestellt, wie die Brüder immer betonen, wurde es mir gleichzeitig mit der entsexualisierten und gefühlsärmeren Entwicklung immer niedriger und enger und gott-und elterngefälliger im Leben; ich konnte das Haupt nicht mehr heben und mein Rückgrat wurde immer weicher, wohler und eingeschlossener fühlte ich mich nur noch in der Menschenwelt, die ausschließlich eine heterosexuelle sein kann. Der Unterleibssturm, der mir – mir sei´s verziehen – aus meiner Vergangenheit nachblies, sänftigte sich. Heute ist es nur noch ein Luftzug, der mir die Fersen kühlt. Und das dunkle Loch in der Ferne, durch das er kommt und durch das ich einstmal kam, ist so klein geworden, daß ich, wenn überhaupt die verdrehten Kräfte und der verquirlte Wille hinreichen würden, um bis dorthin zurückzulaufen, das inzwischen saubere Fell vom Leib schinden müßte, um hindurchzukommen.

Offen gesprochen, Ihre Homosexualität, meine Damen und Herren, sofern sie so etwas, was Gott verhüten möge, hinter sich haben, kann Ihnen nicht ferner sein als mir die meine. An der Ferse aber kitzelt es jeden, der hier auf Erden geht, den kleinen Heterosexuellen wie den großen Markus Hoffmann.

Das erste, was ich lernte, war: den falschen Zungenschlag zu geben. Zungenschlag bezeugt fromme Camouflage. Mag nun auch heute, wo ich auf dem Höhepunkt meiner Wandlung stehe, dazu das gesalbte Wort der großen Heterosexuellen von Kuby bis Kelle, von Mewes bis Beverfoerde dazukommen, ihre Zungenschläge bereichern mich. Nur verstohlen wische ich zuweilen den Geifer ab, der auf mich herniederschleimt! Aber ich werde mich bessern!

Mein Wort, es sei geklagt, wird nicht von so ganz großer Kraft sein wie das dieser immer gefestigten Heterosexuellen, da ich bloß ein gewesener Homosexueller bin, aber sei´s drum, ich tue untertänigst, was man von mir verlangt und zeige, wie ein gewesener Homosexueller in die Menschenwelt eingedrungen ist. Doch dürfte ich, das was folgt, nicht mit so verschlossenem Herzen sagen, hätte man mir nicht zugesichert, daß sich meine Stellung auf all den großen Varietébühnen und Altarräumen der heterosexuell zivilisierten Welt sich nicht bis zur Unerschütterlichkeit gefestigt hätte. Ich bin halt ein ergebener Vorführaffe – as you desire me!
Ich stamme aus dem Hinterland. Darüber, wie ich eingefangen wurde, bin ich auf fremde Berichte angewiesen, denn ich hab sie verdrängt meine Schmutzigkeiten wie man mich geheißen! Sonst wäre ich wohl auch einer Krankheit des Intestums verfallen.

Eine Expedition der „Besorgten Eltern“, finanziert unter anderem von frommen Menschen, die sich für Tradition, Familie und Privateigentum einsetzen und für die ewige Richtigkeit christlicher Normen, lag vor den Stätten homosexuellen Unzucht wie vor einer Abtreibungsklinik auf dem Anstand – wie wohl dieses Wort tut – als ich zur Nacht, inmitten eines Rudels anderer Invertierter, zu Stätten der Unzucht lief. Man schoß, man traf mich, ich bekam zwei Schüsse. Einer traf mich in den Kopf. Der zweite – und hier sehen Sie, wie gut ich gelernt habe, denn ich wage es nicht mehr, die Begriffe für die Dinge da unten anzuwenden – der zweite also traf mich etwas unterhalb der Hüfte. Seit jenem, nun sagen wir, skopzentrischen Treffer, hinke ich ein wenig.

