Qualkampf – Was wähl ich nur?

Am 26.9.2021 wird ein neuer Bundestag gewählt. Aber der Wahlkampf lässt das Publikum staunen. Was wähl ich nur? Eine Kolumne von Heinrich Schmitz


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Es gibt ja immer noch Zeitgenossen, die der Meinung sind, bei der Wahl werde der/die KanzlerIn gewählt. Nicht mal der Name Bundestagswahl lässt die von diesem Glauben abfallen. Das mag damit zusammenhängen, dass einige Parteien sogenannte KanzlerInnen-Kandidaten aufstellen, die um die Gunst der Wähler kämpfen. Trotzdem werden Sie auf dem Wahlzetteln nirgendwo ein Feld finden, in dem Sie ankreuzen können, wen Sie gerne als Kanzler hätten. Und ganz ehrlich, darüber bin ich bei dieser Wahl ganz besonders froh. Denn die Wahl, die uns die mit KanzlerInnenkandidaten antretenden Parteien bereiten, macht jedenfalls mir wenig Freude.

Welches Schweinderl?

Welches Schweinderl hätten‘s denn gerne: Armin, den Witzbold, Annalena, die mitunter Orientierungslose oder Olaf, den Schweiger? Ja, ich glaube Sie verstehen mein Problem. So muss sich ein Veganer fühlen, wenn er sich etwas zu essen bestellen muss, der Kellner aber nur Frikadellen, Mettwürstchen und Kotelett bringen kann. Okay, da könnte man bei den Frikadellen noch darauf hoffen, dass da gar kein Fleisch drin ist.

Laut Biografie eine Freunde, war Laschets Motto schon früher:

20 Prozent Sein, 30 Prozent Schein, 50 Prozent Schwein.

und wenn er den Spruch selber erfunden hätte, würde ich ihm für die Ehrlichkeit und die Kreativität anerkennend auf die Schulter klopfen. Aber das ist ein nur leicht abgewandeltes Zitat von Philip Rosenthal, der sagte:

Erfolg im Leben ist etwas Sein, etwas Schein und sehr viel Schwein.

Nun, wie sagt der alte Lateiner: ‚plagiare humanum est‘ oder so.

Und während ich bei Rosenthal das „sehr viel Schwein“ spontan als „sehr viel Glück“ gelesen habe, hatte ich bei Laschets um Prozente ergänzte Version eher das Prinzen-Schwein auf dem Schirm. Fromm ist, der Sein und Haben unterscheiden kann.

Aber egal. Ich mache gar keinen Hehl daraus, dass mir Armin Laschet höchst unsympathisch ist. Die Nummer, die er bei seinem kläglich gescheiterten Lehrauftrag bei der RWTH Aachen abgezogen hat, war für mich schon ein Knockout-Kriterium. Von jemand, der sich derart unseriös aus der Affäre ziehen wollte, würde ich nicht mal einen Gebrauchtwagen kaufen. Geht gar nicht. Seitdem wird er auch Würfel-Armin genannt, zu Recht.

Der Ritter

Dabei ähnelt der Lebenslauf des kleinen Ritters wider den tierischen Ernst zumindest in den ersten Etappen meinem eigenen. Katholisches Elternhaus, katholische Grundschule, Messdiener, ja ich war sogar mal kurz in der Jungen Union, Jurastudium, Hochzeit mit der Jugendfreundin und bis heute verheiratet. Das war es dann aber auch schon. Während Laschet sich das zweite Examen schenkte und lieber so etwas wie Journalist und Redenschreiber wurde, bin ich Rechtsanwalt und Kolumnenschreiber geworden. Parteien aller Art habe ich seit damals gemieden wie der Teufel das Weihwasser.

Denn während Laschet zielstrebig in der Partei Karriere machte, habe ich die JU schon mit 16 wieder fluchtartig verlassen, weil man mir dort vorschreiben wollte, wie ich als Delegierter abzustimmen hätte. So was mag ich gar nicht.

Aber in dieser Jugendorganisation der CDU habe ich genau diesen Typus des Karrieristen kennengelernt, den Laschet verkörpert. Immer ein grenzdebiles Grinsen im Gesicht, immer klüngelnd – heute würde man wohl netzwerkend sagen – immer auf den eigenen Vorteil und das eigene Weiterkommen bedacht. Konnte ich auf Dauer nicht ertragen, weil es da so gut wie nie darum ging, Probleme anzupacken und zu lösen, sondern immer nur darum, möglichst keinem weh zu tun und auf die Füße zu treten, schon gar nicht den „Oberen“ in der Partei.

Flut und Anstand

Wer Laschet bei seinen Besuchen in meiner überfluteten Heimat gesehen hat, der müsste verstehen, was ich meine. Während der Bundespräsident der Opfer gedenkt, feixt der Tünnes im Hintergrund herum. Kein Anstand.  Ich nehme Laschet persönlich übel, dass er den rheinischen Frohsinn, der auch eine meiner Charakteriegenschaften ist, zu einer blöden, oberflächlichen, empathielosen Maske gemacht und uns Rheinländer zu Lachnummern degradiert hat.

