„Man kann sich auch einfach mal flachlegen lassen.“ – Ein Gespräch mit Billy Idol

Anlässlich seiner aktuellen Platte „Vital Idol – Revitalized“ sprach Ulf Kubanke mit Billy Idol über neue Projekte und seine Klassiker.


Hey little sister, shotgun!
(Billy Idol – „White Wedding“)

KUB: Um 40 Jahre im Rock’n’Roll-Zirkus zu überleben, muss man sicherlich Philosoph sein. Was viele nicht wissen: Du bist tatsächlich auch offiziell einer und studiertest in deiner Jugend Philosophie.

„Naja, so ein bisschen. Als ich an der Universität war, wollte ich unbedingt amerikanische Literatur studieren. Die einzige Möglichkeit bestand darin, als Nebenfach Philosophie zu belegen. Wenn du erstmal anfängst, dich ernsthaft mit der Materie zu beschäftigen, gelangst du an immer mehr Verzweigungen. Es ist wie in einem Kaninchenloch, wirklich verrückt. Schwerpunktmäßig habe ich mich aber mit US-Literatur beschäftigt. Ich dachte mir auch einfach, das Studium könnte mir beim Schreiben guter Songtexte nützlich sein.“

KUB: Deine aktuelle Platte „Vital Idol – Revitalized“ sieht auf den ersten Blick nach einer Greatest Hits-Platte aus, ist in Wahrheit aber ein Remixprojekt. Geht es dir darum, die eigenen Klassiker aus dem gewohnten Rahmen zu brechen und in einen neuen Zusammenhang zu setzen?

„Bis zu einem gewissen Grad definitiv. Dennoch ist das Konzept hier ein anderes als auf dem früheren „Vital Idol“-Album von 1987. Damals remixten vor allem der damalige Toningeneur und ich die Sachen. Das war ein Selfmade-Ding. „White Wedding“ z.B. setzten wir in einen totalen Synthesizer-Kontext. Auch wenn ich vom Punkrock komme, liebte ich solche Spielchen mit anderen Stilen schon immer. Reggae und Dub etwa sind zwei meiner ewigen Favoriten. Also gab es insgesamt einfach viele eigene Mixe. Da waren nicht viele Außenstehende mit eingebunden. Das wollte ich ändern. Einfach mal sehen, was andere Generationen für Ideen dazu haben. Was machen Leute aus der Gegenwart mit Tracks aus der Vergangenheit? Und hier haben die Remixer einfach viel mehr vollbracht, als ich zu hoffen wagte. Sie haben die Lieder nicht einfach remixt, sondern quasi neu erdacht. Sie haben – wie bei Dub-Reggae – die Vibes im Kern verändert. Daraus ist dann etwas komplett Neues, etwas Anderes entstanden. Beispielsweise gab es nie einen Remix von „Rebel Yell“. Es gibt hier so viele verschiedene Stile, die mich hoffen lassen, dass wirklich für jeden etwas dabei ist. Das scheint zu klappen. In den US-Billboardcharts ist das Album in den Top Ten gelandet.“

KUB: Es gibt tatsächlich viel Ungewohntes zu entdecken. Da ist etwa das groovy Piano auf „Hot In the City“ oder die frische Rock-Atmosphäre auf „Rebel Yell“. Würdest du mir zustimmen, dass ein gelungener Remix viel Liebe für das Original erfordert, aber nie zu ehrfürchtig ausfallen darf?

„Haha, ja genau. Ich mag den „Hot In The City“- Mix übrigens auch sehr. Das ist fast schon karibisch geworden. Da sind wir dann auch am künstlerisch entscheidenden Punkt. Das Neuerfinden klappt doch nur, wenn man nicht in Bescheidenheit erstarrt. Das muss nicht unbedingt einen radikalen Wechsel des Stils beinhalten, darf es aber, wenn die Inspiration etwas taugt und frisch rüberkommt. Es gibt hier z.B. auch jemanden, der sonst mit Kanye West arbeitet. Hier treffen sich also verschiedene Welten. Es ist ein großer Spaß für mich zu sehen, dass eventuell der eine oder andere, der sonst nicht Billy Idol hört, mit diesen Liedern vielleicht etwas anfangen kann.“

KUB: Auf der anderen Seite findet jedoch zwangsläufig auch eine Polarisierung der Hörer statt. Neben den aufgeschlossenen Teilen des Publikums, erschallen durchaus auch Stimmen, die diese Versionen als eine Art Verrat an der Rockmusik empfinden. Was würdest du solchen Skeptikern antworten?

