Superreiche, vergesst eure Apokalypsefestungen!
Es ist eigentlich verrückt, findet Kolumnist Sören Heim, bereits postapokalyptische Lebensweisen zu planen, wenn mit der Energie, die dafür aufgebracht wird, die Gegenwart so viel lebenswerter gestaltet werden könnte. Zumal in den Festungen der Superreichen nach der großen Katastrophe nicht Elon Musk oder die Koch-Brüder herrschen würden, sondern ihre „Bodyguards“.
Vor kurzem erschien auf Heiner Flassbecks Makropskop eine Sammlung von Maßnahmen, die Superreiche in den vergangenen Jahren eingeleitet haben, um die kleine oder große Apokalypse zu überstehen, die sie aufgrund von Klimawandel, wachsender Ungleichheiten im Wirtschaftssystem und daran anschließenden Krisensymptomen zu erwarten scheinen. Das kann man, wenn man möchte, abtun: Weltuntergangsängste hat es immer gegeben. Es zu leichtfertig abzutun, wäre allerdings auch nicht anzuraten: Wenn ausgerechnet die, die von der derzeitigen Gesellschaftsordnung am meisten profitieren, dem System so offenkundig misstrauen, dass sie ihre Energie weniger in dessen Erhalt als in das krampfhafte Festhalten an einem bisschen Luxus in einer zerstörten Welt investieren, darf das durchaus Sorgen machen.
Das Problem mit der Loyalität der Truppen
In jedem Fall scheinen Arm und Reich – anders, als es die Berichterstattung meist glauben macht – derzeit das gleiche Unbehagen zu teilen. Im vergangenen Jahr bereits hatte der Guardian eine ähnliche Sammlung von Weltuntergangs-Überlebensplänen vorgelegt und dabei den Finger auf ein Problem gelegt, das bei Makroskop leider untergeht (und wer den Linken nicht glaubt, die Welt berichtete auch mehrfach). Denn es scheinen sich in den Sphären der Superreichen zumindest einige darüber klar zu sein, dass nach einem ultimativen Crash möglicherweise Geld nicht mehr die Loyalität der notwendigen Truppen sichern könnte. Dass heutige Bandenchefs (denn um eine Art Existenz als Bandenchef ginge es nach der Apokalypse ja) über Geld regieren können, hängt mit zwei Dinge zusammen: 1) Geld hat in den meisten Staaten eben einen durchaus ausreichend festen Gegenwert und die Mitarbeiter von Drogen- und anderen Gangsterbossen wissen, wie man es sauber eintauscht. Und 2): Die Chefs sind meist in ihre Position gelangt, indem sie sich in der gewaltvollen Welt, über die sie herrschen, einen Ruf erarbeitet haben.
Darauf können die Superreichen nicht zählen. Und selbst die klügsten technischen Lösungen (wie man die Waffen wegschließt, usw. usf) dürften über kurz oder lang nicht verhindern, dass in den Weltuntergangsfestungen der ehemals reich Gewesenen nicht mehr eben diese ehemals reich Gewesenen herrschen, sondern die, die sich in Machtkämpfen durchsetzen.
In den meisten Fällen scheint man so weit allerdings nicht zu denken: Gold ist die Lösung, auf die man vertraut, auch wenn alles andere zusammenbricht.
Unsinn: Gold mag wertbeständig sein in Krisen, in denen sich noch Hoffnung abzeichnet, wenn es immer noch Staaten gibt, ein Handelssystem von hinreichender Komplexität. Lässt Gold (oder Silber oder Edelsteine) sich nicht mehr sicher gegen Konsum eintauschen, wird auch sein Wert rapide sinken. Im Gefängnis sind es bekanntlich Drogen, Zigaretten und andere Naturalien, die eine hohe Wertigkeit haben. Gold? Nicht so sehr…
Ein besseres Leben ist auch für Reiche möglich
Liebe Superreiche: Lasst das doch einfach mit euren Bunkerplänen. Ihr seid offenkundig so sehr im heutigen, von den Erfordernissen des Marktes geformten Denken verfangen, dass ihr kaum ernsthaft eine Vorstellung davon habt, wie das Leben nach einem „partiellen Weltuntergang“ aussehen könnte. Und was für ein Leben wäre das denn? Irgendwo auf einer Insel, mit Söldnern, die ständig die Waffen gegen euch erheben könnten, höchstwahrscheinlich ohne all das, was euch am Reichsein Spaß macht: Reisen, andere für euch arbeiten lassen, schauen, ob man mehr Geld hat als der Konkurrent aus alten Harvard-Tagen, über Donald Trumps Frisur lachen, was auch immer.
Aber es gibt Hoffnung. Und die findet man nicht auf einsamen Inseln: Anscheinend ist euch ja ein relativ spartanisches, unsicheres Leben so viel wert, dass ihr lieber auf vieles verzichtet als zu sterben. Und ganz ehrlich: So einer Insel-Söldner-Kampfexistenz ohne Außenwelt und größeres Netz sozialer Kontakte wäre wahrscheinlich noch ein durchschnittliches Leben in relativer Armut in unserer heutigen Welt vorzuziehen.
Warum also nicht nur auf ein bisschen verzichten und mit den freigewordenen Ressourcen daran arbeiten, dass die Konflikte, die euch solche Angst vor dem Weltuntergang machen, aufgefangen werden, ehe sie sich unaufhaltsam entfalten? Das ist ja gar nicht auszuhalten, und man fühlt sich ganz schlecht dabei, sich vorzustellen, in welcher Angst ihr leben müsst…
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