Das Erbe ausschlagen
In den letzten Wochen wurden mir häufig Fragen zum Thema „Erbausschlagung“ gestellt. Wozu sollte man das machen, und wie geht das eigentlich genau? Eine „Service-Kolumne“ von Heinrich Schmitz.
Bild von Denise Henze auf Pixabay
Erbe zu werden kann wunderbar sein. Ein völlig unbekannter Verwandter, dessen gemeinsame Vorfahren irgendwann im vorletzten Jahrhundert nach Amerika ausgewandert sind und der keine Nachkommen hat, hinterlässt Ihnen ein paar Millionen Dollar. Ihre Trauer über den Verlust des Ururugroßonkelabkömmlings hält sich vermutlich in Grenzen, weil Sie den noch nie gesehen haben. Alles fein. Aber halt nicht unbedingt der Regelfall.
Automatik
Und so ist es gar nicht mal so selten, dass man ein Vermögen erbt, das sich in erster Linie dadurch auszeichnet, dass man es unter keinen Umständen haben möchte. Das Problem ist, Erbe wird man automatisch, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Da muss man nichts „annehmen“ wie manche meinen. Das ist eine Besonderheit des deutschen Erbrechts, „Vonselbsterwerb“ genannt. Ist man in einem Testament als Erbe benannt oder ist man gesetzlicher Erbe, weil der Verstorbene kein Testament hinterlassen hat, dann ist man im Zeitpunkt des Todes des Erblassers in der Stellung als Erbe. Einfach so. Da muss man keinen Antrag für stellen, das passiert.
§ 1942 Anfall und Ausschlagung der Erbschaft
(1) Die Erbschaft geht auf den berufenen Erben unbeschadet des Rechts über, sie auszuschlagen (Anfall der Erbschaft).
(2) Der Fiskus kann die ihm als gesetzlichem Erben angefallene Erbschaft nicht ausschlagen.
Es gibt nun aber verschiedene Situationen, wo man gar kein Erbe sein will, und in denen es auch höchst sinnvoll sein kann, eine Erbschaft auszuschlagen.
Hier sind einige mögliche Gründe:
Verschuldung des Nachlasses
Wenn der Verstorbene Schulden hatte, gehen diese auf die Erben über. Der Erbe erbt immer das ganze Vermögen, also Aktiva und Passiva, Haben und Soll. Nur die Rosinen rauspicken geht nicht. In einigen Fällen kann die Höhe der Schulden den Wert des Erbes deutlich übersteigen. Da sollte man natürlich eiligst die Flucht ergreifen. Es ist wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass Sie nicht verpflichtet sind, eine Erbschaft anzunehmen, die mehr Schulden als Vermögenswerte enthält. Und aus dieser Nummer kommen Sie auch wieder raus, obwohl Sie erst einmal automatisch Erbe geworden sind.
Finanzielle Belastung
Selbst wenn der Nachlass nicht verschuldet ist, kann es sein, dass die Kosten für die Verwaltung des Erbes (z. B. Erbschaftssteuern, Anwaltsgebühren, Testamentsvollstreckungskosten) so hoch sind, dass es für Sie finanziell unvorteilhaft ist, das Erbe anzunehmen. Das müssen Sie sich genau ansehen.
Moralische Gründe
Es gibt Fälle, in denen Erben aus moralischen oder ethischen Gründen beschließen, das Erbe auszuschlagen. Dies könnte der Fall sein, wenn das Erbe aus illegalen oder unmoralischen Quellen stammt. Nicht jeder meint, dass Geld nicht stinkt. Oder wenn Onkel Hubsis Nachlass zwar nicht überschuldet ist, aber lediglich aus einer alten Schultasche mit einem Flugblatt oder – wie bei Andreas Rebers – der alten HJ-Uniform von Onkel Dolf besteht.
Stressige Erben
Wenn die Erben untereinander nicht einig sind – was gar nicht selten ist – oder es Konflikte über die Verteilung des Erbes gibt, kann es besser sein, das Erbe auszuschlagen, um mögliche Spannungen zu vermeiden. Erbengemeinschaften können die Hölle sein.Nicht jeder hat Bock auf eine langjährige gerichtliche Erbauseinandersetzung und zieht lieber gleich die Reissleine.
Eigene finanzielle Situation
Es ist wichtig zu berücksichtigen, wie sich das Erbe auf Ihre eigene finanzielle Situation auswirken würde. Wenn Sie bereits gut versorgt sind und das Erbe nicht wesentlich zur Verbesserung Ihrer Lebensqualität beitragen würde, könnte das Ausschlagen in Betracht gezogen werden, um einen anderen Erben, wie z.B. Ihre Kinder zu begünstigen.
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Es ist grundsätzlich immer ratsam, in solchen Situationen rechtlichen Rat von einer Anwältin oder Anwalt oder auch von einem Notar oder einer Notarin einzuholen. Ein Experte kann Ihnen helfen, die spezifischen Auswirkungen einer Erbausschlagung in Ihrem Fall zu verstehen.
