Zu Fuß durch eine Welt (fast) ohne ÖPNV
Kolumnist Sören Heim ist spontan 4 Tage mit Zelt über den Hunsrück gewandert und berichtet von seinen Erfahrungen.
Tag 1 – Opelwiese – Sensbach – Simmertal
„Allein macht man so was eigentlich nur in der Krise“, sagt der am Vorabend noch wortkarge, etwas raue Besitzer des Campingplatzes bei Simmertal, wo ich meine erste Nacht verbracht haben. „So was“, das ist: Mit Rucksack, Zelt und allem was dazugehört einmal längs (bzw. zweimal quer) über die beiden Hauptkämme des Hunsrück. Ich wollte schon ewig einmal wieder ein paar Tage raus, und habe zwischen Arbeit, Literaturwettbewerben und was man sonst als Autor so macht nie wirklich die Zeit gefunden bzw. den Absprung geschafft. Die letzte nicht irgendwie auch „geschäftliche“ Reise war eine Radtour auf den Schweizer Klausenpass 2009. Als sich dann diesen Sommer eine Woche ohne jegliche Termine auftat, bin ich sehr spontan los. Doch ich gehe nicht nur allein, weil sich so kurzfristig schwer ein Mitwanderer findet: Die beiden Male Anfang 20, als ich mit einem Freund gegangen bin, hat sich je einer von uns unterwegs verletzt, so dass die Tour im einen Fall zu Ende war, im anderen man sich schlechten Gewissens am nächsten Bahnhof trennen musste. Und dann ist man zu zweit oder mehreren eben vor allem auch zu zweit: Am Morgen hätte ich wahrscheinlich nicht mit dem Campingplatzbetreiber gefrühstückt, der hinter der wortkargen Oberfläche einen guten Blick für Menschen offenbart: sieht aus wenigen Handlungen gleich, dass ich genau voraus planen möchte, rechtzeitig die Wege erfragen, sicherstellen, dass ich weiß, wo ich Essen bekomme, und wo ich nachts schlafe, und sagt: „bist immer nur so gestresst“, was stimmen dürfte. Ich solle einfach den Weg Schritt für Schritt gehen, irgendwas würde sich schon finden. Sei doch hier nur mir selbst verantwortlich. Was fast weise wirkt, in diesem lustigen Hunsrück Dialekt aber zum Glück nicht dazu einlädt, daraus gleich eine Religion zu machen. Und die Krise: Auch das ist ja nicht ganz falsch. Als Autor, als Freiberufler zumal, da ist immer ein bisschen Krise, und wer Politik und Klimaentwicklung nur halbwegs ernsthaft verfolgt, erlebt die Welt in Dauerkrise, allein, dass sie uns alle rundum erfasst, lässt darin halbwegs normal leben: Die Fische stören sich ja auch nicht am Wasser.
Am Vortag die Etappe bei dichtem Regen. Ich habe mich von meiner Heimatstadt ein gutes Stück in die Berge fahren lassen, sonst wäre der angepeilte Campingplatz nicht zu erreichen gewesen, da ich erst mittags los konnte. Die Wege sind größtenteils ordentlich ausgeschildert, nur einmal bin ich ein wenig sauer auf den Soonwaldsteig, dem vertrauend ich in einen finsteren Hohlweg zwischen dicht stehenden Bäumen hineinsteige, den leicht gangbaren geschotterten Wirtschaftsweg verlassend, den ich dann zwei anstrengende Kilometer später wieder treffe. Aber über Stock und Stein wird man an schönen Ecken des Waldes vorbeigeführt, das entschädigt dann doch wieder. Den Soonwald Richtung Sesenbach verlasse ich gegen 19 Uhr, dann geht es steil bergab, und so etwa gegen 20.30 Uhr habe ich den Campingplatz gefunden. Um neun wäre die Rezeption nicht mehr besetzt gewesen und ich hätte für morgens kein Frühstückt bestellen können. So ganz falsch ist das mit dem Planen dann auch nicht. Bis zum letzten (!) Geschäft der nächsten beiden Etappen hätte ich ein gutes Stück rückwärts von meiner Strecke abweichen müssen.
