Nein, das Frasier-Reboot braucht den alten Cast nicht…

… und wird wahrscheinlich trotzdem scheitern. Sören Heim über eine fixe Idee des Magazins „Screen Rant“.


Bei Screen Rant hat man eine fixe Idee zur geplanten neuen Frasier-Serie, die der Publikation so wichtig zu sein scheint, dass ihr bereits mindestens zwei Artikel gewidmet wurden. Die Idee geht, kurz zusammengefasst, so und ist natürlich totaler Unsinn: Frasier als Figur ist alleine nicht interessant genug, er braucht andere interessante Figuren, um zu funktionieren. Und deshalb muss die Weiterführung von Frasier scheitern, da es bekanntlich nicht gelungen ist, den Rest des Casts der Erfolgsshow für die neue Serie zu verpflichten. Beweis: Frasier als Figur funktionierte auch bisher immer nur in einem großen Ensemble, sowohl in Cheers als auch in Frasier.

Keine Frage, Frasier allein wäre nicht sonderlich spannend. Aber ehrlich, wie viele Shows kennt ihr, die von einer Figur allein getragen werden können? The Vagina Monologues, ok. Aber das ist nun auch keine klassische auf mehrere Staffeln ausgelegte Vorabend-Serie. Am ehesten könnte ich mir noch eine Miniserie vorstellen: Frasier, alt und verbittert, über sechs Folgen oder so, in New York oder Chicago. Etwas ganz Düsteres, nur mit einem Hauch von bitterer Komik. Aber bitte.

Reboots sind selten eine gute Idee

Ich will auch gar nicht bestreiten, dass die neue Frasier-Serie große Chancen hat, schrecklich zu scheitern. Das gilt für all diese späten Neuauflagen und Remakes. Warum sollte es hier anders sein? Aber Paramount hätte sicherlich nichts Falscheres machen können, als den alten Cast neu zu verpflichten. Wollen wir wirklich die alte Gang, um 30 Jahre gealtert, noch einmal sehen, und dann ergründen, wie sich ihre Beziehungen entwickelt haben? Und das ohne Martin?

Würde man das Ganze freundlich halten, und alle sind relativ glücklich und es hat sich wenig verändert – das Publikum würde sich langweilen. Wären Niles und Daphne getrennt und verfeindet, Roz entweder glücklich verheiratet oder eine verzweifelte ältere unverheiratete Frau – die Fans würden Sturm laufen. Frasier ist vorbei, und das ist gut so.

Frasier muss ganz anders werden

Wenn Frasier noch einmal funktionieren soll, muss die Show zwingend etwas ganz Neues machen. Das Spiel mit der Nostalgie bringt selten bis nie eine gute Show hervor und wird dieser Figur auch nicht gerecht. Frasier selbst war zwar formal in den Sphären der Sitcoms nichts wirklich Neues – da waren Shows wie Seinfeld deutlich radikaler –, aber der schiere Mut eine Sitcom zu produzieren, noch dazu als Spin-Off einer der erfolgreichsten Shows aller Zeiten, die mit der Intellektualität ihrer Witze das Publikum oft dazu gezwungen haben dürfte, das ein oder andere nachzuschlagen und überhaupt an der eigenen Bildung zu arbeiten, die gleichzeitig von zwei Figuren getragen wird, die witzig und interessant sind, aber oft nicht besonders sympathisch, das war eben alles andere als ein Weiter-So. Ich will nicht spekulieren, was jetzt mit Frasier geschieht, und wie gesagt, ich fürchte auch, dass die Show eher unterwältigend wird. Aber prinzipiell hat die Person recht, die den Mock-Trailer aus Auftritten der Hauptfiguren in anderen Shows zusammengestellt hat: Frasier muss ganz anders werden. Nicht unbedingt Grimdark, wie hier so geschickt realisiert, aber anders. Vielleicht täte dem Ganzen eine Bewegung weg vom klassischen Sitcom-Format hin in Richtung Dramedy tatsächlich gut. Vielleicht auch von Anfang an mit einer Obergrenze für die Episodenzahl, damit diesmal eine Geschichte konsequent entwickelt werden kann. Was es nicht braucht, ist der alte Cast. Zumindest nicht als Regulars. Gegen regelmäßige Gastauftritte hätte sicher niemand etwas einzuwenden.

Sören Heim

Sören Heim ist Journalist, Übersetzer und Schriftsteller. Er ist Träger des kosovarischen Preises für moderne Dichtung „Pena e Anton Pashkut“ (Stift des Anton Pashku) und des Sonderpreises „Favorit von Daniel Glattauer“ der art.experience 2014. In HeimSpiel schreibt Sören Heim mit Heimvorteil zu den Schnittpunkten von Kunst, Kultur und Gesellschaftspolitik. Er beleuchtet die unerwartete Bedeutung ästhetischer Fragestellungen für zeitgenössische Debatten, die mit Kunst auf den ersten Blick kaum Berührungspunkte haben. Und wo immer, sei es in der Politik, sei es in der Ökonomie, sei es gar im Sport, er auf geballten Unsinn und Unverstand trifft, wagt der Kolumnist auch das ein oder andere Auswärtsspiel. Bisher erschien die Kolumne HeimSpiel im Online-Debattenmagazin The European. Daneben veröffentlicht Heim in mehreren Literaturzeitschriften vornehmlich Lyrik und dichte Kurzprosa, und bloggt auf der eigenen Homepage aus seinem Zettelkasten. Monographien: Kleinstadtminiaturen: Ein Roman in 24 Bildern. Girgis Verlag: 2016 – ISBN: 978-3939154181.Cover nur Front Gewogene Worte: Nachdichtungen aus dem Chinesischen. edition maya: 2016 – ISBN: 978-3930758463.cover kathaStrophen. Experimente in Rhythmus und Melodie. Chiliverlag: 2017 -ISBN: 978-3943292541.FrontCover 2_bleu Algenhumor: Gedichte für das dritte Jahrtausend. Girgis Verlag: 2016 – ISBN: 978-3939154228.algen Audio-Exklusiv: La vie! La jeunesse! – Hörmordkartell 2017

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