Der britischste Bond

Mit 89 Jahren ist Roger Moore in der Schweiz an Krebs gestorben. Das teilte seine Familie über den Twitteraccount des Schauspielers mit. Trotz zahlreicher anderer Rollen und seinem Engagement für das Kinderhilfswerk UNICEF wird Moore vor allem als James Bond in Erinnerung bleiben. Und das aus gutem Grund. Zu Beginn der 70er Jahre erfand er die Figur quasi neu und rettete sie damit vor dem vorzeitigen Serien-Aus.


Adidas oder Puma, Geha oder Pelikan, Sean Connery oder Roger Moore, das waren die wirklich wichtigen Fragen der in den späten 70er Jahren sozialisierten Jugendlichen. Als 007-Darsteller gab ich dem raubeinigen Schotten Connery den Vorzug vor dem Smarten Engländer Moore. Als Typ dürfte mir kein damals Lebender mehr imponiert haben als Moore, dieser Filou, dem selbst angesichts des mehrfach bevorstehenden Filmtodes niemals die feine Ironie abhanden gekommen wäre. Connery, das Raubein aus Edinburgh, war mir damals wohl etwas zu unfein oder zu ungehobelt.

Moore erfand James Bond neu

Der Mann aus London dagegen hatte immer einen coolen Spruch auf den Lippen, schnelle Autos in der Garage und noch dazu Charme im Überfluss. Außerdem jede Menge Mode- und Markenbewusstsein. Moore wurde in der Schrillen 70ern nicht nur zum populärsten Actionhelden, er schaffte es auch, die Figur des James Bond nach dem Ausstieg Connerys neu zu völlig neu zu erfinden. Nach dem ein Wiederbelebungsversuch mit George Lazenby zunächst gescheitert war, kam Moore endlich zum Zuge. Zu offensichtlich hatte der Australier probiert, Connerys viriles Draufgängertum zu kopieren, ohne jedoch auch nur einen Hauch von dessen Nonchalance zu besitzen.

Moore dagegen machte alles anders – oder sagen wir besser, er blieb dem Erfolgsrezept treu, mit dem er sich zuvor als „Simon Templar“ (Original: „The Saint“) und kongenialer Partner von Tony Curtis in „Die Zwei“ überhaupt erst in die Höhen eines möglichen Bond-Kandidaten katapultiert hatte. Und so wurde aus einer knallharten Actionfigur mit Amtsantritt Moores 1973 beinahe ein Comedy-Charakter, bei dem die Frisur und die ironischen Spitzen auch dann saßen, wenn er sich gerade im Kampf gegen karibische Voodoo-Priester, halbwüchsige Karate-Meister oder seinen damaligen Dauerrivalen namens „Beißer“ verausgabte.

Dramaturgisch dürften die Bond-Filme mit Moore – zusammen mit denen der Ära Pierce Brosnan – vielleicht die schwächsten der Reihe gewesen sein. Aber das stark auf die Leichtigkeit und den Humor des Hauptdarstellers angelegte Konzept passte genau in die Zeit. In den USA surften gerade der Sprüche klopfende Telly Savalas als „Kojak“ und Peter Falk aus zauselig-durchtriebener Inspektor „Columbo“ auf der Erfolgswelle. In Italien prügelte sich Bud Spencer als „Kommissar Plattfuß“ durch die Unterwelt von Neapel und in Frankreich begann Nervenbündel Louis de Funés seinen Dienst als „Gendarm von Saint-Tropéz“ zu versehen. Nur die deutschen Fernsehfander blieben lange Zeit weltverbesserisch-sauertöpfisch. Erst zu Beginn der 1980er Jahre machte sich Götz George als Duisburger Schmuddelkommissar Horst Schimanski mit seinen Sidekicks „Thanner“ und „Hänschen“ daran, ab und an mal eine dicke Lippe zu riskieren.

Mitte der 80er ging Ära zu Ende

Im Rest der Welt dagegen ging die Welle der lässigen Action da schon ihrem Ende entgegen – und damit auch die große Zeit von 007 in der Moore-Interpretation. Die neuen Heroen des Actionkinos waren so grobschlächtige Gestalten wie John Rambo und Chuck Norris. Später wandelte sich das Männerbild. Charmante, leichtlebige Verführer wie der Moore-Bond kamen aus der Mode. Echte Gefühle, wie sie beispielsweise Don Johnson als humorfreier, aber durchaus mitfühlender Drogenfahnder in „Miami Vice“ zeigte, waren der Trend der Saison. Schließlich perfektioniert von Kevin Kostner, dem neuen Superstar aus den USA, etwa in „Feld der Träume“ oder „Der mit dem Wolf tanzt“.