Abends, beim lockeren Auslaufen ohne Gepäck, gleich noch in eine Gruppe Dauercamper gestolpert, die mich am Lagerfeuer aufnehmen: Menschen, die ihr ganzes Leben teils auf dem gleichen, teils auf wechselnden Campingplätzen verbringen: Wohnungen seien heute zu teuer oder zu weit weg von der Arbeit. Und außerdem sei hier jeden Abend was los. Eine junge Frau, die mit dem selbst gebauten Wohnmobil durch die halbe Welt gereist ist, gibt mir Tipps für den Ausbau eines Dacia. Auch diese Gruppe hätte man zu zweit vielleicht gar nicht kennen gelernt – hätte, statt sich die Zeit noch weiter mit Laufen zu vertreiben am eigenen Zelt gehockt, schmerzende Glieder gepflegt und den Tag Revue passieren lassen.
Tag 2: Simmertal – Schmidtburg – Bundenbach
Apropos Planung: Ab jetzt wird es wirklich schwer werden, an Essen zu kommen. Es gibt keine Geschäfte in den kleinen Hunsrückdörfern, es gibt selten Wirtschaften, die noch seltener offen sind, und da ich aus gesundheitlichen Gründen relativ vieles nicht vertrage, kann ich auch nicht einfach an Haustüren betteln. Ein Bettler mit Ernährungsplan, das wäre doch etwas übertrieben. Zum Glück vertrage ich Mandeln, und habe fünf Tüten dabei für Momente, in denen man an nichts anderes kommt. Damit, und mit dem, was ich nach dem Frühstück in der jeweiligen Unterkunft mitnehmen darf, komme ich gut durch den Tag.
Was es auch nicht gibt (ich schaue nur aus Interesse): Busse. Oft fährt pro Tag nur ein einziger nach der nächst größeren Stadt und abends zurück. Wer beim Versuch, die oben genannte Klimakrise zu bewältigen nicht diese Region (und viele ähnliche) komplett abhängen oder entvölkern möchte, muss den ÖPNV gerade dort, wo er sich nicht rentiert, mit aller Gewalt fördern. Ansonsten braucht hier nämlich wirklich jede Familie mehrere Autos. Und auch die Kinder und Jugendlichen werden schon in einer Benzinkultur groß: Wo man junge Menschen sieht, fahren die Quads und Minibikes, später aufgemotzte Autos. Schon Kinder spielen gern mit (Spielzeug-) Quads. Politisch gefordert wird derzeit immerhin eine deutliche Reduzierung der Bahnpreise. Aber zwischen Nahe und Mosel dürften ein paar 100.000 Menschen leben, die in einer Weise vom Verkehrsnetz abgeschnitten sind, die man sich auf den Dörfern nahe des Rheins kaum vorstellen kann. Selbst Morbach, eine Stadt mit gut 10000 Einwohnern, zählt vielleicht zwei Hände voll Einträgen auf dem Busfahrplan, der ganze Stolz ist eine Busverbindung nach Trier, die nach Angaben von Einwohnern öfter mal unerwartet ausfällt, und alle Bahnlinien im Hunsrück wurden längst stillgelegt.
Der zweite Tag beginnt malerisch, am Lauf des Simmerbach geht es bis Heinzenberg, dort trete ich aus dem Wäldchen ganz plötzlich in eine Art Bildhauerwerkstatt, es werden Figuren aus Holz gesägt. Man weist mich auf einen Fußpfad bergauf Richtung Hennweiler, dort treffe ich eine Wanderin, die mir eine Abkürzung an einem auf meiner Karte namenlosen Bach entlang verrät (lt. Google: Heinzenbach). Der Weg ist etwas verwildert und nicht immer leicht wiederzufinden, aber nach 2 bis 3 steilen Kilometern tritt man wiederum aus dem Wald in eine Gruppe Holzfiguren an einem kleinen Weiher. Den Hof bewirtschaftet ein Holländer, der mir erklärt, dass der Pfad eigentlich gesperrt sei (es gab definitiv keine Absperrung und auch kein Schild), und der mir zeigt, wie ich weiter bis Hennweiler komme. Während es gestern geregnet hat ist es heute drückend heiß, und auf dem nächsten Abschnitt gibt es am Weg keinen einzigen Baum. Auf den Landstraßen über Bruschied nach Schneppenbach trage ich durchgehend einen improvisierten Sonnenschutz, der scheiße aussehen mag, aber funktioniert. Über den Feldern kreisen zahlreiche rote Milane, die ich im Rheintal nur noch sehr selten sehe. Als Kind war ich ganz begeistert von diesem schönen Vogel. Man kann sagen was man will, der schwarz Milan, der sich am Rhein tummelt, ist doch ein Milan zweiter Klasse.
