Bafög für Alle: Bedingungsloses Grundeinkommen für Studierende
Studierende sind eigentlich das, was früher die Lehrlinge waren, denn nach dem Studium sind die meisten von ihnen nicht Elite, sondern Wissensarbeiter, Angestellte in den Wissensfabriken, ob privat oder im öffentlichen Dienst. Aber sie bekommen kein Lehrgeld, das sollte sich ändern.
Ein großer Teil eines jeden Jahrgangs, der gegenwärtig die Schule verlässt, wird Wissensarbeiter. Junge Menschen lernen immer seltener einen klassischen Ausbildungsberuf, sie gehen nicht mehr in die Lehre, um nach drei Jahren Schlosserin, Friseur, Elektrikerin oder Verkäufer zu sein. Rund die Hälfte von ihnen macht Abitur, und die meisten der Abiturienten besuchen anschließend eine Hochschule oder eine Universität, um nach dem Studium Bachelor oder Master zu sein.
Auch wenn man das Wort Master aus dem Englischen ins Deutsche mit „Meister“ übersetzen könnte, werden die Absolventen der Hochschulen nicht als Vorarbeiter oder Teamleiterin eingesetzt. Längst studiert man nicht mehr, um später mal zur Elite zu gehören. Der Begriff ist ein Euphemismus, denn die Master von heute sind einfache Angestellte, Wissensarbeiter in den Wissensfabriken, ob sie nun BWL oder Informatik, Mathematik oder Kulturwissenschaft studiert haben.
Studenten: Lehrlinge von heute
Es hat in den letzten Jahrzehnten eine Inflation der Bildungsabschlüsse stattgefunden, und das muss man gar nicht beklagen. Das Abitur von heute ist der Realschulabschluss von Vorgestern, was früher der Facharbeiter war, ist heute der Bachelor, vielleicht sogar der Master. Auch, dass das alles heute länger dauert als früher, ist nicht zu beanstanden, denn möglicherweise muss man heute tatsächlich mehr lernen, um in den Wissensfabriken einen anständigen Job zu machen, als man es in früheren Jahren musste. Vielleicht braucht man einfach länger, um geistige Fähigkeiten einzuüben, als man braucht, um manuell zum Fachmann zu werden.
So weit, so gut. Es ergibt sich allerdings ein grundlegendes Problem: Die Auszubildenden werden von den Unternehmen oder Behörden bezahlt, in denen sie ihre Ausbildung machen. Das ist für die Arbeitgeber am Ende vielleicht ein Null-Summen-Spiel: In den ersten Lehrjahren haben sie mehr ausgegeben, als ein Azubi an Leistung erbringen konnte, gegen Ende der Ausbildung sind die Auszubildenden fast schon vollwertige Facharbeiter.
Wer aber bezahlt die Studierenden? Einige bekommen immerhin Bafög, die anderen bekommen was von den Eltern. Meistens reicht das nicht, sodass viele Studierende neben dem Studium arbeiten gehen müssen – das macht das Studium ineffektiv und zieht es in die Länge. Man stelle sich vor, Lehrlinge würden neben der Lehre noch irgendwo jobben, um sich die Lehre leisten zu können.
Bedingungsloses Bafög
Von den Freien Demokraten kommt jetzt eine Idee, die man als bedingungsloses Bafög für alle bezeichnen könnte. Jede Studentin und jeder Student bekommt ein Grund-Bafög, das nicht zurückgezahlt werden muss. Im Gegenzug entfallen alle Vergünstigungen, die die Eltern bisher für den Unterhalt der Kinder bekamen (Kindergeld bzw. Kinderfreibeträge auf die Steuerlast).
Man kann so ein Bafög für alle als kleinen Testlauf für ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ansehen. Die Idee des BGE ist ja auch, alle staatlichen Zuschüsse zum Leben, die mit Nachweisen der eigenen Bedarfs- oder Notsituation verbunden sind, zu ersetzen durch einen Fixbetrag, der jedem Menschen zusteht. Das Bafög für alle ist nichts anderes als ein BGE für Studierende – auch wenn hier ein Teil des Geldes, den der Mensch zum leben braucht, als Darlehen gezahlt wird, welches irgendwann bei Leistungsfähigkeit durch Arbeitseinkommen mal zurückzuzahlen ist.
Klingt gut, bringt aber im Moment der Einführung Probleme. Die FDP schlägt als Nicht-rückzahlbaren Teil des Bafög für alle 500 € pro Monat vor. Man kann nun ausrechnen, dass dies für jemanden, der heute den Maximalbetrag des Bafög zuzüglich Kindergeld bekommt, einen Verlust von rund 175 € pro Monat bedeutet. Betrachtet man die Eltern und die Studierenden gemeinsam, profitieren vom FDP-Modell die mittleren Einkommen am meisten, auch bei hohen Einkommen profitieren unterm Strich Eltern und Studierende, der Nachteil aus dem Wegfall der Steuerfreibeträge bei den Eltern ist geringer als die 500 €, die die studierende Tochter bekommt.
Dieses Problem bleibt natürlich relativ bestehen, wenn man den Bafög-Betrag so weit erhöht, dass es auch für den Sohn der Geringverdiener ein kleines Plus gibt, denn dieses Mehr käme ja auch der berühmten Chefarzttochter zu gute.
Warum sollte man die Idee, auch als sozialer Liberaler, trotzdem verteidigen?
Freiheit für die Studierenden – auch von den Eltern.
Zunächst, weil kein Studierender sich mehr nackt machen müsste, um Bafög zu bekommen. Keine Notwendigkeit mehr, haarklein aufzuführen, wer in der Familie wie viel verdient, wie viel einer auf der Hohen Kante hat. Auch keine Möglichkeiten zum Tricksen mehr für Leute, die geschickte Steuerberater haben. Das schafft Bürokratie ab, reduziert Misstrauen.
Dann, weil es allen Studierenden echte Unabhängigkeit von ihren Eltern sichert. Wie viele Studierende bekommen das Kindergeld nicht überwiesen, weil es bei den Eltern landet? Ich kenne Fälle, in denen der Stress für die Betroffenen groß war, und manche haben um des lieben Friedens mit den Eltern Willen drauf verzichtet. Wie viele Studierende mit besser verdienenden Eltern aber auch, bei denen die Zuwendungen von der Befriedigung der Vorstellungen der Eltern abhängen?
Sicherlich kann man an den Details des Konzeptes noch etwas machen. Denkbar ist z.B., dass man den Nicht-Rückzahlbaren Anteil des Bafög um bis zu 200 € pro Monat erhöht, wenn sich eine entsprechende Härtefall-Situation nachweisen lässt. Man sollte aber die Idee eines Bafög für alle nicht gleich totreden, weil man meint, dass sie von einer Partei kommt, der man gern soziale Kälte nachsagt.
Elternunabhängiges Bafög schafft Freiheit für die Studierenden, Unabhängigkeit. Es ist die Ausbildungsvergütung für die Wissensarbeiter und damit eine Komponente der Modernisierung unseres erfolgreichen Ausbildungssystems.
Hinweis: Der Autor ist aktives Mitglied der Freien Demokratischen Partei.
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