Die Essenz der Diva

Wolfgang Brosche mit einer Hommage an die Diven.


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Diva, wer oder was ist eine Diva, fragt der Professor spitzbübisch lächelnd und schiebt sich den hinabgerutschten Kneifer wieder den Nasenrücken hinauf. Wie so oft kräht der Klippschüler Berger vorlaut: das ist einfach. Eine Diva ist ein wunderhübsches junges Mädchen mit Allüren!

Hab ich mir gedacht, daß sowas von Ihnen kommen würde, aber in jeder Beziehung liegen Sie falsch, sagt der Professor. Eine Diva muß nicht zwangsläufig eine Frau sein, hübsch schon mal gar nicht und jung auf keinen Fall.

Magnani

Nehmen sie Anna Magnani, die größte aller italienischen Schauspielerinnen. Sie war nicht mehr jung als sie zu Filmruhm gelangte und nächtliche Ausschweifungen mit den Filmteams- und Partnern nebst ihrem Dackel hatten ihre Spuren hinterlassen. Sie soff wie ein Loch, aber wenn man von ihr am Morgen nach so einer durchzechten Nacht forderte schön und jung zu sein, dann war sie es, wie ihr Regisseur Jean Renoir berichtet.

Sie spielte einfach: das Jungsein, die Jugend, die Schönheit. Und das kann man in ihrem gemeinsamen Film mit Renoir „la carozza d ´oro“ sehen, der im schmeichelhaftesten und gleichzeitig  grausamsten Farbsystem Technicolor gedreht wurde: denn es enthüllt jede Runzel der Rosenhaut und Max Factor – müßt ihr selbst googln – mußte, der die Stars mit Gesichtern und Haaren versorgte, schon sehr erfindungsreich sein, um die Wahrheit zu überlisten.

Aber Anna Magnani, die die größte italienische Darstellerin war, ja es muß nocheinmal gesagt werden, schwenkt die Trikolore vor ihr, war eben eine Diva, die ihrer Ahnin Francesca Bertini alle Ehre machte.

Bertini

Francesca war die erste der großen Filmdiven, die einen Kult um sich entfachten…und die Italiener, die Primadonnae assoluta lieben, machten sie mit einigen Monumentafilmen zu Anfang der 1910er Jahre zur ersten Diva assoluta. Ihre Darstellung bot genau jene Verlockungen an Monumentaliät der Liebe und Sexualität (mit Fedora – sie spielte die tragisch umflorte Salondame Fedora wie die hyperdramatische Tosca mit erotischer Verheißung, die aus einer leidlich hübschen Schauspielerin aus der Statistenriege eine Diva machen. Das damals neue Medium des Films kam dem zeitgenössischen präfaschistischen Futurismo entgegen – die frühen Filme Italiens beschäftigten sich auf monumentale Weise mit der glorreichen Vergangenheit, nicht allein der Antike, sondern auch der Renaissance.

Mussolini

Der Film konnte weit übers Theater Bilder, die bisher nicht möglich gewesen waren, zeigen, etwa die Niederfahrt Dantes im grotesken Inferno wie wir sie bei Gustave Doré mit seinen Illustrationen gesehen hatten – und nun lebten sie auch noch. Das galt aber nicht nur für das Monumentale, das die neuen faschistischen Machthaber begeisterte – Mussolini war wie alle Diktatoren begeisterterter Filmfan – sein eigenes Divengehabe, von dem wir dieser Tage Abbilder in Donald Trump sehen konnten, wurde durchs Kino massenhaft verbreitet: sein Nackenrecken und Zähneblecken machten ihn zum faschistischen Protz der Eitelkeit in Großaufnahme.

 

Man konnte also im Kino seinem Idol näher kommen: der Diva eben – riesenfach auf der Leinwand vergrößert. Ob nun Benito Mussolini oder Francesca Bertini – man kam der Göttlichkeit näher. Das Kino machte Götter.

Malibran

Divenkult heißt also nicht bloß hübsche Mädel, Herr Berger. Ein weiterer Aspekt des Divenkultes ist die italienische Begeisterung für die Sopranistin – für die bedingungslos bis zur Raserei hochgetriebenen Töne. Das Publikum brach in Begeisterung aus bei der Wahnsinnsaria der Lucia di Lammermoore von Gaetano Donizetti. Übergröße, Wahn und Eitelkeit gehören zum Divenkult. Die erste Diva dieser Art war Maria Malibran. Nicht nur ihr Gesang galt als makellos, sondern auch ihr wohlgestalter Körper, den sie sich nach einem Chaissenunfall nicht richten lassen wollte; sie verweigerte ätztliche Behandlung. 50.000 Verehrer kamen zu ihrer Beerdigung. Sie war aber nicht bloß eine Gesangsgöttin, sondern schrieb auch makellose Prosa und Verse, komponierte für sich selbst Arien, malte, zeichnete auf hohem Niveau und entwarf ihre Bühnenroben. Muß man eine so übertalentierte Canaille nicht lieben und verehren? Selbst wenn die Anerkennung wie bei Thomas Manns Zugestännis zur Größe seines Antipoden Bert Brecht mager ausfällt: „die Canaille hat Talent!“.

 

Das ist auch bei politischen Diven so – wir können z.b. nicht umhin ihr Talent für den Gebrauch eines sich ihnen bietenden Mediums zu bewundern: der Massenansprache, des Radios, der Films, Twitters – und das gilt vom Videoclip bis zum Podcasat heute umso mehr. Hitler und Madonna – Superdiven – können auf der Klaviatur ihrer Medien…spielen wie gewandte Kinder.