Nachmittags dann ein kleiner Schock: Der auf der Karte verzeichnete Campingplatz entpuppt sich als reines Sommercamp für Jugendliche an einem Sportplatz; dort ist nichts, nicht mal jemand, den man fragen könnte, ob man sein Zelt aufschlagen darf. Aber es ist sowieso noch etwas früh, und ein weiterer Campingplatz sollte bei Bundebach in der Nähe eines Keltendorfes sein. Komisch nur, dass den in Schneppenbach keiner kennt. Es gibt noch eine Möglichkeit, auf halber Höhe im Tal zwischen Burgruinen zu zelten, allerdings nur mit vorheriger Anmeldung. Und selbst, würde ich den Burgherren telefonisch erreichen, ist der Platz so weit ab vom Schuss, meine Wasservorräte aufgebraucht, und außer Mandeln keine Nahrung mehr vorhanden, dass die Möglichkeit wenig verlockend erscheint. Ich steige also ganz in das (übrigens wunderschöne) Hahnenbachtal herunter, auf der anderen Seite wieder herauf bis zur Kantine eines Besucherbergwerks. Dort empfiehlt man mir nach Bundenbach zu „Klingels Maria“ zu gehen. Die hat günstige Fremdenzimmer, und ich verbringe eine im Vergleich zum Zelt sehr komfortable Nacht, dazu noch mit einem tollen Ausblick über die Dörfer meines Wegs des vergangenen Tages.
„Klingels Maria“
Maria Klingels ist mindestens 85, wie die Geburtstagskarte mit den abgedruckten bunten Händen des jüngsten Urenkels verrät, die sie mir stolz zeigt. Wieviel älter sie seitdem geworden ist, frage ich nicht. Die Karte wirkt noch frisch. Maria Klingels könnte genauso gut 75 sein. „Klingels Maria“ führt die einzige Pension in Bundenbach, die auch Gäste für einzelne Übernachtungen aufnimmt. Dass andere das nicht machen, kann sie aus finanziellen Gründen zwar nachvollziehen, findet es aber trotzdem nicht in Ordnung. Immerhin werbe die Region mit ihren Wander- und Pilgerpfaden. Fremdenzimmer bietet sie an, seit der mittlerweile verstorbene Ehemann früh verrentet werden musste, mittlerweile seit über 30 Jahren. Man bekommt den Eindruck, es gehe ihr kaum ums Geld, und hätte man nichts, man würde noch zur kostenlosen Übernachtung eingeladen und trotzdem mit Frühstück versorgt.
Maria erzählt von Kindern und Enkelkindern, die weit wegziehen, und sich trotzdem rührend um sie kümmern, von der Sensation, als der Sohn vor mehr als 50 Jahren die Möglichkeit bekommt, nach Kirn aufs Gymnasium zu gehen (Anreise mit dem Postauto), und davon, wie auf den Dörfern die letzten Geschäfte und Kneipen schließen. Die Gäste, die durchreisen, scheinen für sie auch etwas Welt und Leben mitzubringen. Eine besonders schöne Geschichte: Der Sohn hat einmal einen Schüleraustausch mitgemacht, ein Junge aus Frankreich wurde so fast zum Teil der Familie. Maria war zur Hochzeit eingeladen, musste aber ins Krankenhaus und konnte nur Blumen schicken – bald darauf brach der Kontakt ab. „Und immer, wenn jetzt ein Gast kommt“, sagt sie, denke ich mir, „das könnte doch eigentlich jetzt der Marai sein. Aber er ist es natürlich nie“. Man könnte ein ganzes Buch über diesen Abend und den darauf folgenden Morgen schreiben, doch das muss auf einen anderen Tag verschoben werden. Das Zimmer passt perfekt zu dieser Etappe der Reise: Schlicht, eher altmodisch, ein bequemes Bett, eine Dusche. Schon in der ersten Nacht habe ich gemerkt, dass mein Rücken eigentlich zu alt ist, um auf Isomatten zu schlafen. Frühstück gibt es unten im Wohnzimmer, gegenüber einer Galerie herrlich blühender Orchideen in allen Farben. Die sammelt „Klingels Maria“ und hat offenkundig ein Händchen für die nicht ganz einfach zu pflegenden Pflanzen. Aufbruch dann gegen 8.30 Uhr. Für diesen Teil der Reise musste man sich wahrhaftig treiben lassen, planen lässt sich die Kette von Zufällen, die zur besten Unterkunft auf dem Weg führt, nicht. In ein paar Jahren findet der unbedarfte Wanderer dann allerdings wohl zwischen Simmertal und dem Campingplatz Harfenmühle auf gut 35 km keine Herberge mehr (Camps auf Schmidburg und Altenburg können aber im Vorfeld gebucht werden – im Nachhinein ist man immer schlauer).
