Rap: Der Aufenthalt im Knast als Geschäftsmodell
Der Aufenthalt im Knast wird im Rap zu einem Geschäftsmodell, kritisiert Gastkolumnist Burak Yilmaz.
Der Rap-Szene in Deutschland gehen die Ideen aus. Seit einigen Jahren ist ein Trend zu beobachten, der eigentlich sinnbildlich ist für die Radikalisierung einer Szene, aber auch der Gesellschaft. Es kommt inzwischen immer weniger darauf an, mit kreativen Punchlines, ausgeklügelten Reimen und mit vielfältigen Wortspielen Zuhörerinnen und Zuhörer zu begeistern. Kreative Texte sind zwar angesagt, aber es lässt sich damit kein großes Geld verdienen.
Schon längst ist der Aufenthalt im Knast zu einem Geschäftsmodell geworden. Mit dem Tag der Entlassung aus dem Gefängnis kommt am Tag danach meist auch ein neues Album auf den Markt. In den meisten Fällen hört man wenig von reflektiertem Verhalten oder einem Schuldbewusstsein. Es ist so, dass Knastaufenthalte marktstrategisch unglaublich gut eingesetzt werden, um Klickzahlen zu generieren. Als wäre man als Rapper nur dann glaubwürdig, wenn man eine gewisse Zeit im Knast saß.
Rap radikalisiert sich
Während Marihuana in der Rap Szene eigentlich schon immer sichtbar war oder auch darüber gerappt wurde, ist Marihuana im heutigen Rap Geschäft nicht nur langweilig, sondern auch völlig normal geworden. Die Verherrlichung von Gewalt, Frauenfeindlichkeit und Homophobie kommen als weitere Komponenten dazu. Neben dem Knastaufenthalt erlebt auch der Konsum und das Verkaufen von Kokain eine völlig neue Dimension. (Miami Yacines Track „Kokaina“ von 2016 ist das erfolgreichste Deutschrap-Lied mit 95 Millionen Klicks.)
Rap radikalisiert sich immer mehr. Die Kunst spielt eigentlich kaum noch eine Rolle, es geht nur noch um das Image und um die Vermarktung des Gangsta-Images. In einem Musikgenre, in dem Männlichkeit das non plus ultra ist, ist es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit bis sich dieses Genre immer weiter übertreffen und überbieten muss. Wenn Rap diejenige Musikrichtung ist, die sich in Deutschland am meisten verkauft und gleichzeitig immer krassere Männlichkeitsbilder und immer abwertendere Frauenbilder produziert, dann erklärt sich, wieso viele Jungs am Block Männlichkeit als Kapital verstehen. Gewalttätige Männlichkeit macht für sie Sinn- es ist für sie logisch, weil sie dadurch aufsteigen können.
Männlich, brutal, glaubwürdig
Je männlicher ich bin, je brutaler ich bin, desto glaubwürdiger bin ich, desto mehr Aufmerksamkeit bekomme ich von allen Seiten. Jungs am Block, die ernsthaft meinen mit diesem Lebensstil aus ihrer Misere herauszukommen, merken nicht, dass sie sich durch diese verinnerlichten Bilder von Männlichkeit und Macht noch mehr in diese Strukturen einfahren, die eigentlich auch für ihre Misere mitverantwortlich sind. Der häufig erwähnte Vers in Rap-Tracks „Ich muss diese Scheiße machen, um hier endlich raus zu kommen!“ müsste eigentlich korrigiert werden mit „Ich mache diese Scheiße hier, weil ich sonst nichts anderes habe, womit ich mich identifizieren kann.“
Durch ihre Musikkarriere erleben Rapper einen gigantischen gesellschaftlichen sowie einen wirtschaftlichen (!) Aufstieg, den kein Förderprogramm oder Projekt in Deutschland momentan für sie gewährleisten kann. Es ist auch ein strukturelles Problem. Die Verheißung auf Erfolg, Anerkennung und Ruhm macht den Aufenthalt im Knast zu einem Nebenschauplatz. Fast schon zu einem Marketing Gag.
Vielleicht ist diese Spiegelung der gesellschaftlichen Radikalisierung und der Sichtbarkeit davon in der Rap-Szene dann doch wiederum Kunst.
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