Das Cannabis-Gesetzchen

Das neue CanG wurde vom Bundesrat durchgewunken. Karl Lauterbach kommt mit einem blauen Auge davon. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz.

Bild von Alejoturola auf Pixabay

Gestern fand sich im Bundesrat keine Mehrheit dafür, das neue Cannabis-Gesetz in den Vermittlungsausschuss zu übermitteln. Jetzt muss nur noch der Bundespräsident unterschreiben und dann kann es ab 1.4.2024 in Kraft treten.

Ich gebe zu, ich habe nicht damit gerechnet, dass das CanG überhaupt noch einmal in Kraft treten wird. Aber zu meinem Erstaunen schaffte die Opposition es nicht, das Gesetz im Bundesrat aufzuhalten. Soweit, so gut. Ein kleier Erfolg für Lauterbach, eine Niederlage für Merz und Kumpane.

Kein großer Wurf

Wer nun aber glaubt, ab dem 1.4.2024 sei für Konsumenten großartig etwas gewonnen, der irrt. Denn was da nun gesetzlich geregelt wurde, wird nicht allzuviel ändern. Jedenfalls nicht auf die Schnelle.

Opa, der gerne am 1.4. erstmals legal kiffen möchte, hat nämlich ein Problem. Wo bekommt er legal den Stoff her?

Mitglied in einem der Clubs, die künftig für ihre Mitglieder anbauen und denen bis zu 50g im Monat abgeben dürfen, wird man so schnell ja nicht, zumal diese Clubs noch gar nicht existieren. Legale lizensierte Verkaufsshops gibt es nicht und wird es wohl auch lange nicht geben. Selbstanbau dauert auch eine Weile. Bleibt also nur der illegale Erwerb auf dem Schwarzmarkt. Ja, sie lesen richtig. Das ist der Markt, der mit dem Gesetz eigentlich trockengelegt werden soll. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Wer kiffen will, muss den Stoff ja irgendwoher bekommen.

Legal, illegal

Dass der Konsum von Cannabis nun legal sei, ist nur halbwahr. Denn der Konsum stand noch nie unter Strafe, war also stets legal.  Allerdings standen der Erwerb, der Besitz, der Handel, die Abgabe, der Anbau etc. unter Strafe. Und daran ändert sich so gut wie nichts.

Wir haben jetzt die sogenannte Säule 1 des Gesetzes, was bedeutet:

Mit dem Cannabisgesetz (kurz: CanG) wird der private Eigenanbau durch Erwachsene zum Eigenkonsum sowie der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau von Cannabis in Anbauvereinigungen legalisiert. Diese Grundsatzentscheidung ist im Eckpunktepapier vom 12. April 2023 für ein 2-Säulen-Modell zur kontrollierte Abgabe von Genusscannabis an Erwachsene festgehalten.

Säule 1 ermöglicht den privaten Eigenanbau durch Erwachsene zum Eigenkonsum sowie den gemeinschaftlichen, nicht-gewerblichen Eigenanbau von Cannabis in Anbauvereinigungen.

Da lacht sich der Dealer schlapp, denn das wird sein Geschäft kaum gefährden.

Die Bundesregierung meint allerdings:

Durch die legale Möglichkeit des Eigenanbaus von Cannabis im Cannabisgesetz soll der Schwarzmarkt zurückgedrängt und für Konsumentinnen und Konsumenten ein sicherer Zugang zu Cannabis ermöglicht werden.

Durch das Cannabisgesetz wird der private Eigenanbau ermöglicht. Daneben ist es nicht-gewerblichen Anbauvereinigungen unter engen, klar definierten gesetzlichen Rahmenbedingungen – insbesondere unter aktiver Mitwirkung ihrer Mitglieder – erlaubt, gemeinschaftlich Cannabis anzubauen und an ihre Mitglieder für den Eigenkonsum weiterzugeben.

Das geht an der Realität vorbei.

