AKK und die Dienstpflicht

Die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer bringt eine allgemeine Dienstpflicht für Schulabgänger ins Gespräch. Wäre das rechtlich möglich und tatsächlich sinnvoll?


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Bisher ist es nur eine Idee von AKK, nicht mehr, aber leider auch nicht weniger.

Auf meiner Zuhörtour innerhalb der CDU gab es viele Wortmeldungen dazu. Ich teile vieler dieser Gedanken und ich finde sehr wichtig, dass wir über eine Dienstpflicht in Deutschland diskutieren. Für mich ist es auch ein zutiefst bürgerlicher Gedanke, seinem Land und der Gesellschaft etwas zurückgeben zu wollen“

meinte Frau Kramp-Karrenbauer (AKK) gegenüber der Morgenpost.

Es soll also darum gehen, der Gesellschaft etwas zurückgeben zu wollen. Ja, fein. Wer etwas bekommen hat, kann auf den Gedanken kommen, etwas zurückzugeben. Und wenn jemand das will, spricht auch gar nichts dagegen, wenn er das tut. Aber mit einer allgemeinen Dienstpflicht ist wohl eher nicht gemeint, dass jemand ein freiwilliges soziales oder militärisches Jahr einlegt, sondern das, was in dem Begriff Pflicht nun einmal drinsteckt, ein Zwang. Wer kennt nicht den Zwang zur Dankbarkeit. Schon als kleinem Kind wurde mir eingetrichtert, sich für die fette Fleischwurst mit zweifelhaftem Inhalt, die einem die ebenso fette Metzgersfrau auf einer langen Gabel vor das Gesicht hält, ob man sie will oder nicht, zu bedanken. Was sagt man da? Die Antwort, mag ich nicht, war nicht erwünscht. Es musste schon eine Danke sein, auch wenn man die Gabe hinter dem Ausgang dem nächsten Hund zugeworfen hat. Immerhin wurde ich nicht gezwungen, etwas zurückzugeben.

Wofür sollen die jungen Leute denn etwas zurückgeben? Sollen die vielleicht ihre Schulausbildung im Nachhinein bezahlen oder sollen die einfach dafür dankbar sein, in Deutschland zu leben? Ich weiß es nicht.

Zwang

So schön das Wort Dienstpflicht ja sein mag, es bedeutet nichts anderes als Zwang. Und nun sollen, nachdem 2011 endlich der ungerechte Zwang zu Wehr- und Zivildienst abgeschafft wurde, der ganze Mist in Form einer allgemeinen Dienstpflicht wieder auferstehen?

Was mag die Verteidigungsministerin von dem Vorschlag der CDU-Vorsitzenden halten. Ach, das ist ja dieselbe Person. Wo soll denn die Kohle herkommen, wenn plötzlich wieder unwillige Wehrpflichtige in die Kasernen einrücken? War es nicht allgemeine Übereinkunft, dass wir eine schlagkräftige kleine Armee mit gut ausgebildeten Profisoldaten – okay, hat irgendwie auch nicht geklappt, aber Schweinswale können wir noch töten – haben wollten, weil in der heutigen Zeit eine Massenarmee mit 4-500.000 Soldaten gar nicht finanzierbar und auch sonst nicht übermäßig sinnvoll ist? Was sollen die denn den ganzen Tag machen? Nicht flugfähige Hubschrauber putzen oder sinnlos um den Kasernenhof marschieren?

Und falls die ihrer Dienstpflicht dann nicht beim Bund, sondern in sozialen Einrichtungen tun sollen, wo sind denn die Stellen für all die Zwangsarbeiter im Garten der Demokratie? Ja, ich habe Zwangsarbeit geschrieben, und nichts anderes wäre es auch.

EMRK

Und da haben wir das erste rechtliche Problem bei AKKs Diskussionsidee: Ist nach der Europäischen Menschenrechtskonvention Zwangsarbeit nicht verboten? Jein. Denn nach Art. 4 EMRK gilt dieses Verbot nicht zwingend für das, was AKK vorschwebt.

Art. 4

Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit

(1) Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden.

(2) Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.

(3) Nicht als Zwangs- oder Pflichtarbeit im Sinne dieses Artikels gilt

a) eine Arbeit, die üblicherweise von einer Person verlangt wird, der unter den Voraussetzungen des Artikels 5 die Freiheit entzogen oder die bedingt entlassen worden ist;

b) eine Dienstleistung militärischer Art oder eine Dienstleistung, die an die Stelle des im Rahmen der Wehrpflicht zu leistenden Dienstes tritt, in Ländern, wo die Dienstverweigerung aus Gewissensgründen anerkannt ist;

c) eine Dienstleistung, die verlangt wird, wenn Notstände oder Katastrophen das Leben oder das Wohl der Gemeinschaft bedrohen;

d) eine Arbeit oder Dienstleistung, die zu den üblichen Bürgerpflichten gehört.

In Kombination mit einer Wiedereinführung der Wehrpflicht, die ja nicht abgeschafft, sondern nur ausgesetzt wurde, und nur in Kombination damit, wäre das durchaus EMRK-konform. Allerdings nur für Wehr- und Ersatzdienst, nicht für „lediglich“ soziale Dienste. Denn genauso wie auch das Grundgesetz – dazu komme ich noch – geht auch die EMRK bei der Dienstpflicht nur von Dienstpflichten für Krisenprävention und -situationen aus. Rein sozialer Dienst im Kindergarten oder Altenheim wäre danach eben nicht möglich.