Tag 3: Bundenbach – Asbach – Sennweiler Mühle
Der dritte Tag beginnt relativ ereignisarm. Milane ohne Ende, ein paar Rehe, ein Bulle, der fürs Foto posiert, etwa 10 km entlang von Landstraßen, auf denen man kaum Autos antrifft, eine Abkürzung zwischen Hottenbach und Asbach durchs Feld, die zwischendurch kaum noch zu erkennen ist, kurzes Zusammentreffen mit einer Tageswanderin, mit der gemeinsam ich den Weg wieder finde, schließlich eine Abkürzung der Abkürzung über einen schmalen Bach, als ich die ersten Häuser von Asbach sehe. Dann nochmal ein fast isoliert wirkender Waldsteig, allerdings unweit der Landstraße, und schon bin ich am Campingplatz Harfenmühle. Ein wundervoll gelegener Platz an einer alten Mühle, mit einem kleinen See und einen plätschernden Bachlauf, derweil modern eingerichtet, eher wie ein gehobener Platz an der Mosel. Allerdings: Mein Mindest-Ziel für den Tag habe ich gegen 13 Uhr erreicht. Viel zu früh, um schon das Zelt aufzuschlagen. Auf dem Platz bekomme ich kostenlos eine neue Wanderkarte, und kann mich durch ein stilles Waldstück über Kempfeld und einen weiteren steilen Waldpfad nach Katzenloch durcharbeiten. Nach 1 oder 2 km an einer stärker befahrenen Landstraße komme ich zum Campingplatz Senweiler Mühle. Ein Platz ohne Handyempfang, dafür ebenfalls mit kleinem Fluss und zum ersten Mal überhaupt WLAN. Allerdings: Keine Gastronomie, kein Kiosk. Ein weiteres Beispiel der Hilfsbereitschaft, die ich an allen Tagen im Hunsrück erlebe: Der Chef fährt mich kurzerhand nach Allensbach, wo ich Brot und Schinken kaufe. Sein Mitarbeiter leiht mir über Nacht eine Kühltüte und vier Akkus. Ich würde für die Übernachtung gern ein paar Euro drauflegen, der Betreiber dagegen hat die Idee, meinen Preis sogar noch zu reduzieren, da ich ja nichts dabei hätte und keinen kompletten Platz belege. Wir einigen uns dann auf 13 Euro, den regulären Preis.
Nachts schlafe ich höchstens 4 Stunden. Auf der Matte tut mir der Rücken dann doch ziemlich weh, irgendwelches nachtlebendes Getier schreit und fiept (ich tippe auf Fledermäuse), gegen 5 Uhr übernehmen die Vögel. Also entscheide ich mich, abzubauen und die letzte Etappe in Angriff zu nehmen. Ziel soll entweder Morbach auf der anderen Seite des höchsten Kamms des Hunsrück sein, oder wenn die Chance besteht, es rechtzeitig zu erreichen, Bernkastel-Kues. Und dann heimwärts mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Tag 4: Sennweiler – Morbach
Der Weg am letzten Tag ist leicht zu finden. Über Sensweiler nach Langweiler, wo die Langweiler(er?) gerade eine Party vorbereiten – sich also mit aller Macht gegen ihren Namen stemmen, und dann immer über den Saar Hunsrück Steig bis nach Morbach. Übrigens: Langweiler, Katzenloch? Ist irgendwer mal betrunken über den Hunsrück gestiegen und hat all diese Orte benannt? Einer heißt ernsthaft Rorodt. Da kann man doch förmlich dabei zuhören, wie jemand das einfache „Rot“ jenseits der drei Promille nicht raus kriegt, und der Schreiber versucht das Beste daraus zu machen.
