Stars der schweigenden Mehrheit

Für die einen ist „Ein starkes Team“ grauer Durchschnitt, für die anderen gute Unterhaltung. Auf jeden Fall hat die Serie viele treue Fans. Am vergangenen Mittwoch fuhr die Wiederholung einer Uraltfolge sogar die höchste Quote ein, die eine einzelne Sendung seit der Gründung von ZDF neo im Jahr 2009 überhaupt verbuchen konnte.


„Ein starkes Team“ ist die Lieblingsserie meines Vaters. Wenn ich über das Wochenende bei meinen Eltern zu Besuch bin und eine Folge im Fernsehen läuft, komme ich kaum umhin, mir das anzusehen. Lange Zeit fand ich diesen Krimi eher uninteressant und das darin vorkommende Ost-West-Geplänkel – mehr als ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung – nicht mehr zeitgemäß. Außerdem halte ich es eher mit britischen Serien wie den „Sherlock“-Neuverfilmungen, „DCI Luther“ oder „Ripper Street“. Immerhin erschien mir das „Starke Team“ deutlich bodenständiger – und damit ansehnlicher – als der oftmals gewollte, aber selten gekonnte Anspruch der inflationär aufgeblasenen „Tatort“-Reihe.

Nach einer überstanden Grippe bin ich nun bereit, ein deutlich vernehmbares „mea culpa“ gegenüber den Machern des „Starken Teams“ loszuwerden. Wenn man mit Erkältungssymptomen und hohem Fieber im Bett liegt, ist man eben nicht in der Stimmung, „Krieg und Frieden“ oder auch nur „Fire and Fury“ lesen zu wollen. In wacheren Momenten war ich wenigstens in der Lage, mir einige Folgen des „Starken Teams“ aus der Mediathek des ZDF vom Krankenbett aus anzusehen.

Seriös und sympathisch

Den Helden meines Vaters derart wehrlos ausgeliefert, kam mir nach jeder Folge mehr die Erkenntnis, dass ich dem „Starken Team“ in vielen Punkten unrecht getan hatte. Sicher, das ist gewiss nicht die großartigste aller Serien, aber immerhin bietet sie grundsolide, leichte Krimiunterhaltung. Und das ist deutlich mehr, als man vom deutschen Fernsehen normalerweise erwarten kann. Beim „Starken Team“ will sich kein Drehbuchautor selbst verwirklichen und kein Regisseur möchte beweisen, dass tief in ihm eigentlich ein Quentin Tarantino oder ein zweiter Orson Welles schlummert. Quod licet Iovi, non licet bovi.

Außerdem – auch eine echte Wohltat – kommt die Reihe ohne den Anspruch daher, die Welt verbessern oder Menschen wie meine Eltern, die nach der Arbeit einfach Entspannung suchen, intellektuell oder moralisch beeindrucken zu wollen. Im Kern ist „Ein starkes Team“ einfach nett gemacht – nicht in der Auslegung Dieter Bohlens, für den „nett“ bekanntlich nur die „kleine Schwester von Sche…“ ist -, sondern im wahrsten Sinne des Wortes. Die Serie nimmt ihre Stammkundschaft ernst und liefert seriös und professionell ab, was das Publikum erwartet. So schreib beispielsweise eine Kritikerin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ über eine der aktuelleren Folgen: „Der Fall entwickelt sich, nicht übermäßig kompliziert, aber grundsolide auf gutem Niveau. So, wie man es von „Ein starkes Team“ gewohnt ist.“ Manchem ambitionierten Regisseur oder Feuilletonisten mag das vielleicht wenig ruhmreich erscheinen, wenn es aber mein Auftrag wäre, leichte Unterhaltung für ein Millionenpublikum zu machen, dann würde ich Attribute wie „grundsolide“ und „auf gutem Niveau“ als so etwas wie einen Ritterschlag empfinden.

Serie läuft seit 24 Jahren

Selbst aus einer deutlich negativeren Kritik der „Frankfurter Rundschau“ lese ich Positives heraus. Harald Keller schrieb 2017: „Schaut man die jüngeren Folgen ohne Vorwissen, erlebt man sympathische, aber geschichtslose Figuren in routiniert, aber uninspiriert angerichteten Allerweltskrimis“. Ja mein Gott, 27 Jahre nach der Wiedervereinigung kann man eben nicht mehr auf den – eingangs schon erwähnten – klischeehaften Gegensätzen zwischen einem ostdeutschen Raubein und einer weltläufigen Westberlinerin herumreiten. Alles hat eben seine Zeit. Die aktuellen Kriminalfälle müssen sich selbst genügen. Und das tun sie fast immer. Wenn das dabei noch routiniert und sympathisch rüberkommt, so wie das etwa beim britischen Dauerbrenner „Inspector Barnaby“ oder den „Wilsberg“-Krimis der Fall ist, kann man als unterhaltungswilliger Zuschauer schon einmal Topnoten verteilen. Wer darüber die Nase rümpft, dem sei gesagt: Niemand muss sich die Sendung ansehen. Man kann umschalten oder ausschalten, sich eine DVD einlegen oder ein Buch lesen.

