Eine Begegnung der besonderen Art

Viele Menschen reden mit Gott und manche glauben, dass er mit ihnen redet. Auch ich hatte vor einigen Jahren eine seltsame Begegnung. Mal nichts über Recht oder Corona. Eine Kolumne von Heinrich Schmitz


Bild von Welcome to all and thank you for your visit ! ツ auf Pixabay

Dieser m.E. zeitlose Text ist in leicht anderer Form bereits vor 6 Jahren auf einem kleineren Portal erschienen.

Ich hatte es mir vor ein paar Jahren nach einigen anstrengenden Anhörungen in Unterbringungssachen in der Psychiatrie gerade auf einer Parkbank auf dem Klinikgelände gemütlich gemacht, um eine Zigarette zu rauchen – damals war ich noch starker Raucher-, als er sich zu mir setzte. Sympathischer älterer Herr, Typ Eric Clapton. Angenehme Stimme.

„Darf ich mich zu Ihnen setzen?“
„Natürlich. Ist ja genug Platz.“

Er setze sich neben mich und drehte sich eine Zigarette. Nach zwei tiefen Zügen begann er zu sprechen:

„Wie wäre es mit einem Exklusivinterview, Herr Schmitz?“
„Exklusiv ist immer gut. Wer sind Sie denn? Kennen wir uns? Habe ich Sie schon mal vertreten? Patient hier? Oder woher kennen Sie meinen Namen?“

„Ich bin der ich bin.“
„Ach was, das bin ich ja auch. Das ist doch jeder.“

„Nein, sie sind das nicht. Sie sind ein Mensch.“
„Sie nicht?“

„Nein. Wollen Sie nun ein Interview oder nicht. Ich will mich ja nicht aufdrängen. Aber Sie schreiben doch immer diese Kolumnen über Gott und die Welt.“

„Lassen Sie mal hören.“

Im Park der Psychiatrie trifft man häufiger Menschen, die sich für etwas anderes als einen normalen Menschen halten. Solange die nicht auf der geschlossenen Station sind, können die ja draußen rumgehen. Reptiloide, Aliens, wiedergeborene Promis aus der Antike, Napoleone, Hitlers, Götter, was auch immer. Ich hatte keine Lust zu streiten. Einen Sohn Gottes, der darauf besteht, der jüngere Bruder von Jesus zu sein,  habe ich schon seit Jahren als Mandanten. Der ist mitunter recht anstrengend und droht auch schon mal damit, mich gemeinsam mit ihm unter den Trümmern der Anstalt zu begraben, indem er ein Spontanerdbeben auslöst. Ich hab mal gesagt, er solle das machen. Da hat er dem Gericht mitgeteilt, ich sei suizidgefährdet. Also lieber freundlich sein.

„Ich sprach von einem Interview. Sie müssten schon Fragen stellen.“

„Sie sind also kein Mensch. Was sind Sie dann, ein Alien?“
„Auch das wurde schon behauptet, aber nein.“

„Ein Gott?“
„Die einen sagen so, die anderen so. Hier in ihrer Region werde ich tatsächlich meistens als Gott bezeichnet, Ältere sagen auch gerne Herrjott, aber bei anderen werde ich auch Allah, Jahwe, Jehova, Manitu oder sonst wie genannt. Mir ist das völlig egal. Ich habe keinen Namen. Wer hätte mir den geben können. Im Gegensatz zu Ihnen habe ich ja keine Eltern.“

„Sie wollen also der eine Gott sein? The one and only? Sie erinnern mich zwar optisch an Eric Clapton, aber der war ja auch nur ein Gitarrengott. Und wie Toni Turek, der Fußballgott, sehen sie nicht aus.“

Er lächelte.

„Jeder sieht mich anders. Das ist okay.“
„Sie wollen mich wohl verkohlen?“

„Ach was. Von wollen kann gar keine Rede sein. Meinen Sie etwa, es mache Spaß, Gott zu sein?“

„Denn nicht?“

„Nicht wirklich. Was glauben Sie, wie langweilig das ist, wenn man keine adäquaten Gesprächspartner hat? Immer alleine. Und dann auch noch ewig.“

„Ja. Nachvollziehbar. Und was machen Sie dann so die ganze Zeit?“

„Ich mache schon seit einiger Zeit nichts mehr. Zuletzt habe ich einfach mal diesen Urknall gemacht. Ist aber schon länger her. Ich hab mir dann einfach angeguckt, wie sich das so entwickelt. War eine Zeit lang auch ganz spannend. Ob das aber so eine gute Idee war, weiß ich auch nicht mehr. Aber auch das hat ja wenigstens irgendwann ein Ende. Ich nicht. Wissen Sie, so ein Immerdasein, Sie nennen das Ewigkeit, ist kein Zuckerschlecken. Kein Anfang, kein Ende. Ich kann mich ja nicht mal umbringen, ich lebe ja nicht, ich bin nur.“

„Ich verstehe. Und warum reden Sie jetzt mit mir? Soll ich den Menschen irgendetwas mitteilen?“