 

Wie heute Madonna beherrschte vor 250 Jahren Maria Malibran alle Aspekte ihres Metiers. So wußte etwa um die Mitte des 20. Jahrhunderts, die damals größte aller Diven, Marlene Dietrich, alles über ihr zuträgliches Licht, perfekte Kamerawinkel, superbe Stoffe und Hintergrundmusiken – sie machte die Show – sie war die Show.

Dietrich

Die Diva muß also weit mehr als jung oder schön sein; beides schadet nicht, aber es reicht auch nicht. Da muß eben ein göttlicher Funken an Selbstbesessenheit sein, eine Verliebtheit ins eigene Talent – oder wie sagte Johannes _Rau programmatisch: verliebt ins Gelingen…oh ja, die Diva ist rücksichtslos wie Marlene als Lola-Lola, Joan Crawford als Saloon-Kapitalistin Vienna oder sogar die göttlichste aller Diven, Greta Garbo.

Die liebte stets so unerbittlich, daß es ihr von Mata Hari bis Anna Karenina tödlich selbst schadete. Diva sein ist eben auch tragisch. Das merkten die schönsten Männer-Diven ihrer Zeit Rudolfo Valentino und Tyrone Power nicht nur in ihren Rollen: beide spielten sie einen Torero, der ein standesgemäß gehörntes Ende findet: „Blood and Sand“ eben. Beide mußten auch für ihr verborgen gehaltenes Schwulsein leiden. Valentino wurde als Puderquaste verspottet, und über Tyrones Liebe zum Co-star Cesar Romero zerriß sich die ganze Welt das Schandmaul.

Valentino

Keiner war so erotisch mehr aus- und angezogen, und halbnackt in Tüll und Juwelen wie Rudulfo Valentino als „Sheik“ und keiner so kraftvoll männlich als ständig halbnackter Pirat, der auch noch gefoltert wurde in den Seilen hängend mit Muskelspiel und mit Bächen an Schweiß…in the „Black Swan“ wie Tyrone Power.

Das macht die Diva aus: die ständige Verheißung: da eine Hüfte, da eine Gesäßfalte. Da eine Brustwarze oder ein herabrinnender Schweißtopfen. Aus solchen Details setzen sich die Divenkörper von Elisabeth Taylor in „Cleopatra“ und Charlton Heston in „Ben Hur“ zusammen – Traumbilder des Verlangens, nie genügend, immer zu wenig. Da ist es nötig, den Bedarf des Publikums zu kanalisieren und zu verknappen. Das Bild der Diva muß kursieren, aber nicht in extenso.

Callas

Wie man mit versprechen und Verheißung balanciert läßt sich am gekonntesten beim Konzert von Maria Callas 1962 in Hamburg erkennen.

Niemand hat die Habanera jemals vor ihr und danach so gesungen: sie lockt, sie girrt, sie summt, sie coloriert bis an den Rand der Stimme. Das ist schön, das ist erotisch, das ist überirdisch, zumal sie nicht nur so singt wie Audrey Hepburn gern singen würde, sie sieht nach einer lebensgefährlichen Hungerkur noch so prinzessinnengleich schlank aus, sie hatte alles primadonnen matronenhafte verloren und strahlte. Das macht die Diva aus – und daß sie es weiß – denn das sagte auch das Lächeln der Callas, wie man in der tv-Aufzeichnung des Konzertes sehen kann: sie weiß um ihre Grandiosität und daß uns Atem und Spucke wegbleiben.

Ach, es gäbe so viel zu erzählen über Diven wie Orson Welles, den Titanen oder Elsa Lanchester, Frankensteins Braut oder die alte Zigeunerin Maria Ouspenskaja – alles Diven eigener Art.

Dolan

Auf weiter Flur sehe ich zur Zeit nur einen, sagt der Professor stirnrunzelnd, der dieses Erbe der Diven angetreten hätte: den Kanadier Xavier Dolan – schön wie Apoll und talentiert wie Merkur. Schauspieler, Entrepreneur, Autor, Regisseur, die Musik seiner Filme ebenso kreierend wie ihre Konstüme. Nur noch Orson Welles kam ihm gleich. Wobei Welles, ein Auteur-Diva der 40er auch noch mit einer anderen Diva verheiratet war: mit Rita Hayworth – entsprechend war die Ehe mit Hysterie, Streit und Eifersucht geladen. Was eine Diva auslöst, Massensuggestion, konnte man bei Rita Hayworth feststellen.

Hayworth

Ungezählte Kinogänger behaupteten steif und fest, sie habe sich als „Gilda“ im gleichnamigen Film völlig ausgezogen, während sie den Song von der lasziven Mame vortrug. Aber nichts da – sie zog nur einen einzigen Handschuh aus – aber nichts konnte heißer sein! Put the blame on mame boys… Und mit diesem Song grüßt eine Diva über Lichtjahre eine andere… denn die Ballade vom schröcklichen Dan Macgrew machte Margareth RUtherford Anfang der 60er in einem Miss Marplefilm zu ihrem Kabinettstückchen. Und eine Diva war sie, alt, nicht schön, verschroben aber grandios.

Ach, du meine Güte, da habe ich ja den Diven-Tierpark weit geöffnet, seufzte der Professor, ich werde euch also von ihnen noch viel erzählen müssen: von Errol Flynn, Sylvana Pampanini, Yvonne Printemps oder Gerard Philippe! Versprochen, Herr Professor? Also gut, nachdem ich euch vom Wesen der Diva erzählt habe, kann ich ja gar nicht anders. Oder wie es Cole Porter – eine Komponistendiva – in einem Chanson geschrieben hat:

it´s not because I shouldn´t do it, it´s not because i wouldn´t und you kow it´s not cause i couldn´t, it´s just because i´m the laziest gal in town.

Das ist die Essenz der Diva.

– für Brigitte Augspurger

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