Leberwurstdiplomatie
Der ukrainische Botschafter nennt den Bundeskanzler ganz undiplomatisch eine beleidigte Leberwurst. Eine seltsame Form der Diplomatie. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz
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Aufgabe des Botschafters ist es, seinen Staat dem Gastland gegenüber zu vertreten, über die Verhältnisse des Gastlandes seiner Regierung zu berichten, sowie die zwischenstaatlichen Beziehungen mit der Einrichtungen des Gastlandes nach Möglichkeit zu pflegen und zu entwickeln
So steht es jedenfalls bei Wikipedia und so habe ich das auch immer verstanden. Der Botschafter ist ein sogenannter Diplomat. Und in aller Regel sind Diplomaten eher zurückhaltend redende Verhandler. Der Begriff diplomatisch hat ja auch im allgemeinen Sprachgebrauch eine Bedeutung. Da geht es darum, möglichst zu vermeiden, andere Verhandelnde bloßzustellen oder in die Enge zu treiben, um im Ergebnis einen möglichst langfristigen Verhandlungserfolg zu erzielen. Lustig, meine Rechtschreibkorrektur schlug im letzten Satz lang-frostig vor. Und möglicherweise hat der ukrainische Botschafter das auch so gelernt.
Kann man natürlich machen.
Existenzkampf
Ja, die Ukraine befindet sich im Krieg. Sie kämpft um ihre Existenz. Und ich finde es legitim, wenn der Botschafter für sein Land alle Hilfen fordert, die er fordert. Ob es allerdings wirklich clever und diplomatisch ist, denjenigen, der ja zur Hilfe bereit ist, zu beschimpfen, wenn man nicht gleich alles bekommt, was man so möchte, wage ich zu bezweifeln.
Deutschland hat vielleicht eine moralische Verpflichtung der Ukraine beizustehen, eine Rechtspflicht ist das aber nicht. Und nur weil die USA angeblich bereits 3,5 Milliarden an Waffenhilfe an die Ukraine geleistet haben soll, bedeutet das keinesfalls, dass Deutschland das auch tun muss. Die USA sind sozusagen weit vom Schuss. Vielleicht ist es dem Botschafter und dem ukrainischen Präsidenten ja nicht klar gewesen, aber die Ausladung des Bundespräsidenten war keine Meisterleistung der Diplomatie, sondern ein Affront. Das war einfach doof und kontraproduktiv. In der deutschen Öffentlichkeit regt sich bei aller Sympathie für die Ukraine schon ein gewisser Unmut über Melnyk. Meine Oma hätte gesagt, wie der sich benimmt, das gehört sich nicht.
Umgangsformen
Dabei ist Andrij Melnyk kein Quereinsteiger, der vielleicht früher im Schlachthof gearbeitet hat, sondern ein Jurist, der die klassische Diplomatenlaufbahn durchlaufen hat. Da lernt man in aller Regel auch die üblichen Umgangsformen. Und zu solchen Umgangsformen gehört es auch, das Staatsoberhaupt des Staates in dem man als Botschafter tätig ist, nicht offen anzugreifen. Steinmeier habe seit Jahren ein „Spinnennetz der Kontakte mit Russland“ geknüpft, zu dem auch einflussreiche Vertreter der gegenwärtigen Ampel-Regierung gehörten, so Melnyk, ist starker Tobak. Aber egal. Ein Hund, der die Hand, die ihn füttern will, beißt, ist halt ein blöder Hund und muss sich nicht wundern, wenn er beim nächsten Versuch nichts mehr bekommt.
Dann noch einen draufzusetzen und den Kanzler eine beleidigte Leberwurst zu nennen, ist an diplomatischem Ungeschick nur schwer zu toppen.
Vielleicht hat man das in Kiew jetzt auch irgendwie verstanden und lädt nun, nachdem diverse deutsche C-Promi-Politiker bereits in der Ukraine waren, die weder etwas mitbringen, noch etwas versprechen können, die gesamte Bundesregierung ein. Ich hoffe mal, die werden nicht tatsächlich alle gemeinsam einen Betriebsausflug machen. Könnte gefährlich werden. Solche Besuche dienen ja in erster Linie auch nicht dem Gedankenaustausch, den man auch per Videokonferenz oder ganz altmodisch per Telefon machen kann – was wohl auch geschieht – sondern dazu, Zeichen der Unterstützung zu senden und Bilder zu produzieren.
Bedingt abwehrbereit
Ja, ich bin dafür, die Ukraine auch mit schweren Waffen zu versorgen, sofern wir die denn überhaupt in einem brauchbaren Zustand zur Verfügung haben. Wenn man so liest, dass Deutschland mit nur noch 266 im Bestand geführten Kampfpanzern über äußerst eingeschränkte Fähigkeiten verfügt, um der Landes- bzw. der Bündnisverteidigung im Rahmen des NATO-Vertrages nachzukommen, dann sieht das eher mau aus. Peinlich für eine Industrienation. Sehr peinlich.
Was haben die VerteidigungsministerInnen in den letzten 60 Jahren seit der SPIEGEL-Affäre eigentlich so gemacht, außer den Zapfen zu streichen? Für viel mehr als ein paar Panzerhaubitzen und ein paar Marder-Panzer ohne Munition (die darf nicht aus der Schweiz in die Ukraine exportiert werden) für die Ukraine wird es wohl nicht reichen. Den Rest brauchen wir selbst. Da hilft auch ein polternder Botschafter nicht, und es bedarf auch keiner offenen Briefe von „Intellektuellen“ – was auch immer das nun sein mag. Wir mögen zwar genug Geld locker machen und humanitäre Hilfe leisten können, viel mehr aber halt auch nicht. Und vielleicht ist das ja auch gut so,