GG

Dann schauen wir mal in das Grundgesetz. Da gibt es die Art. 12 und 12a GG.

Art. 12

(1) 1Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. 2Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Und gleich danach:

Art. 12a

(1) Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.

(2) 1Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden. 2Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen. 3Das Nähere regelt ein Gesetz, das die Freiheit der Gewissensentscheidung nicht beeinträchtigen darf und auch eine Möglichkeit des Ersatzdienstes vorsehen muß, die in keinem Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte und des Bundesgrenzschutzes steht.

(3) 1Wehrpflichtige, die nicht zu einem Dienst nach Absatz 1 oder 2 herangezogen sind, können im Verteidigungsfalle durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu zivilen Dienstleistungen für Zwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung in Arbeitsverhältnisse verpflichtet werden; Verpflichtungen in öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse sind nur zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben oder solcher hoheitlichen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, die nur in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis erfüllt werden können, zulässig. 2Arbeitsverhältnisse nach Satz 1 können bei den Streitkräften, im Bereich ihrer Versorgung sowie bei der öffentlichen Verwaltung begründet werden; Verpflichtungen in Arbeitsverhältnisse im Bereiche der Versorgung der Zivilbevölkerung sind nur zulässig, um ihren lebensnotwendigen Bedarf zu decken oder ihren Schutz sicherzustellen.

(4) 1Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an zivilen Dienstleistungen im zivilen Sanitäts- und Heilwesen sowie in der ortsfesten militärischen Lazarettorganisation nicht auf freiwilliger Grundlage gedeckt werden, so können Frauen vom vollendeten achtzehnten bis zum vollendeten fünfundfünfzigsten Lebensjahr durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu derartigen Dienstleistungen herangezogen werden. 2Sie dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden.

(5) 1Für die Zeit vor dem Verteidigungsfalle können Verpflichtungen nach Absatz 3 nur nach Maßgabe des Artikels 80a Abs. 1 begründet werden. 2Zur Vorbereitung auf Dienstleistungen nach Absatz 3, für die besondere Kenntnisse oder Fertigkeiten erforderlich sind, kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes die Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen zur Pflicht gemacht werden. 3Satz 1 findet insoweit keine Anwendung.

(6) 1Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an Arbeitskräften für die in Absatz 3 Satz 2 genannten Bereiche auf freiwilliger Grundlage nicht gedeckt werden, so kann zur Sicherung dieses Bedarfs die Freiheit der Deutschen, die Ausübung eines Berufs oder den Arbeitsplatz aufzugeben, durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden. 2Vor Eintritt des Verteidigungsfalles gilt Absatz 5 Satz 1 entsprechend.

Hm. Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht? Da wird es schon schwierig. Denn eine „herkömmliche“ Dienstleistungspflicht hatten wir in diesem Bereich noch nicht. Und was wir noch nicht hatten, kann ja wohl auch nicht herkömmlich sein.

Um also mit einer allgemeinen Dienstpflicht halbwegs unfallfrei am Bundesverfassungsgericht vorbeizuschrammen, müsste man da schon zumindest das Wort „herkömmlich“ aus der Verfassung werfen. Kann man natürlich tun, wenn man eine Zweidrittelmehrheit zusammenbekommt. Sonst aber eben nicht.

Nach Art. 12a GG kommt zwar der Dienst in Zivilschutzverbänden in Betracht, aber das wären eben auch nur Dienste in Zivilschutzorganisationen und keine im sozialen Bereich oder im Naturschutz, wie AKK sich das offenbar vorstellt.

All diese typischen Zivildienststellen setzen aber nach der Verfassung eine Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen voraus. Also ginge nur die alte Kombi aus Wehrpflicht und „Ersatz“-dienst.

Ich bezweifle, dass irgendjemand, der noch alle Sinne beisammen hat, diesen Quark der Vergangenheit zurückhaben möchte. Denn bereits da war höchst zweifelhaft, ob die Praxis, nach der nur ein kleiner Teil eines Jahrgangs überhaupt „gezogen“ werden konnte, noch irgendetwas mit Wehrgerechtigkeit zu tun hatte.

Und wenn man sich ansieht, wie viele Betriebe am Ende eines jeden Schuljahres händeringend um Auszubildende buhlen, weil sie nicht annähernd genug Bewerber für die offenen Stellen haben, dann kann man sich vorstellen, welcher Jubel bei Industrie und Handwerk ausbrechen wird, wenn dereinst zunächst einmal ein Jahr lang überhaupt kein neuer Auszubildender eingestellt werden kann, weil erst mal alle ihr AKK-Jahr absolvieren müssen. Denn nur wenn es wirklich ausnahmslos alle dienstfähigen Schulabgängerinnen und – gänger sind, die dieser Dienstpflicht nachkommen müssen, wäre der Unfug noch halbwegs gerecht.

Wenn es AKK darum geht, Schulabgänger durch diese Dienstpflicht zu ordentlichen Bürgern zu erziehen, dann kann ich dazu nur feststellen, dass die Erziehung in erster Linie Sache der Eltern und zum Teil der Schulen ist. Erzieherisch auf Jugendliche von staatlicher Seite mit Zwang einzuwirken, ist ausschließlich dem Jugendstrafrecht und in bestimmten Fällen den Jugendämtern vorbehalten. Ansonsten genießen auch Jugendliche das Recht, vom Staat in Ruhe gelassen zu werden. Und dabei sollte es bleiben.

Unterm Strich ist die AKK-Idee eine Kack-Idee.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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