„Ach bewahre. Nein, nur das nicht. Das ist bisher immer völlig daneben gegangen. Wenn Sie sich trauen würden, dieses Gespräch weiterzugeben, dann gibt es zwei Möglichkeiten. Im günstigsten Fall werden Sie für verrückt erklärt und landen in einer geschlossenen Anstalt. Kennen Sie ja. Im anderen Fall werden Sie vermutlich von anderen zum Propheten gemacht und vielleicht sogar zum Religionsgründer. Das ist ja früher häufiger passiert, wenn ich mal mit jemandem geredet habe. Ich erinnere mich noch an diesen Moses. Der hatte so ein schlechtes Gedächtnis und wollte sich die paar Sätze notieren, die ich ihm gesagt hatte. Auf Steintafeln. Das muss man sich mal vorstellen. Und dann wird gleich wieder eine Religion draus gemacht.“

„ Das war also gar nicht Ihre Absicht?“
„Ach was. Ein paar Tipps wollte ich dem geben, wie man besser miteinander klar kommen kann, mehr nicht. Ich weiß auch nicht, warum die Menschen dann immer gleich diese Religionen draus machen. Ich bin nicht religiös. An was sollte ich auch schon glauben?“

„Und die Christen?“
„Ja, auch so ähnlich. Der Jesus sollte auch nur ein paar Tipps weitergeben, wie die Leute besser miteinander klar kommen könnten. Das lief ja noch nie reibungslos im Nahen Osten. Liebe deine Feinde und so. Ich dachte, das wäre doch was. Aber, sie haben ja gesehen, was dabei raus gekommen ist. Neue Religion. Neuer Brassel. Dabei hat der nur mal gesagt, seine zwölf Fans sollten seine Tipps an andere weitererzählen. War nur gut gemeint.“

„Und Mohammed?“
„Ja, auch so einer. Der meinte, er hätte mit einem Erzengel geredet. Immer wenn ich mal mit einem rede und der gibt das anderen weiter, passiert so was. Und das irre ist, hinterher schlagen die sich auch noch gegenseitig tot, weil jeder meint, ich hätte ihm ein Exklusiv-Interview gegeben. Oder ich wäre sogar ein Anderer als der, der mit den Anderen gesprochen hat. Das war schon immer so. Jeder verpasst mir einen anderen Namen und meint, mit den anderen hätte ein anderer gesprochen. Sie kennen das doch auch mit Raider und Twix. Und dann geht der Ärger los.“

„Haben Sie schon einmal mit Donald Trump gesprochen?“

„Hören Sie mal, für was halten Sie mich?“

„Andere Frage: Wenn Sie ewig sind, was hat sie dann bewogen, überhaupt so etwas wie diesen Urknall zu machen? Ohne den wäre uns und Ihnen doch vieles erspart geblieben.“

„Nun werden Sie mal nicht übermütig. Ich hatte meine Gründe. Na gut, Ihnen wäre alles erspart geblieben, aber mir wär ja noch fader als ohne die Unterhaltung, die dieses Universum so bietet. Stellen Sie sich doch mal vor, sie hätten keine Netflix-Serien? Und ich guck ja nicht nur Menschen. Sie sind ja nicht die einzigen Wesen im Universum.“

„Können Sie mir mehr darüber erzählen? Darf die Öffentlichkeit davon erfahren?“

„Besser nicht. Da werden mir dann wieder die Worte im Munde verdreht und schwupps haben wir die nächste Religion. Wenn Sie Pech haben, wird die nach Ihnen benannt. Dann gibt’s auf einmal die Schmitzen oder die Heinrichszeugen, hahaha. Aber das ist letztlich Ihre Entscheidung.“

„Das wäre in der Tat furchtbar. Was halten Sie denn von den immer wieder mal auftretenden Plänen einen Gottesstaat zu errichten?“

„Was für ein absurder Gedanken. Kommt immer mal wieder. Hab ich nichts mit zu tun. Können Sie mir glauben, hehehe. Wenn ich so etwas gewollt hätte, dann hätte ich das ja gleich so organisieren können. Wäre vielleicht einmal die Woche vorbei gekommen und hätte was erzählt usw. Sie wissen schon. Mal als brennender Busch, mal als Wolke, als riesiges Dreieck am Himmel, als Feuersäule, Riesenhand aus einer Wolke oder spaßeshalber mit langem weißen Bart im Nachthemd. Ich hab das ja alles drauf, wenn ich will. Alles schon mal versucht. Ist ja nicht so, als wäre ich aus irgendeiner Materie. Fand ich eine Zeit lang ganz amüsant. Als Zeus hatte ich echt meinen Spaß in vielerlei Gestalt. Aber weil es jedesmal irgendwie falsch interpretiert wurde, lasse ich das seit einiger Zeit komplett bleiben. Bringt ja nichts. Mir hört ja eh keiner richtig zu.“

„Aber die machen das in Ihrem Namen.“
„Ja. Das ist eine ziemliche Dreistigkeit. Aber was soll ich machen? Sie mit der Geltendmachung von Urheberrechten oder Unterlassungsklagen beauftragen. Da landen Sie doch auch wieder in der Klappse. Oder glauben Sie, irgendein Gericht würde an Gott glauben?“

„Und warum sprechen Sie jetzt mit mir?“
„Tue ich das?“

„Ich dachte schon.“

„Vergessen Sie’s.“

Er erhob sich langsam und ging Richtung Eingang. Bei meinem nächsten Besuch konnte sich niemand an einen Patienten, der aussah wie Eric Clapton und sich für Gott hielt, erinnern. Aber auch das kommt ja vor.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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