„Im Angesicht des Todes“, dem 1985 produzierten, siebten und letzten Moore/Bond-Streifen  dagegen merkte man die erneute Identitätskrise der Hauptfigur an vielen Stellen an. Und das obwohl – oder vielleicht auch weil? – die Produktion mit Grace Jones, Christoper Walken und anderen einige der trendigsten Stars der damaligen Zeit verpflichtet hatte. Bond dagegen wirkte plötzliche wie ein Fremdkörper in seinem eigenen Kosmos. Folgerichtig war dieser Film Moores letzter Auftritt als Doppelnull-Agent mit der steifen Unterlippe. Für seinen Nachfolger, den Waliser Timothy Dalton, wurde ein neues, wieder näher am Zeitgeist verortetes Konzept entworfen.

Es war schwer, auf Moore zu folgen

Dass dies nicht funktionierte, mag viele Gründe gehabt haben, an den schauspielerischen Qualitäten dieses Shakespeare-Mimen indes lag es bestimmt nicht. Fakt ist: Moore hatte die Rolle öfter ausgeübt als jeder andere bisher. Der Engländer hatte Bond so sehr seinen Stempel aufgedrückt, dass nur ein bereits erfolgreicher und international bekannter Schauspieler überhaupt die Chance hatte, als Bond bestehen zu können. Und das war Pierce Brosnan, den die Serie „Remington Steele“ zuvor zum Star gemacht hatte. Aber Brosnans Bond ging auch erst 1995 in Serie. Also rund zehn Jahre, nachdem Moore die Lizenz zum Töten an den Nagel gehangen hatte. Die Welt hatte also in der Zwischenzeit genug Zeit, um sich von Moore zu entwöhnen und Platz für eine neue Art des James Bond zu machen. Aber mal ehrlich, an was erinnert man sich aus der Brosnan-Ära wirklich? An den Titelsong von Tina Turner zu „Goldeneye“ vielleicht? Oder an Madonnas Gastauftritt in „Stirb an einem anderen Tag“? Dass es sich für Bond-Fans bei Moore anders verhält, dürfte nicht nur an den Sprüchen liegen. Als Mime war Moore schon komplexer als allgemein dargestellt.

Relikt aus der guten alten Zeit Britanniens

Auch privat war der Polizistensohn keineswegs bloß der lässige Bonvivant.  Nach Ende seiner Karriere engagierte sich der Schauspieler verstärkt sozial und wurde 1991 Sonderbotschafter des UN-Kinderhilfswerks UNICEF. 2003 erhob ihn Königin Elizabeth II. darauf in den Adelsstand.

Selbst wenn Sean Connery für viele Fans der wahre Bond bleiben wird und Kritiker den aktuellen Darsteller, Daniel Craig, oder auch Timothy Dalton näher an der Romanvorlage Ian Flemmings sehen. Als „britischster Bond“ wird Roger Moore wohl nicht nur mir in Erinnerung bleiben. Coolness, aristokratische Attitüde und sehr viel Selbstironie: Mit diesen Eigenschaften dürfte Moores 007 gerade in den Zeiten des Brexit, des globalen Terrors und der digitalen Reizüberflutung vielen Einwohnern des Vereinigten Königreichs noch größer erscheinen, als er ohnehin schon war. Und vielleicht starb mit dem Mimen eines der letzten Relikte aus der Zeit, als Britannien in der Welt wirklich noch als groß wahrgenommen wurde.

 

Andreas Kern

Der Diplom-Volkswirt und Journalist arbeitet seit mehreren Jahren in verschiedenen Funktionen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Kern war unter anderem persönlicher Referent eines Ministers, Büroleiter des Präsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt sowie stellvertretender Pressesprecher des Landtages. Er hat nach einer journalistischen Ausbildung bei einer Tageszeitung im Rhein-Main-Gebiet als Wirtschaftsredakteur gearbeitet . Aufgrund familiärer Beziehungen hat er Politik und Gesellschaft Lateinamerikas besonders im Blick. Kern reist gerne auf eigene Faust durch Südamerika, Großbritannien und Südosteuropa.

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