Verflacht Literatur? Ist Amerika Schuld?
Ohne Buchpreisbindung wird nur noch Mainstream produziert – so am Sonntag der Tenor der Freunde des Instruments. Stimmt das?
In der Debatte rund um die Buchpreisbindungs-Kolumne wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass moderne Literatur immer homogener werde, alles klinge irgendwie gleich. Ich denke das ist nicht ganz von der Hand zu weisen, hat aber wohl wenig mit der Buchpreisbindung bzw. deren Abwesenheit zu tun und ist entsprechend nicht auf die USA und andere Staaten ohne Buchpreisbindung beschränkt. Es ist zu erwarten, dass wo ein Phänomen ganz oder zumindest der Erwartung nach Marktkräften unterworfen wird, eine Homogenisierung zumindest der Massenprodukte stattfindet. Analog gedacht werden kann das zur Oligopol- oder Monopolbildung auf Märkten, die kein entsprechendes Kartellrecht vorsehen.
Ähnlichkeiten bestehen
Beispiel Deutschland: Wenn man einen dem eigenen Zeugnis nach beim Schreiben seiner frühen Werke selten ganz bei sich seienden Autoren wie Melle neben einen stilistischen Traditionalisten wie Modick und einen schon fast zwanghaften Modernisten wie Meyer legt, und all das mit einem gut gemachten typischen Genrewerk, etwa Krimi oder Science Fiction vergleicht, werden die stilistisch deutlich ähnlicher klingen als in der Gegenüberstellung etwa die Zeitgenossen Robert Walser, Alfred Döblin, Franz Kafka und Rudolf Borchardt. Obwohl es eine Buchpreisbindung gibt.
Genauso gilt das, ohne Bindung, für Pynchon, Updike, Kathy Reichs und Salman Rushdie. Auch die stehen sich im Duktus (nicht in der kompositiorischen Anlage des gesamten Romans) wohl näher als Melville, Hawthorne, Irving und Thoreau.
Professionalisierung des Schreibens
Der Grund dürfte ganz einfach in der Perfektion der technischen Verfahrensweisen unter Wettbewerbsbedingungen liegen. Auch wer’s noch geschafft hat sich um den, um im Business Fuß zu fassen (Netzwerken, Baby!) mittlerweile fast obligatorischen Besuch der richtigen Literatenschulen (Biel, Hildesheim, Leipzig) herum zu drücken, lernt heute das Schreiben unter einer Vielzahl von Einflüssen und sich stetig vergleichend mit einer Vielzahl von Zeitgenossen. Das beginnt lange vor der eigentlichen Karriere, lange bevor die Buchpreisbindung hier irgendeine abschirmende Funktion ausüben könnte und ist international ebenso zu beobachten. Und das ist prinzipiell eine Folge der Professionalisierung, der allgemeinen Niveausteigerung. Auch das autodidaktische Schreiben professionalisiert sich. Die Techniken werden konsequenter entwickelt und sich dabei gleichzeitig ähnlicher. Auch große Fußballer etwa sind heute auf dem Platz anhand ihrer Bewegungen weniger leicht voneinander zu unterscheiden als vor 50 Jahren. Oder: Man stelle sich 5 begnadete Musiker vor, die vor aller Harmonielehre und Institutionalisierung der Musik ohne Kontakt untereinander eine je eigene Art und Weise entwickeln, sich künstlerisch in Tönen auszudrücken. Dass die unterschiedlicher klingen werden als selbst Mitglieder verschiedener Schulen, die versuchen sich von der Romantik abzusetzen (als Schönberg, Bartok, Strawinski etwa), ist zu erwarten.
Gewinn und Verlust
Es soll nicht gesagt sein, dass die Kunst nicht durch Homogenisierung einiges verliert (sie gewinnt allerdings auch: Heute werden wahrscheinlich an einem Tag mehr überdurchschnittliche Werke produziert als vor 100 Jahren in einem Jahr). Aber: Die Buchpreisbindung dreht das Rad der Zeit nicht zurück. Manches Geliebte lässt sich nicht wiedergewinnen. Um Eigengewächse vergangener Jahrhunderte neu zu züchten müsste man schon talentierte Autoren im Jugendalter von der Welt isolieren und ihnen in digitalen Weltsimulationen ohne Schriftstellerkontakt Literatur entlocken. Oder man sucht eben genauer und lernt lesen. Denn halb abseits des Marktes und halb schon von ihm eingeschlossen entstehen ja immer Eruptionen gegen das Immergleiche. Gerade in der Kunst. Doch ohne Publikum, diesen mächtigen unbewussten Homogenisierungs-Drücker, verschwinden sie ungesehen.
Kaffeesatzleserei
Postscriptum: Das unter dem letzten Beitrag sehr rege diskutierte Thema, ob durch die Buchpreisbindung kleine Buchläden gerettet werden können und ob man das sollte ist auch hier nicht meins. Allerdings fiel auf, dass Bindungs-Befürworter sich nicht mal einig darin waren, ob das Instrument die Preise derzeit unten oder oben hält. Die am ehesten noch konsistente Position war die, dass Bestseller günstiger, Spartentitel aber teurer und dadurch verdrängt würden. Als Autor von Spartentiteln bin ich nicht sicher, ob das die richtige Schlussfolgerung ist. Derzeit ist es so, dass man auch mit einem aufwändig gestalten Werk in kleiner Auflage mit der Erwartung des Publikums kämpft, ein dünnes Buch dürfe nicht mehr als 10, ein dickes nicht mehr als 20 Euro kosten. Es wäre also durchaus möglich, dass ein Fall der Buchpreisbindung kleinen Verlagen und Autoren nützt, weil die Erwartungshaltung zerschlagen wird und Menschen, die ja durchaus bereit sind 20, 50,100 Euro für einen Konzertabend auszugeben, auch für ein Buch wieder mehr zahlen.
Und ohne Bindung wären etwa für klamme Bekannte oder arme Dichterkollegen jederzeit legal Rabatte möglich.
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