Perfekte Tage, Potter, Heroin?
Im Text steht, was im Text steht! Nicht was Kultisten drumrum basteln. Dumbledore ist nicht schwul, nur weil JK Rowling das im Interview behauptet und in Perfect Day geht es nicht „eigentlich“ um Drogen
Wirklich tierisch auf den Nerv gehen mir ja solche Fan-Klugscheißereien à la „In Lou Reeds Perfect Day geht es eigentlich um Heroin“, wie vergangenes Jahr etwa gegenüber dem Vatikan mal wieder in Anschlag gebracht.
Wer sich den Text anschaut, stellt fest, dass darin von Eigentlichkeit überhaupt keine Rede sein kann. Zur Verdeutlichung untenstehend im Vollzitat1. Das kann man drehen und wenden wie man will, da purzelt kein Heroin heraus. „Sangria“ ist die einzige, wenn man so will, „Drogenreferenz“, aber andre nennen das ein Grundnahrungsmittel. Ansonsten bleibt der Text in faszinierend schlichter Weise im Vagen.
Auch implizite Anschlüsse an die Drogenthematik lassen sich im Gegenteil etwa zu Hurt von den Nine Inch Nails nicht finden.
Keine Angst vor Uneindeutigkeit!
Es purzelt auch, um Einwänden aus der anderen Richtung den Wind aus den Segeln zu nehmen, keine Geliebte, Ehefrau oder etwa ein freundlicher Zwergschimpanse heraus. Alles was sich unter dem Label „eigentlich“ über das Lied sagen lässt ist, dass hier ein lyrisches Ich einen „perfekten Tag“ an ein/mit einem lyrischen Du besingt, wobei gerade noch so hinzugefügt werden kann, dass die Form relativ typisch einem Liebeslied entspricht. Zugegeben, die auch in der Betonung eher drohenden als verklärten Schlusszeilen mit dem viermaligen „You’re going to reap just what you sow“ scheinen dazu quer zu stehen, ebenso machen die Zeilen „You made me forget myself / I thought I was someone else / Someone good“ das Idyll fragwürdig. All das, auch die Vortragsweise, machen „Perfect Day“ ambig, nicht aber zu einem Song „that is really about heroin addiction“.
Und daran ändern auch außertextliche Fakten nichts. Selbst wenn Lou Reed durch einen in heroingesättigtem Blut geschriebenen Brief höchstpersönlich und notariel beglaubigt hätte, es handele sich um ein Drogenlied, „ist“ es deshalb kein Drogenlied, sondern genau das Lied, das da steht und das wir hören können. Andres zu behaupten entspringt der gleichen Eigentlichkeitssehnsucht, dem kunstfeindliche Fetisch der Authentizität, die auch in Anschlag gebracht wird, wenn JK Rowling mal wieder irgendein Detail über ihre Welt enthüllt, das literarisch zu verarbeiten sie sich unfähig gezeigt hat. So „ist“ Rowlings Dumbledore nicht „eigentlich“ schwul, da die Autorin entweder zu ängstlich oder nicht fähig war einen schwulen Charakter zu zeichen. Oder die Idee kam ihr zu spät, wer weiß.
Identitätsanker im durchorganisierten Chaos?
Warum aber sind diese Nachreichungen und/oder Enthüllungen so erfolgreich? Vielleicht weil gerade die pubertierende Dauerpop-Beliebigkeit mit ihrer überzogenen Relativität beinahe gezwungen ist, ein symbiotisches Verhältnis zu radikaler Identitätspolitik einzugehen. Zum Ausgleich sozusagen. Die schweifende gedankliche Freiheit, voller Muße, doch ohne Netz, auf die Kunst selbst in ihren schlechteren Momenten noch stößt, ist in der durchorganisiserten, chaotisch erfahrenen Sachzwang-Realität, die bei Strafe des Untergangs als „Freiheit“ ertragen werden soll, kaum auszuhalten. Und dann werden eben die Anker ausgeworfen. Anker des Insiderwissens. Des Outgroupings. Des Kultes um die eigentliche Message.
Und dann gönnt man seinen Feinden auch einen der besseren Momente nicht. In diesem Fall etwa: Lou Reed dem Vatikan.
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1Just a perfect day
Drink sangria in the park
And then later, when it gets dark
We go home
Just a perfect day
Feed animals in the zoo
Then later a movie, too
And then home
Oh, it’s such a perfect day
I’m glad I spent it with you
Oh, such a perfect day
You just keep me hanging on
You just keep me hanging on
Just a perfect day
Problems all left alone
Weekenders on our own
It’s such fun
Just a perfect day
You made me forget myself
I thought I was someone else
Someone good
Oh, it’s such a perfect day
I’m glad I spent it with you
Oh, such a perfect day
You just keep me hanging on
You just keep me hanging on
You’re going to reap just what you sow ::
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