Ausschlagen
Denn das ist das, was Sie machen müssen, wenn Sie eben nicht erben wollen: Ausschlagen. Nicht nur die Bäume oder die Pferde können ausschlagen. Das können Sie auch.
In Deutschland können Sie eine Erbschaft ausschlagen. Dabei müssen Sie die folgenden Schritte beachten:
Fristen beachten
Die erste wichtige Sache ist, die Ausschlagungsfrist zu beachten. In Deutschland beträgt die gesetzliche Frist für die Ausschlagung einer Erbschaft sechs Wochen ab Kenntnis vom Erbfall. Wenn Sie die Frist versäumen, wird die Erbschaft als angenommen betrachtet.
In § 1944 BGB heißt es:
§ 1944 Ausschlagungsfrist
(1) Die Ausschlagung kann nur binnen sechs Wochen erfolgen.
(2) Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt. Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen, beginnt die Frist nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 entsprechende Anwendung.
(3) Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält.
Die Frist läuft also erst ab dem Zeitpunkt an dem Sie erfahren, dass Sie Erbe geworden sind.
Erklärung vor dem Nachlassgericht abgeben
Um die Erbschaft auszuschlagen, müssen Sie eine schriftliche Erklärung vor dem zuständigen Nachlassgericht abgeben. Diese Erklärung sollte Ihren ausdrücklichen Willen zur Ausschlagung der Erbschaft enthalten. Sie können das Formular für die Ausschlagung beim Nachlassgericht oder einem Notar erhalten.
Das geht allerdings nicht mehr, wenn Sie die Erbschaft ausdrücklich oder durch bestimmte Handlungen, wie z.B. dem Verkauf eines Nachlassgegenstands, angenommen haben.
§ 1943 Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Der Erbe kann die Erbschaft nicht mehr ausschlagen, wenn er sie angenommen hat oder wenn die für die Ausschlagung vorgeschriebene Frist verstrichen ist; mit dem Ablauf der Frist gilt die Erbschaft als angenommen.
Fristwahrung
Stellen Sie also sicher, dass Ihre Ausschlagungserklärung innerhalb der sechs Wochen nach Kenntnisnahme über den Erbfall beim Nachlassgericht eingereicht wird. Eine verspätete Einreichung führt zur Annahme der Erbschaft.
Begründung (optional)
Sie können, müssen aber nicht, Gründe für die Ausschlagung angeben. Es reicht aber die einfache Erklärung aus, dass Sie die Erbschaft ausschlagen.
Erbschein nicht beantragen
Sie sollten auf keinen Fall einen Erbschein beantragen, wenn Sie die Erbschaft ausschlagen wollen. Der Erbschein ist ein offizielles Dokument, das die Berechtigung des Erben bestätigt.
Keine Handlungen zur Annahme des Erbes
Während des Ausschlagungsprozesses sollten Sie keine Handlungen vornehmen, die darauf hinweisen könnten, dass Sie die Erbschaft doch annehmen, wie zum Beispiel Vermögenswerte aus dem Nachlass verkaufen oder verteilen.
Wenn Sie das alles fristgerecht gemacht haben, haben Sie nichts mehr mit der Erbschaft zu tun.
Falls nicht, haben Sie zwar ein Problem, allerdings kein unlösbares.
Nachlassinsolvenz
Wenn Sie das kranke Erbe am Bein haben, aber dann erst bemerken, dass der Nachlass überschuldet ist, können Sie eine Nachlassinsolvenz beantragen. Zwar gibt es dafür keine zeitliche Befristung, allerdings muss der Erbe die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens unverzüglich beantragen, nachdem er Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung erlangt hat. Wer auch das verpennt, hat halt Pech gehabt. Haben Sie es rechtzeitig gemacht, dann beschränkt sich Ihre Haftung nur auf den Nachlass, d,h, Sie brauchen nicht an Ihr eigenes Vermögen ranzugehen, um die Schulden zu tilgen.
§ 1975 Nachlassverwaltung; Nachlassinsolvenz
Die Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten beschränkt sich auf den Nachlass, wenn eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger (Nachlassverwaltung) angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist.
Und wenn auch das nicht greift, gibt es immer noch die Möglichkeit der Dürftigkeitseinrede.
§ 1990 Dürftigkeitseinrede des Erben
(1) Ist die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wegen Mangels einer den Kosten entsprechenden Masse nicht tunlich oder wird aus diesem Grunde die Nachlassverwaltung aufgehoben oder das Insolvenzverfahren eingestellt, so kann der Erbe die Befriedigung eines Nachlassgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht. Der Erbe ist in diesem Fall verpflichtet, den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben.
(2) Das Recht des Erben wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gläubiger nach dem Eintritt des Erbfalls im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung ein Pfandrecht oder eine Hypothek oder im Wege der einstweiligen Verfügung eine Vormerkung erlangt hat.
A Bisserl was geht also immer noch. Dennoch rate ich Ihnen, früh zu handeln, um unötigem Ärger gleich aus dem Weg zu gehen.