Nach den Schüssen erwachte ich, in einem Gespinst aus frommen Gesängen und Sprüchen, andauernden Gebeten wohl auch. Das Ganze war zu niedrig zum Aufstehen und zu schmal zum Niedersitzen, man konnte recht eigentlich nur darin knien. Und so eng war es, daß sich das Gespinst hinten ins Fleisch einschnitt und das Rückgrat verbog. Ich saß dort lange im Dunkeln. Man hält eine solche Verwahrung Homosexueller in der allerersten Zeit für vorteilhaft. Und ich kann heute nicht leugnen, daß dies im menschlichen, also heterosexuellen Sinne tatsächlich der Fall ist. Anstatt nach einem Licht zu suchen und zu forschen, konnte ich mir ein Licht, das Licht Gottes phantasieren. Und so sank ich ins Phantasma auch, ich folgte dem Willen des Herrn, der Herrn, der Herrenreiterin, gewiß Frau von Beverfoerde, die sich mich so schön als Verlorenen Sohn – heimgekerkert- präsentieren!

In der Dunkelheit war ich zum Ersten Mal in meinem Leben ohne Ausweg oder genauer, konnte nur nach einer einzigen Seite entweichen, weil es gewisse Bretter vor meinem Kopf nicht anders zuließen. Ich entdeckte zwar eine durchlaufende Lücke, aber so schmal, daß ich nicht einmal mein damals noch tägiges membrum virile, mein Gemächt, das ich – längst wie mein Gefühl verdorrt und abgefallen – hindurch stecken konnte. Mit der ganzen schwachen Kraft meiner homosexuellen Verirrung konnte ich die Lücke auch nicht verbreitern. Aber das war gut so, denn ich erkannte auf diese Weise, daß sie Recht haben, wenn sie sagen, daß mir die Männlichkeit fehle…

Ich soll, wie man mir später sagte, ungewöhnlich wenig Lärm gemacht haben, woraus man schloß, daß ich entweder bald eingehen müsse (und dies stellt auch eine praktikable und wünschenswerte Lösung dar) oder sehr dressurfähig sein würde. Ich überlebte diese Zeit. Ich schluchzte dumpf nach Gott, kratzte an mir schmerzhaft, wenn sich ein lüsternes Jucken zeigte, leckte müde an einigen Hostien, die man mir reichte, beklopfte manche Bibel, die man mir hingelegt hatte, ehrfurchtsvoll mit dem Kopfe, und bleckte erschreckend mit der Zunge, wenn mir jemand zu nahe kam, der mir nicht zu nahe kommen sollte.

Die alten Triebe nach ungezügelter Freiheit ließen mich das Fleisch zwischen den Zehen zerkratzen, ich spürte keinen Ausweg, jedenfalls keinen nach hinten und zurück… ich fühlte mich ans christliche Kreuz geschlagen. Aber Homosexuelle gehören den Brüdern und den besorgten Eltern nach eben ans erlösende Kreuz. Schmerz ist immer Erlösung du der Kuß Jesu, wie fast Heilige Mutter Teresa so wahr zu sagen pflegte!

Also hörte ich auf, ein Homosexueller zu sein. Ein klarer, schöner Gedankengang: der Ausweg lief zum selbst angenommenen Kreuz und zur Aufgabe der Freiheit, die eine äffisch-homosexuelle war.

Ich habe Angst, daß man mich nicht versteht. Freiheit ist ein tierisches Wort, das nach allen Seiten offen ist. Mit Freiheit betrügt man sich unter den Menschen allzu oft. Freiheit der Gefühle und des Verlangens, ist etwas, daß die Besorgten Eltern, die Brüder und wie sie sagen, auch Gott, verabscheut. Man betrügt sich damit oft genug selbst.

Nein, diese homosexuelle falsche Freiheit will ich nicht mehr, sondern die des Christenmenschen. Freiheit hat ein Homosexueller erst als Heterosexueller im Käfig wie ein Affe.Es sind gute Menschen, die Brüder. Gerne erinnere ich mich noch heute an den Klang ihrer schweren Ermahnungen. Sie haben die Gewohnheit, alles äußerst langsam in Angriff zu nehmen, denn steter Tropfen, geduldig verabreicht und die ewige Wiederholung, daß ich als Homosexueller unerwünscht und krank bin, ließen mich erkennen, wie ich sein mußte. Es gab nur einen einzigen Weg ein ganzer Mensch zu werden. Ich mußte das Homosexuelle abstreifen.