Immerhin gibt es nun eine gewisse Entkriminalisierung, und wenn Sie mit unter 25g auf der Straße erwischt werden, müssen Sie ja nicht erzählen, woher der in Ihrem Besitz befindliche Stoff stammt. Ich bin gespannt, ob Polizeistreifen jetzt alle mit einer Feinwage durch die Fußgängerzone patrouillieren und bei 26g ein Mordstheater machen werden. So ein praxisferner Käse ist mirr selten zu Gesicht gekommen.

Und dann gibt es – zwangsläufig – noch die Möglichkeit, bereits „erlittene“ Strafen, soweit noch nicht vollstreckt, aus dem Bundeszentralregister löschen zu lassen. Das führt zwar zu einer gewissen Bereinigung des Vorstrafenregisters, bringt aber zunächst mal bürokratischen Aufwand mit sich:

Art. 313 EGStGB
Noch nicht vollstreckte Strafen

(1)
Rechtskräftig verhängte Strafen wegen solcher Taten, die nach neuem Recht nicht mehr strafbar und auch nicht mit Geldbuße bedroht sind, werden mit Inkrafttreten des neuen Rechts erlassen, soweit sie noch nicht vollstreckt sind.

Der Straferlaß erstreckt sich auf Nebenstrafen und Nebenfolgen mit Ausnahme der Einziehung und Unbrauchbarmachung, Maßregeln der Besserung und Sicherung, Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nach dem Jugendgerichtsgesetz sowie auf rückständige Bußen und Kosten, auch wenn die Strafe bei Inkrafttreten des neuen Rechts bereits vollstreckt war.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn ein vor Inkrafttreten des neuen Rechts erlassenes Urteil nach diesem Zeitpunkt
1. rechtskräftig wird, weil ein Rechtsmittel nicht eingelegt oder zurückgenommen wird oder das Rechtsmittel nicht zulässig ist, oder
2. sonst rechtskräftig wird, ohne daß der Schuldspruch geändert werden konnte.

(3)
Ist der Täter wegen einer Handlung verurteilt worden, die eine nach neuem Recht nicht mehr anwendbare Strafvorschrift und zugleich eine andere Strafvorschrift verletzt hat (§ 73 Abs. 2 des Strafgesetzbuches in der bisherigen Fassung), so sind die Absätze 1 und 2 nicht anzuwenden. Das Gericht setzt die auf die andere Gesetzesverletzung entfallende Strafe neu fest, wenn die Strafe einer Strafvorschrift entnommen worden ist, die aufgehoben ist oder die den Sachverhalt, welcher der Verurteilung zugrunde lag, nicht mehr unter Strafe stellt oder mit Geldbuße bedroht.

Ist die Strafe der anderen Strafvorschrift entnommen, so wird sie angemessen ermäßigt, wenn anzunehmen ist, daß das Gericht wegen der Verletzung der gemilderten Strafvorschrift auf eine höhere Strafe erkannt hat.

(4)
Enthält eine Gesamtstrafe Einzelstrafen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 und andere Einzelstrafen, so ist die Strafe neu festzusetzen.

In den Fällen der §§ 31 und 66 des Jugendgerichtsgesetzes gilt dies sinngemäß.

(5) Bei Zweifeln über die sich aus den Absätzen 1 und 2 ergebenden Rechtsfolgen und für die richterlichen Entscheidungen nach den Absätzen 3 und 4 gelten die §§ 458 und 462 der Strafprozeßordnung sinngemäß.

Ich freue mich zwar, dass Karl Lauterbach, der Gebeutelte, mit diesem Gesetz nicht voll auf die Nase gefallen ist; ich hoffe aber, dass die weiteren „Säulen“ des Gesetzes bald folgen mögen, damit der ganze Zirkus überhaupt noch irgendeine positive Wirkung gegen die Kriminalität entfalten kann.

So ist das nur erstmal ein kleines Rauchwölkchen am Kifferhimmel.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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