Da lieg ich nun ich arme Frau …
Tina Schlegels meint: es gibt im Rahmen der Gleichstellung weitaus wichtigere Dinge zu tun, als sich mit dem Umdichten der Nationalhymne zu beschäftigen
Eigentlich hatte ich gedacht, dass das Höchstmaß an Torheit, das im Namen der Gleichstellung von Mann und Frau auf meinen Schultern ausgetragen wird, mit dem Übermalen eines Gedichtes auf der Wand einer Hochschule in Berlin schon erreicht sei. Nun aber will die Gleichstellungsbeauftragte des Bundesfamilienministeriums, Kristin Rose-Möhring, die Nationalhymne ein wenig umdichten – für die Frauen.
Hab ich wieder mal verpasst
Um das vorneweg zu schicken: Die Nationalhymne ist mir reichlich egal, ich hab es nicht so mit allem, das unser Vaterland feiert, aber wenn bei der Olympiade oder bei Weltmeisterschaften das Lied erklingt und jemand mitsingen will, dann habe ich damit auch kein Problem. Was mich allerdings sehr ärgert ist die Tatsache, dass sich Geschlechtsgenossinnen aufschwingen und etwas für mich als Frau tun wollen, das aber immer dazu führt, dass ich mich schlecht fühle danach. Ich fühle mich schlecht, weil ich bevormundet werde, weil mir jemand mit dem erhobenen Zeigefinger sagt: „Wie, Du hast etwa nicht gemerkt, dass Du Jahrzehnte lang von diesem Gedicht oder dieser Hymne benachteiligt wurdest?“ So etwas mag ich überhaupt nicht.
Arrogant
Es war ja schon schlimm, als alle anfingen, sich nicht mehr angesprochen zu fühlen, wenn nicht beide Geschlechter erwähnt wurden. Hab ich nie verstanden, denn bis zu dem Zeitpunkt habe ich mich stets angesprochen gefühlt. Vielleicht liegt es daran, dass ich ein gesundes und normales Selbstbewusstsein habe. Ich fühle mich nicht unterlegen, nie. Die Gleichstellungsbeauftragte erweist meiner Meinung nach uns Frauen hier mal wieder einen Bärendienst. Meine Emanzipation liegt nicht darin begründet, dass ich sprachlich isoliert neben einem Mann bestehen kann, sondern darin, dass weder er noch ich ein Problem haben, in einem Atemzug als „brüderlich“ genannt zu werden, denn rein theoretisch könnte sich ja auch der Mann darüber aufregen. Die bewusste Unterscheidung, Abgrenzung oder was auch immer damit erreicht werden soll, führt lediglich dazu, dass ich mich schlecht fühle, tatsächlich. Nun muss ich wieder bei jedem Date erklären, dass ich so gerade nicht bin, so kompliziert. Dass ich gern Kumpel bin und nicht Kumpeline genannt werden muss, dass es mir nichts ausmacht, wenn abends nur die „Autoren“ begrüßt werden, dass ich außerdem so arrogant bin, dass ich mich gern mit Männern messe, weil es Spaß macht – im sportlichen Wettkampf oder auf dem Papier, mir völlig egal, absolut brüderlich eben, und bitte, bitte, bitte, mir eine Frauenbeauftragte wünsche, die für die Rechte der Frau eintritt, und ihre teuer bezahlte Zeit nicht mit solch für uns alle peinlichen Marginalien verschleudert. Und ja, ich weiß wohl, dass andere Länder ihre Hymnen geändert haben – muss das was heißen? Nein.
Schauplatzverschiebung
Ich will mich nicht schlecht fühlen, weil diese Frau zu viel Zeit hat und angebliche Benachteiligungen aufdeckt, die zuvor noch keiner als solche empfunden hat, denn: wie ich schon zu dem Gedicht schrieb: das ist eine eklatante Schauplatzverschiebung, bei der man glatt auf den Gedanken kommen könnte, stärkere Kräfte ziehen im Hintergrund die Fäden, auf dass wieder mal ein lächerliches Problem die echte Frauenbewegung verunglimpft …
Nein, ich will mich nicht schlecht fühlen. Aber nun lieg ich hier, ich arme Frau, seit Jahren von der Nationalhymne benachteiligt und zu blöd, es selbst zu merken … Im Grunde führen solche Aktionen doch immer zum Gegenteil: Alle Frauen müssen sich reichlich doof vorkommen, dass sie nicht selbst darauf gekommen sind. Dass wir also nicht unsere persönlichen Schauplätze jener Kämpfe, die wir zweifelsohne immer wieder einmal führen müssen, verlassen haben, um die Nationalhymne umzudichten. Und ich könnte wetten, wenn die Hymne neu gedichtet wird – den Wettbewerb gewinnt sicher ein Mann, muss dann aber wegen Quote oder so etwas zurücktreten. Und ich muss meinen männlichen Kollegen und Freunden wieder erklären, dass die meisten von uns Frauen ehrlich sehr normal sind.
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