Nicht nötig gewesen, aber halbwegs unterhaltsam: Frasier 2023.

Vor dem Start der 2. Staffel schaut Kolumnist Sören Heim kritisch zurück auf die 1. Staffel der „Frasier“-Fortsetzung.


Ich muss sagen, die späte Fortsetzung von Frasier (Paramount Plus) hat mich besser amüsiert, als ich es erwartet oder befürchtet hatte. Frasier ist natürlich eine der besten Comedyserien überhaupt. Selten waren die Hauptfiguren so kraftvoll, hat ein Ensemble so gut zusammen funktioniert, und kaum eine andere Serie hat solch hintergründig intelligente Witze, wobei die größte Leistung dabei vielleicht war, dasbreite Publikum nicht abzuhängen. Und Frasier wiederum folgte dem ja auch schon nicht schlechten Cheers. Sollte man so eine Serie nach über 20 Jahren fortsetzen? Nein, eher nicht. Insbesondere angesichts dessen, was aus zahlreichen anderen Remakes geworden ist. Und an Frasier, selbst an Cheers, gemessen ist das neue Frasier nicht sonderlich gut. Aber es hat mich immerhin pro Folge mehrere Male ernsthaft zum Lachen gebracht, und das ist schon deutlich mehr, als was viele andere neuere Comedy-Serien leisten.

Was funktioniert? Eigentlich nur zwei Dinge: Kelsey Grammer geht immer noch voll in seiner Rolle auf. Ich kaufe ihm den gealterten Frasier weiterhin ab, anders als etwa Lorelei und Rory in der „Gilmore Girls“-Fortsetzung, die durchweg wirkte, als fänden die Charaktere nicht wirklich zurück in ihre Rollen, spielten in brechtschem Sinne verfremdend. Und: Einige der Wortwechsel reproduzieren halbwegs den trockenen Humor des Originals.

Der Rest freilich hat so seine Probleme. Die Plots sind gerade so okay, und einige Folgen reproduzieren schamlos Handlungen, die vom Original viel besser gehandhabt wurden. Vielleicht soll das nostalgischer Fanservice sein, aber ich will doch nicht noch mal die gleiche Geschichte sehen, und dann auch noch schwächer. Das Ensemble: Das wirkt wie ein unbedachtes Zusammenwerfen von Schauspielern der klassischen Sitcom-Zeit und des heutigen distanzierten, selbstironischen Spiels. Kelsey Grammer spielt fast wie auf der Theaterbühne, so wie er in Frasier gespielt hat, und auch sein aus dem Nichts aufgetauchter, angeblich schon immer bester Freund spielt in diesem klassischen Stil. Die hier neu eingeführten Figuren wirken hingegen, als seien sie aus einer dieser neuen Serien gestolpert, die sich selbst nicht mehr ernst nehmen, aus Community z.B. Anders Keith als David Crane soll Niles‘ Sohn sein? Mit wem hat er den gezeugt? Mit einem der Pinguine aus Madagaskar?

Bezüglich Freddy bin ich unentschlossen. Einerseits kaum vorstellbar, dass der das intelligente, zurückhaltende Kind aus Frasier sein soll. Andererseits macht Jack Cutmore-Scott sein Möglichstes, der Figur halbwegs Leben zu verleihen. Die Idee, das schwierige Verhältnis von Polizistenvater zu hochintelligentem Kind mit hochintelligentem Vater zu einem Sohn, der Harvard abgebrochen hat, um zur Feuerwehr zu gehen, zu spiegeln, ist an sich gar nicht so blöd. Aber weder ist der Stil der neuen Show dem gewachsen, noch scheint mir das eine natürliche Entwicklung für Freddys Lebensweg zu sein. Oder aber: Man hätte es besser entwickeln müssen und mit der Show vielleicht insgesamt eher in Richtung Dramedy gehen sollen.

Das neue Frasier ist keine totale Katastrophe, wenn man es nicht ständig mit dem Original vergleicht. Man hätte das natürlich nicht machen müssen, und prinzipiell stehe ich dem Trend zu all diesen Reboots und Remakes sehr kritisch gegenüber. Aber man merkt doch, dass das hier nicht in erster Linie ein Cashgrab ist, sondern ein Herzensprojekt von Kelsey Grammer, das er wohl irgendwie machen musste, komme was wolle. Und nun gibt es ja noch eine Staffel, und die Show hat eine Chance, ihren Ton besser zu finden.

Sören Heim

Sören Heim ist Journalist, Übersetzer und Schriftsteller. Er ist Träger des kosovarischen Preises für moderne Dichtung „Pena e Anton Pashkut“ (Stift des Anton Pashku) und des Sonderpreises „Favorit von Daniel Glattauer“ der art.experience 2014. In HeimSpiel schreibt Sören Heim mit Heimvorteil zu den Schnittpunkten von Kunst, Kultur und Gesellschaftspolitik. Er beleuchtet die unerwartete Bedeutung ästhetischer Fragestellungen für zeitgenössische Debatten, die mit Kunst auf den ersten Blick kaum Berührungspunkte haben. Und wo immer, sei es in der Politik, sei es in der Ökonomie, sei es gar im Sport, er auf geballten Unsinn und Unverstand trifft, wagt der Kolumnist auch das ein oder andere Auswärtsspiel. Bisher erschien die Kolumne HeimSpiel im Online-Debattenmagazin The European. Daneben veröffentlicht Heim in mehreren Literaturzeitschriften vornehmlich Lyrik und dichte Kurzprosa, und bloggt auf der eigenen Homepage aus seinem Zettelkasten. Monographien: Kleinstadtminiaturen: Ein Roman in 24 Bildern. Girgis Verlag: 2016 – ISBN: 978-3939154181.Cover nur Front Gewogene Worte: Nachdichtungen aus dem Chinesischen. edition maya: 2016 – ISBN: 978-3930758463.cover kathaStrophen. Experimente in Rhythmus und Melodie. Chiliverlag: 2017 -ISBN: 978-3943292541.FrontCover 2_bleu Algenhumor: Gedichte für das dritte Jahrtausend. Girgis Verlag: 2016 – ISBN: 978-3939154228.algen Audio-Exklusiv: La vie! La jeunesse! – Hörmordkartell 2017

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