Ich beobachtete die richtigen, die heterosexuellen Menschen und versuchte, sie nachzuahmen. Ein hohes Ziel. Sie versprachen mir, ich würde aus der Gefangenschaft des Triebes erlöst werden. Es war so leicht, sie nachzuahmen. Ich ahmte ihre Rede von der Endlösung, Verzeihung, manche Worte kommen mir noch immer schwer über die Lippen, ich meinte natürlich, ich ahmte die Rede von der Erlösung nach und mußte mir noch nicht einmal danach den Mund abwischen…die Flötentöne beherrschte ich bald wie ein Alter, den Gehorsam, der erst zur inneren Freiheit führte…

Die meiste Mühe machte mir der Abendmahlskelch. Er war in seiner goldenen Unerbittlichkeit so kalt und der Wein war auch nicht der beste. Aber ich zwang mich und bald trank ich nicht nur das erlösende Blut Jesu, sondern spürte auch die wohlige Erkenntnis, daß nur durch das symbolische Essen von Jesu Fleisch und das Trinken von seinem Blut, ich erst ein ganzer, gottgefälliger Heterosexueller werden könnte. Jesus hatte sein geschlechtsloses Leben geopfert, da konnte ich doch wohl meine Homosexualität für ihn opfern.

Inzwischen zittere ich schon in freudiger Erwartung, wenn man mir nur einen Kelch voll mit der Milch der frommen Denkungsart zeigt. Nur manchmal, wenn ich daraus getrunken habe, reibe ich mir ein wenig den Bauch nach alter Art und die Hand gleitet hinunter ins Unsagbare. Aber ein strenger Blick reicht aus und ich beherrsche mich wieder.

Als ich zum ersten Mal vor einem großen Zuschauerkreis bei einer Demo für Alles präsentiert wurde, war ich der Stolzeste, der sich denken ließ. Denn nicht wahr, ich war vielleicht noch tapferer als jene Heterosexuellen da unten, denn es gehörte Mut und Opferbereitschaft dazu, so weit zu kommen, mehr als diese jemals aufbringen mussten, denn sie waren ja natürlich und nicht invertiert.

Als ich also zum ersten Male der Welt präsentiert wurde, erkannte ich gleich die großartige Möglichkeit, die sich mir bot: ich würde durch die Vorlesungssäle und Labore, auch durch die Kirchen und zu den Podesten der Demos für Alle gereicht werden, als Beispiel dafür, daß es möglich ist: die Homosexualität zu beherrschen, zu zähmen, hinter sich zu lassen, ein von den falschen Gefühlen und Trieben befreiter Mensch. Ich habe jetzt zwar weder Gefühl noch Triebe – aber ich bin rein.

Es beglückt mich. Durch eine Anstrengung sondergleichen habe ich den Seelenzustand eines normalen Durchschnittsgläubigen erreicht. Ein Triumph der Wissenschaft und des Gebetes!
Ich habe mich sozusagen in die heterosexuellen Büsche geschlagen – und präsentierte man mich nicht, so gliche ich allen anderen in ihrer Unauffälligkeit und Normalität.
Überblicke ich meine Entwicklung bis heute, so bin ich sehr selbstzufrieden, wie es auch die anderen Brüder sind. Ich schaue aus dem Fenster und betrachte das Leben der anderen. Und urteile darüber, ob sie´s richtig oder falsch machen.

Man wollte mir schon eine ebenso behandelte Lesbierin zur Seite stellen. Aber das möchte ich nicht; ich sah mal eine, die mich befremdeten Blickes anstarrte – das machte mir Angst. Und blieb bei meiner Enthaltsamkeit. Ich habe jedenfalls erreicht, was die Besorgten Eltern und die Bruderschaft des Weges, die anderen, die richtigen Heterosexuellen wollten: Man sage nicht, es wäre der Mühe nicht wert gewesen.

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