Während ein Anwohner im triefenden Regen steht, lässt der Landesvaterdarsteller sich von einem Sicherheitsmitarbeiter beschirmen. Kann man machen, darf sich dann aber nicht wundern, wenn die Leute not amused reagieren. Und wenn der meinem Opa mit den Händen in der Tasche begegnet wäre, dann hätte der ihm gesagt:

Armin, nimm de Hänk uss der Täsch, su benimm mer sich nit jäjenöwwer dä ärme Lück.

(Armin, nimm die Hände aus den Taschen, so benimmt man sich nicht gegenüber den armen Leuten)

Ob nun der eine Kandidat zur Förderung des eigenen intellektuellen Scheins mehr plagiiert hat als die andere, ist mir eigentlich schnurzegal. Das letzte Buch eines Politikers, das ich mit Genuss und Gewinn gelesen habe, war die Biografie von Carlo Schmid, eines des Väter des Grundgesetzes und ein echter Völkerrechtler.

Hingewichst

Aber diese flink hingewichsten Promobücher von Möchtegernautoren interessieren mich nicht die Bohne. Alleine, dass die meinen, sie müssten Bücher schreiben ohne wirklich etwas Eigenes zustande zu bringen, zeigt, dass Laschets Credo zumindest 10 Prozent mehr Schein als Sein haben zu müssen, offenbar bei Politikern dazu gehört. Okay. Kann man nichts machen.

Während der eine seinen Lebenslauf durch Weglassen des peinlichen Lehrauftrags aufhübscht, hatte die andere ein paar zumindest missverständliche Einträge als Verkaufslackierung  in ihrer Vita präsentiert, während der dritte Anwärter klug genug ist, überhaupt nichts mehr zu sagen, in der Hoffnung, dass Wirecard und CumEx für die Mehrzahl der Wähler eh unverständlich sind und das Debakel beim G20-Gipfel einem damaligen Hamburger Bürgermeister, aber keineswegs dem amtierenden personengleichen Finanzminister und Vizekanzler zugeordnet wird.

Tja. Und da steh ich nun, ich armer Tor. Das ist blöde.

Da eine Orientierung an einem möglichen zukünftigen Kanzler oder einer Kanzlerin für mich kaum zu machen ist, muss ich mich eben an den Inhalten orientieren. Das wäre doch mal was, wenn jetzt die Kandidaten, die ja von ihren Parteien in die vorderste Linie gestellt werden, einmal über Inhalte reden würden. Bisher passiert da recht wenig. Und ja, man kann die Wahlprogramme lesen. Aber da ist natürlich auch das Problem, dass nur die wenigsten sich diesen weichgespülten Wortansammlungen nähern mögen. Durchaus verständlich. Denn ganz gleich, was da drin steht, es ist halt nur ein Wahlprogramm und nicht etwa etwas, auf dessen Einhaltung man sich verlassen könnte. Daran ändert auch der Wahl-o-Mat nichts.

Nun bedeutet das allerdings nicht, dass ich die Flinte ins Korn werfen würde und mich den Querwählern oder den Nichtwählern anschließe. Das geht für mich gar nicht. Unsere Demokratie ist etwas Feines und hat uns bisher auch ein recht komfortables Leben in Deutschland ermöglicht. Und auch wenn blaubraune Spinner und sogenannte Quer-“denker“ Ihnen erzählen wollen, wir lebten in einer (Merkel-) Dikatur ohne Meinungsfreiheit, glauben Sie das bitte nicht. Sie haben eine Wahl. Und dass die Speisekarte in diesem Jahr keine exquisiten Leckereien enthält, bedeutet nicht, dass da nur ungenießbares drauf stünden.

Enkeldenken

Und es ist ja so, dass einige Themen jetzt durchaus auf den Nägeln brennen. Selbst der größte Fan des dicken Mercedes wird wohl angesichts der Tatsache, dass dieser leicht wie eine Feder von der Flut samt Haus, Tieren und Heizöltank einfach mal so davon geschwommen ist, darüber nachdenken, ob nicht das Thema des Klimawandels jetzt wichtiger ist als alles andere. Und wenn mir dann ein Kandidat lächelnd verkündet, dass man doch wegen so eines Tages nicht seine Politik ändert, ja, dann ist der halt zweimal raus. Ich denke da mehr an meine mittlerweile drei Enkelkinder als an mich, der ich bei der übernächsten Wahl schon Rentner sein werde, sofern ich das erlebe. Die beiden anderen sind bei mir noch im Rennen. Mag sein, dass ich am Wahltag eine Münze werfe, mag auch sein, dass eine oder einer der verbleibenden wählbaren KandidatInnen noch so richtig in die Kacke packt und sich ebenfalls rauskegelt. Diese Wahl ist eine Qual. Es ist ziemlich blöde. Aber wie sagte schon der große deutsche Philosoph Udo Bölts, „Quäl Dich Du Sau“. Das werde ich auf jeden Fall und ich hoffe, Sie tun es mir gleich.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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