Buddha, Jesus, SpongeBob
Kann man den Simpsons in Fragen der Religion etwas Gehaltvolles entnehmen? Sie glauben nicht? Sebastian Moll beweist, dass er das kann.
Dr. Sebastian Moll hat „Das Evangelium nach Homer“ – Die Simpsons und die Theologie geschrieben. http://www.brendow-verlag.de/index.php/das-evangelium-nach-homer.html
Moll ist ein promovierter evangelischer Theologe, Laienprediger der methodistischen Kirche, Dozent und Autor einiger theologischer Sachbücher. Der bei christlichen Themen wohl unvermeidliche Matthias Matussek bezeichnet ihn in seinem Vorwort als einen der „scharfsinnigsten christlichen Essayisten“ des Landes. Moll liebt die Simpsons. Jedenfalls die alten Folgen. Mit den neuen fremdelt er etwas. Aber das macht nichts. Schon die alten liefern ihm reichlich Material für einen Streifzug durch das Reich der Religion und die theologischen Abgründe von Springfield.
Ein Büchlein mit Mogeltitel
Ich habe das Büchlein mit in Urlaub genommen. Büchlein, weil es mit nur 129 Seiten recht kurz ist. Bücher fangen bei mir erst ab 250 Seiten an. Bei manchem Büchlein ist man ja auch froh, dass es schnell zu Ende ist, ganz anders in diesem Fall.
Die 8 Kapitel sind schnell gelesen und man wünscht sich mindestens noch einmal so viele.
Die Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes sind heute vermutlich weit weniger Menschen auf Anhieb bekannt als Homer, Marge, Bart und Lisa Simpson. Aber als Evangelist erscheint Homer Simpson auch nicht wirklich. Der Titel ist clever gewählt, allerdings etwas mogelnd. Hier erzählt nicht etwa Homer Simpson die frohe Botschaft vom Leben und Wirken Jesu Christi, wie man es von einem echten Evangelisten erwartet, und was bestimmt auch sehr lustig wäre, nein, Moll setzt sich anhand einzelner Simpson-Folgen und einer Vielzahl von Zitaten mit Grundfragen der Religionen, meistens der christlichen, auseinander. Der kleine Trick mit der Überschrift ist aber schnell verziehen.
Ein guter Prediger macht halt aus jeder Vorlage eine gute Predigt. Jeder wird sich an Otto Waalkes Predigt über „Theo wir fahr’n nach Lodz“ erinnern. Gute Vorlagen liefern die Simpsons serienweise und so kann Moll sich mit der Autorität und den Widersprüchen der Bibel, dem Problem der Theodizee, der Kraft des Gebetes, der christlichen Ethik, der Institution Kirche, dem Zwiespalt zwischen Wissenschaft und Religion, mit Sekten, Kulten und Kultsekten und den Weltreligionen im Allgemeinen auseinandersetzen, ohne zu langweilen oder allzu belehrend daherzukommen. Lehrreich ist das trotz des sehr unterhaltsamen Stils. Moll ist das Gegenteil des drögen Predigers Reverend Lovejoy von der „Western Branch of American Reform Presbylutheranism“. Man muss ja nicht gleich alles glauben, was er so zum Besten gibt.
Heidenspaß
Religionsferne Simpsonfans werden an dem Buch genauso ihren Heiden-Spaß haben, wie simpsonferne Christen. Moll baut beiden Gruppen eine Brücke zueinander und wer nicht meint, dass Lachen geradewegs in die Hölle führt, wird bei der Lektüre von Herzen lachen können und dennoch den ein oder anderen ernsthaften Gedanken über das Wesen der Religion und deren Bedeutung für Menschen mitnehmen.
Homers Gebet: „Ich bete normalerweise nie, aber wenn es Dich wirklich da oben gibt, bitte rette mich, Superman!“ ist genauso ein Brüller, wie Lisas Bekenntnis: „Ich bete zu Buddha, Jesus, SpongeBob, ich habe keine Zeit wählerisch zu sein.“
Das mögen jetzt manche moralinsauren Ernstchristen für blasphemisch halten, aber die halten vermutlich schon die Simpsons überhaupt für eine Ausgeburt der Hölle und Monty Python für Söhne des Teufels. Ich vermute mal, Homer würde, wenn er das Wort „blasphemisch“ hört, begeistert rufen, „mich auch“ und fragen, wo die Fee denn ist, die ihm – nun ja, lassen wir das.
Wenn Moll sich durch Buddha, Jesus und SpongeBob an die Heilige Dreieinigkeit erinnert fühlt, dann ist das wohl eher unfreiwillige Komik, aber auch da hab ich mich köstlich drüber amüsiert. Endlich mal eine nachvollziehbare Visualisierung des Heiligen Geistes. Um es mit Lisa Simpson zu sagen: „Ach Bart, Zeichentrickfilme müssen nicht immer hundertprozentig realistisch sein.“ (aus: Auf Wildwasserfahrt [1F06] – nicht im Buch vorhanden) Die gelben Schwämme an Pfingsten, die auf die Apostel niederprasseln, waren nicht so leicht aus meinem Kopfkino zu bekommen. Das ist pythonesk.
Wenn Reverend Lovejoy zu Homer sagt: „Unsere Gebote bestätigen, dass Bier nichts Böses ist.“ und Moll die Freiheit des Christen mit den Worten des heiligen Augustinus, „Liebe, und tue, was Du willst.“ bestärkt, hat das was Erfrischendes. Wie ein gut gezapftes Duff-Beer.
Wenn der an manchen mir bekannten Superfrommen erinnernde Ned Flanders sich sorgt, eine Sünde zu begehen, weil er glaubt, seine eigene Frau zu begehren, dann gerät selbst der zum Zynismus neigende Prediger Lovejoy an den Rand des Wahnsinns, während der Leser seinen Spaß hat.
Ein überflüssiges Foul
Ein einziger Satz in diesem Buch ist mir allerdings übel aufgestoßen. „Es gehört zu den tragischen Entwicklungen der Weltgeschichte, dass sich das Volk Gottes dem Sohn Gottes nicht vollständig geöffnet hat.“ Und dieser Satz ist nicht satirisch von einem der Simpsons daher geplappert, sondern offenbar ganz ernst gemeint von Moll. Es ist schade, dass Rabbi Krustofski ihm auf diesen Satz nicht unmittelbar antworten kann. Vermutlich hätte der Moll erklärt, er sei da wohl auf einen zaubernden falschen Propheten und Wanderprediger hereingefallen, der sich des jüdischen Glaubens bedient und diesen entwertet hat. Ob nun Jesus Christus Gottes Sohn und der Messias ist oder eben nicht, ist Glaubenssache.
Da sollte ein Christ nicht auf die Idee kommen, er müssen sein Bedauern über die vermeintliche Starrsinnigkeit der Juden zum Ausdruck bringen. Jedenfalls nicht in einem eher locker fließenden Buch, dass ansonsten eben kein Missionswerk darstellt.
In diesem Punkt sind die Simpsons mit ihrem eher lockeren Verhältnis zu Religionen aller Art jedenfalls weiter als der Autor. Vielleicht kann Moll diesen Satz ja bei einer erweiterten Neuauflage des Buches einfach weg lassen. Er ist für Juden empörend, für Christen peinlich und für das Buch unnötig.
Bis auf diesen einen missglückten Satz gibt es, wie schon Matthias Matussek im Vorwort völlig zutreffend feststellt, viel zu lachen, viel zu staunen und viel zu lernen.
Oder um es erneut mit Homer zu sagen :“Ich wünschte, Gott würde noch leben, um das zu sehn.“
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