IS-Kämpfer – Zurück in die Heimat

Der türkische Präsident Erdogan hat damit begonnen, deutsche IS-Kämpfer nach Deutschland zurückzuschicken. Ist Deutschland verpflichtet, die zurückzunehmen? Die Recht-klar-Kolumne von Heinrich Schmitz


Bild von Bruno Glätsch auf Pixabay

Derzeit befinden sich rund 70 deutsche Männer und Frauen, die sich dem IS angeschlossen haben sollen, in kurdischen Gefängnissen. In der Türkei sind es um die 20. Muss Deutschland die wirklich zurücknehmen, auch wenn sie sich einer fremden Terrormiliz angeschlossen haben? Die Antwort ist recht einfach. Ja, wir müssen die zurücknehmen. Wir sind sogar verpflichtet, diese aktiv zurück nach Deutschland zu holen, weil sie die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Nur wenn sie darüber hinaus noch eine weitere Staatsangehörigkeit besäßen, könnte ihnen die deutsche aberkannt werden.

Das Grundgesetz ist da nach den Erfahrungen der Nazi-Zeit sehr eindeutig:

Art 16

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

Nun ist kaum jemandem wohl bei dem Gedanken, Menschen, die sich einer Terrormiliz anschlossen und die viele Jahre in einer anderen Welt aus Gewalt, Zerstörung und ideologischer Verblendung lebten, wieder in Deutschland zu haben. Andere europäische Länder haben sich da mit einem anderen Staatsangehörigkeitsrecht einen schlanken Fuß gemacht, indem sie den Betroffenen einfach die jeweilige Staatsangehörigkeit entzogen. Aber genau das ist nach den Regeln des Grundgesetzes eben nicht möglich. Einmal Deutscher, immer Deutscher, wobei das lediglich die Frage nach der Staatsangehörigkeit, also dem deutschen Pass ist und nichts mit der ursprünglichen Herkunft zu tun hat.

So wie wir verpflichtet waren, nach dem zweiten Weltkrieg unsere Nazis zurückzunehmen, so sind wir es nun auch mit unseren IS-Kämpfern. Das sind glücklicherweise nicht so viele, wie wir Rechtsextreme hier in der Heimat haben.

Ja und dann laufen die hier frei herum und planen Anschläge innerhalb Deutschlands? Kann sein, aber nicht zwingend, denn schon wenn man ihnen die Mitgliedschaft im IS nachweisen kann, reicht das um sie vor Gericht zu stellen.

§ 129a Bildung terroristischer Vereinigungen

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.

Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder

2.

Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b

3.

(weggefallen)

zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.

einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,

2.

Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,

3.

Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,

4.

Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder

5.

Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes

zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

Es reicht also, Mitglied einer solchen terroristischen Vereinigung zu sein. Da der 129a allerdings nur für inländische Terrorgruppen gilt, muss er im Zusammenhang mit § 129 b StGB gelesen werden:

§ 129b Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Einziehung

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden

Kann man den Rückkehrern darüber hinaus weitere Straftaten wie z.B. Morde nachweisen, dann werden diese Taten hier natürlich ebenfalls verfolgt.

Theoretisch ist es also gar kein Ding, die Leute gleich nach ihrer Ankunft in Haft zu nehmen und sie aus dem Verkehr zu ziehen. Praktisch allerdings schon. Denn selbstverständlich gelten auch für diese Verfahren die Grundsätze der Strafprozessordnung. Und deshalb muss jedem einzelnen Verdächtigen ganz konkret nachgewiesen werden, was er denn da so gemacht hat. Es wird vermutlich niemand mit einem offiziellen Mitgliedsausweis des IS ankommen, aus dem sich die Mitgliedschaft leicht erkennen ließe. Und selbst wenn es so etwas gäbe, müsste zur Ermittlung der Strafhöhe die Rolle des Heimkehrers innerhalb des IS etwas genauer ermittelt werden. Es wird auch niemand ein Zeugnis oder einen Tätigkeitsnachweis mitbringen.

Und da wird es dann erst richtig lustig. Eigene Ermittlungen in Syrien oder dem Irak sind für deutsche Ermittlungsbehörden gar nicht möglich, einen diplomatischen Kanal zu Syrien gibt es seit Schließung der Botschaft nicht mehr. Ob ein deutsches Gericht bereit ist, den Angaben syrischer , irakischer oder auch türkischer Behörden oder Geheimdienste so weit Glauben zu schenken, dass es darauf eine Verurteilung stützen würde, glaube ich nicht.

Es wird also nicht leicht werden, den Rückkehrern innerhalb angemessener Zeit einen fairen Prozess zu machen, was durchaus dazu führen kann, dass viele nach einiger Zeit aus der U-Haft entlassen werden müssen, falls es überhaupt genügend Hinweise gab, die einen Haftbefehl begründen konnten.

Das ist eine ziemlich unbefriedigende Situation. Aber sie ist wie sie ist, und es wäre fatal, wenn man wegen dieser Menschen beginnen würde, an der Unschuldsvermutung zu schrauben oder sonst irgendwelche schmutzigen Tricks anwenden würde, um sie ihrer Freiheit zu berauben. Stufen die Behörden sie als Gefährder ein, ohne dass ihnen strafrechtlich etwas nachzuweisen wäre, dann müssen sie halt beobachtet werden. Dazu braucht es dann neue Kapazitäten. Und hoffentlich läuft das dann anders als bei Anis Amri.

Heinrich Schmitz

Heinrich Schmitz ist Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger. In seiner Kolumne "Recht klar" erklärt er rechtlich interessante Sachverhalte allgemeinverständlich und unterhaltsam. Außerdem kommentiert er Bücher, TV-Sendungen und alles was ihn interessiert- und das ist so einiges. Nach einer mit seinen Freital/Heidenau-Kolumnen zusammenhängenden Swatting-Attacke gegen ihn und seine Familie hat er im August 2015 eine Kapitulationserklärung abgegeben, die auf bundesweites Medienecho stieß. Seit dem schreibt er keine explizit politische Kolumnen gegen Rechtsextreme mehr. Sein Hauptthema ist das Grundgesetz, die Menschenrechte und deren Gefährdung aus verschiedenen Richtungen.

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