Anyhow. Den Weg zu finden ist leicht, die Etappe ist kurz, aber hart. Es geht von 400 noch einmal hoch auf über 700 m, es ist überraschend kühl und windig, und vor allem der Abstieg schlaucht. Ein oft fast gradlinig ins Tal führender Trampelpfad: Mit jedem Schritt gegen das Gewicht zu halten ist anstrengender als jeder Aufstieg. So laufe ich mir dann auch meine erste, gleich heftige, Blase, und entscheide mich für die einfachere Variante des Tagesplans: Bus ab Morbach Richtung Mosel.
Wobei „einfach“ übertrieben sein mag. Gab es südlich des Hunsrück kaum Busse, glänzt Morbach mit dem Wunder der wandernden Bushaltestelle. Bis 12 Uhr fahren die Busse in der gar nicht so kleinen Stadt an der Grundschule ab, dann wieder am Zentralen Omnibusplatz. Außerdem stimmen die Pläne an der Haltestelle mit der realen Taktung gar nicht überein. Passanten sagen mir, es gebe natürlich Busse nach Bernkastel-Kues, nur auf dem Plan stehen keine. Ich lerne derweil eine nette Referendarin kennen, die mit dem Bus nach Trier möchte, und mir vorschlägt, mitzufahren (nebenbei bestätigt sie, was auch ein guter Freund erzählt: Das Refrendariat ist gewollter Psychoterror… dann lieber zu Fuß durch die Welt wandern).
Immerhin: Diesen Bus gebe es definitiv, und dort gibt es dann auch Züge. Nur: Der Bus hat heftig Verspätung, und es ist bald zwölf. Sollen wir also der Bushaltestelle hinterher wandern, wenn die den Ort wechselt? Derweil hält ein ganz anderer Bus, außer Fahrplan, und die Busfahrerin nimmt mich mit nach Bernkastel-Kues, und verkauft mir gleich ein Rheinland-Pfalz Ticket, mit dem ich bis nachhause komme. Und auch der Bus nach Trier kommt, fast zeitgleich. Durch enge Täler geht es für mich dann, etwas abenteuerlich, Richtung Mosel runter. Die Busfahrerin ist einer dieser Menschen, die mit wenigen Worten große Geschichten erzählen können. „Busfahren? Irgendwo muss das Geld ja herkommen.“ Andererseits: „Hier oben fast wie Urlaub. Fährt ja kaum jemand mit. Und schöne Landschaft.“ Außerdem: „Wenn man mal Menschen befördert, ist das besser als am Band zu stehen.“ Vorher: Leiharbeit, Schichtdienst. Und bald: Die Hochmoselbrücke – „Dann ist man nullkommanix in Wittlich“ – kurzes Überlegen – „ aber wer will schon nach Wittlich? Da gibt’s ja nix. Nur das Gefängnis“ – noch eine Pause – „und da kommt man schnell genug hin“.
Und das war’s schon. Der Rest eine problemlose Heimreise mit ÖPNV. Unterwegs sehr viele hilfsbereite nette Menschen, Geschichten, die oft ausblendet, wer in der Stadt oder den florierenden sogenannten Mittelzentren lebt, einmal mehr die Erkenntnis, dass Schmerzen auch Spaß machen können, und selbst bei einer so kurzen Wanderung diese verrückte Erfahrung des Auseinanderklaffens der Zeitwahrnehmung: 4 Tage – für alle anderen war man kaum weg. Aber wenn man so Tag für Tag, Schritt für Schritt schauen muss, wundert man sich, wie wenig sich nach einer gefühlten kleinen Ewigkeit verändert hat.
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