Ein entscheidender Erfolgsfaktor von „Ein starkes Team“ sind die Hauptdarsteller. Das sind alles andere als zweitklassige Mimen, die froh sein dürfen, nach ihrem Karrierestart bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ oder „Unter uns“ überhaupt eine Anschlussverwendung jenseits des „Dschungelcamps“ gefunden zu haben. So ist Florian Martens, der bereits seit 1994 die Rolle des früheren Volkspolizisten Otto Garber spielt, ein Sohn des großen Wolfgang Kieling. In Ost-Berlin erlernte er sein Handwerk an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, 1990 bekam er ein festes Engagement an der Volksbühne Berlin. Selbst den renommierten Adolf-Grimme-Preis hat Martens gewonnen. Seine langjährige Filmpartnerin, die vor zwei Jahren viel zu früh verstorbene Maja Maranow, zählte mehr als drei Jahrzehnte zu den erfolgreichsten Darstellerinnen im deutschen Fernsehen. Wie ihr Berliner Kollege verfügte die gebürtige Niedersächsin über eine klassische Schauspielausbildung.

Schauspieler der ersten Kategorie

Nach Maranows Tot hat die Potsdamerin Stefanie Stappenbeck der Part an Martens‘ Seite übernommen. Auch sie hat umfassende Theater – und Fernseherfahrung. Sie war unter anderem am Berliner Ensemble, den Hamburger Kammerspielen und in Heinrich Breloers dreiteiligem Doku-Drama Die Manns – Ein Jahrhundertroman zu sehen. Selbst der Running Gag der Serie, „Sputnik“, auch ein ehemaliger Volkspolizist, ist hochrangig besetzt: Jaecki Schwarz zählte in der DDR zu bekanntesten Film- und Theaterschauspielern. Beim „Starken Team“ begnügt er sich damit, in Kurzauftritten Martens & Co. mit immer wieder neuen, halbseidenen Geschäftsideen auf die Nerven zu gehen.

Niemals indes hat man den Eindruck, dass die Serienunterhaltung Martens, Schwarz und den anderen lästig sei. Kriminalfilme nehmen sie offensichtlich genauso ernst wie Shakespeare oder Brecht. In Ländern wie den USA, Großbritannien oder Schweden ist so etwas normal. Dort geben Shakespeare-Mimen wie Kenneth Branagh oder Benedict Cumberbatch ebenso gut und gern den Hamlet oder den Macbeth wie den Wallander oder den Sherlock. So etwas nennt man Professionalität. Hierzulande dagegen scheint so ein gleichberechtigtes Nebeneinander von U und E immer noch etwas Besonderes zu sein.

Das Publikum jenseits des Feuilletons scheint eine feine Antenne für die Professionalität bei „Ein starkes Team“ zu haben. So konnte in der vergangenen Woche die Wiederholung (!) einer Uraltfolge die höchste Zuschauerzahl verbuchen, die seit der Gründung von ZDF neo jemals gemessen wurde. Und das, obwohl auf ZDF neo auch die deutschen Erstaufführungen vieler hochgelobter britischer Serien und die Sendung von Jan Böhmermann laufen, den die einen für ein Genie und die anderen für einen überbewerteten Wichtigtuer halten.

Höchste Quote überhaupt für ZDF neo

„Ein starkes Team“ lag mit 3,16 Millionen Zuschauern nur knapp hinter der Kuppelshow „Der Bachelor“ auf RTL (3,3 Millionen Zuschauer), aber noch vor dem in den Medien stark diskutierten Fernsehspiel „Aufbruch ins Ungewisse“ (3,08 Millionen Zuschauer) in der ARD. Nur dem Champions-League-Knaller zwischen Real Madrid und Paris St. Germain (6,78 Millionen Zuschauer) mussten sich Martens und Kollegen klar geschlagen geben. Was allerdings kein Wunder ist. Für viele Fußballfans war dieses Spitzenspiel einfach ein Pflichttermin. Ich habe es mir ja auch angesehen.

Seit 24 Jahren läuft „Ein starkes Team“ nun schon und man muss kein Prophet sein, dass das einfache aber gute Konzept noch viele Jahre trägt. Einer schweigenden Mehrheit gefällt die Sendung, wofür es viele gute Gründe gibt. Gelegentlich sind die Fernsehgebühren schlechter angelegt. Selbst ich habe inzwischen meinen Frieden mit der Serie gemacht.

Andreas Kern

Der Diplom-Volkswirt und Journalist arbeitet seit mehreren Jahren in verschiedenen Funktionen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Kern war unter anderem persönlicher Referent eines Ministers, Büroleiter des Präsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt sowie stellvertretender Pressesprecher des Landtages. Er hat nach einer journalistischen Ausbildung bei einer Tageszeitung im Rhein-Main-Gebiet als Wirtschaftsredakteur gearbeitet . Aufgrund familiärer Beziehungen hat er Politik und Gesellschaft Lateinamerikas besonders im Blick. Kern reist gerne auf eigene Faust durch Südamerika, Großbritannien und Südosteuropa.

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