„Erstmal würde ich denen sagen, dass „Revitalized“ doch nicht das Ende der Welt ist. Demnächst wird es wieder eine neue Scheibe geben. Auf der gibt es dann wieder den regulären Billy Idol als Rockmusiker zu hören. Dann würde ich darauf hinweisen, dass dies hier doch ein Spaßprojekt ist. Der Spaß besteht darin, nicht limitiert zu hören. Und außerdem nimmt es den Originalen doch nichts weg. Die sind doch immer noch vorhanden und man kann sie jederzeit einwerfen. Das hier ist eine Ergänzung, ein zusätzliches Angebot. Niemand wird gezwungen, sich die Songs anzuhören. Also gibt es auch nichts zu meckern. Statt sich über die Musik zu beschweren, kann man viel Sinnvolleres mit seiner Zeit anfangen, z.B. sich flachlegen lassen oder so.“

KUB: Du warst schon immer sehr vorwärts gewandt. Schon vor einem Vierteljahrhundert experimentiertest du als einer der ersten Musiker mit virtuellen Formaten und machtest das „Cyberpunk“-Album. Damals ein Flop gilt es heute als rehabilitiert. Bereust du es, die Platte damals und nicht heute gemacht zu haben?

„Ach nein, im Gegenteil. Es war wichtig, es damals gemacht zu haben und nicht heute. Warum? Nun, heute wäre es einfach eine konventionelle, sehr offensichtliche Veröffentlichung zwischen vielen anderen und mehr typischer Zeitgeist als echte Utopie oder Dystopie. Gerade weil es seiner Zeit voraus war, war es wichtig, diesen Schritt zu gehen. Es machte mir besonderen Spaß, mit all den neuen Elementen zu spielen, als alles begann. Das Computer-Zeitalter ging doch gerade erst los. Wie bei Huxley war es eine „Schöne Neue Welt“. Insofern freue ich mich, dass das Album seine späten Bewunderer hat. Aber mit meiner Triebfeder hat das nichts zu tun. Der Hauptaspekt beim Musikmachen liegt darin, es in genau jenem Moment zu machen, der sich richtig anfühlt. Es geht mehr um das Machen als um den Erfolg. Für mich lag der Spaß gerade darin, etwas ganz anderes zu machen als sonst. Man muss manchmal einen Schritt neben sich treten, um das eigene künstlerische Spektrum zu erweitern. Dann entdeckt man im besten Fall, in welch vielversprechend neue Richtung das jeweilige Projekt gehen kann. Auch jetzt ist es wieder so. Nach dem Experiment der Remixe habe ich jetzt wieder besonders viel Lust, mit Steve Stevens weiter zu machen und ein echtes Billy Idol-Rockalbum zu machen.

KUB: Vor einigen Jahren sorgte auch deine Version von „Don’t You (Forget About Me)“ für Irritationen bei Fans. Was viele nicht wissen: Im Grunde ist es fast dein Lied.

„Geschrieben habe ich es nicht. Aber ich sollte es damals für den Soundtrack singen. Man fragte mich. Dazu kam es jedoch nicht. Also wollte ich später auch einfach meine eigene Version machen.“

KUB: Als echte Coverversionen nahmst du jedoch „L.A. Woman“ von The Doors und „Heroin“ von The Velvet Underground“ auf. Kann man sagen, dass Jim Morrison und Lou Reed deine persönlichen Helden sind?

„Oh ja! Ich liebe The Doors und The Velvet Underground. Auch Lou Reed solo war absolut fantastisch. Erinnere dich nur an seine tolle Zusammenarbeit mit David Bowie.“

KUB: Die haben einander perfekt ergänzt. Allein schon, wenn Bowie auf „Transformer“ die niedliche Blockflöte auspackt. Hast du eine Lieblingsplatte von Lou?

„Tja, welche wäre das? Natürlich die „Transformer“. Aber daneben definitiv auch „Berlin“. Die kam ja direkt nach „Transformer“. Ha! Großartig, wie Lou eine totale Kehrtwende machte und nach den Hits aus dem Nichts diese wirklich unglaubliche Konzeptplatte machte.“

Ulf Kubanke

Ehemaliger Anwalt; nun Publizist, Gesprächspartner und Biograph; u.a. für Deutschlands größtes Online-Musikmagazin laut.de.

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